Mittwoch, 29. Mai 2019

Das Gute im Schlechten



"Meine Damen und Herren - nur Mut und etwas Zuversicht. Wir kriegen das schon hin." Der Bundespräsident machte vor, worin sich nun viele im Land üben. Man versucht sich in Zweckoptimismus und übt sich in Durchhalteparolen. Das hat etwas von dem, wenn man im finsteren Keller sitzt und sich gegenseitig Mut zuspricht. "Schicksalstage für Österreich" rief die größte Zeitung im Land am vergangenen Sonntag aus. Mag sein und man kann es so sehen. Aber es ist kein Grund, jede Hoffnung fahren zu lassen. Österreich und seine Strukturen sind stark genug, damit umzugehen und das auszuhalten. Auch wenn in den vergangenen Wochen und Monaten mitunter Zweifel aufgekommen sind. Als man zusehen musste, wie leicht man nach dem Staatsapparat greifen kann, wenn es einer so drauf anlegt, wie der freiheitliche Innenminister. Oder wenn man erlebt, was in Köpfen von Politikern vorgeht, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Und wenn es Staunen macht, wenn man erkennen muss, wie schnell und auch wie leicht stabil erscheinende politische Konstellationen platzen können.

Auch wenn das manche in Zweifel ziehen - die Demokratie ist stark in diesem Land. Sie scheint sogar gestärkt durch die Ereignisse der vergangenen Wochen, die uns viel gelehrt und viele vielleicht auch aufgeweckt haben. Wenn irgendetwas zu lernen ist, aus der Entwicklung der vergangenen Wochen, dann dass man sich just damit nicht spielen soll. Wie immer die Interessenslage aus Parteiensicht auch sein mag.

In Zeiten wie diesen ist man froh darum und auch um den soliden Verwaltungsapparat, der das Rückgrat des Staates bildet und um die föderalen Strukturen, die zeigen, wie wichtig sie für das politische Gleichgewicht sind und für das Funktionieren des Landes. Man lernt zu schätzen, dass die Verwaltung auch in turbulenten Zeiten funktioniert und dass Menschen an den wesentlichen Schalthebeln sitzen, die tun, was zu tun ist und so ein Sicherheitsnetz bilden auf das man sich auch in turbulenten Zeiten verlassen kann.

Mit einem Mal sieht man viele der Dinge, an denen man sich über die Jahre rieb und die man kritisierte und über die man sich ärgerte, in einem anderen Licht. Man schaut genauer hin und sorgt sich mit einem Mal darum, dass alles mutwillig von ein paar politischen Heißspornen unterschiedlichster Couleurs aufs Spiel gesetzt wird. Und man besinnt sich auf das, was das Land wirklich kann und darauf, wo es im internationalen Vergleich steht.

Wir haben unsere Schwächen, das wissen wir, aber insgesamt gehört Österreich zu den führenden Nationen. Und es zeigt sich, dass, worum bei uns oft mit äußerster Erbitterung gestritten wird, nichts denn Luxusprobleme sind, über die man anderswo allenfalls lächeln würde. Viel, an dem man sich stößt, ist oft nicht so, wie es dargestellt wird, sondern kommt übertrieben daher, nur um gehört zu werden.

Freilich gibt es Probleme im Budget, bei der Finanzierung der Pensionen, auch bei der sozialen Absicherung und in vielen anderen Bereichen auch. Und freilich kann man nicht froh sein, dass nun für zumindest ein halbes Jahr alle Reformen stehen und Projekte auf Eis liegen. Aber darüber sollte man nicht vergessen, dass unser Land nach wie vor zu den reichsten Ländern auf dem Globus zählt. Das Sozialsystem funktioniert alles in allem. Und es lebt sich gut hier.

Wenn die aktuelle Krise etwas Gutes hat, dann, dass sie die Bedeutung der Politik vor Augen führt. Mit einem Mal wurde sichtbar, wie wichtig Politik ist, was sie leisten kann und was nicht. Und sichtbar wurde auch, was sie anstellen kann. Die Menschen schauen wieder hin in diesen Tagen und erleben das politische Geschehen mit einem Mal als richtig spannend. Bei den zahllosen Sondersendungen im Fernsehen gab es Rekord-Einschaltquoten. Überall wurde mit einem Mal über Politik geredet. Man schaute in die Zeitungen, ins Internet und man hörte die Radionachrichten. Wohl oft auch deswegen, weil man sich Sorgen macht um das Land und darum, dass etwas unwiederbringlich zerbrechen könnte, zeigte sich doch deutlich wie selten, was Bösartigkeit, Rachsucht, Rücksichtslosigkeit und Dummheit anrichten können.

Und wenn der Bundespräsident als Politiker in einer Rede sagte, um die Menschen zu beruhigen "Nein, so sind wir nicht", dann müssen die Politikerinnen und Politiker das auch zeigen. Darauf freilich warten wir noch. In den vergangenen Tagen jedenfalls, war noch nicht wirklich etwas davon zu erkennen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung 29. Mai 2019

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1