Die Videos aus Ibiza wirken wie der Werkstattbericht aus einer Bananenrepublik." Es gibt viele eindrückliche Sätze, die in den vergangenen Tagen fallen sind. Das ist einer davon. Das Staunen mag nicht enden. Meinte man zunächst, der Spuk sei vorbei, so deutet nun vieles drauf, das dem nicht so sein wird. Und nicht alleine, weil Strache die Devise "Jetzt erst recht" ausgegeben hat und alles darauf hindeutet, dass die Freiheitlichen diesem Aufruf folgen und, wie die Dinge liegen, bereit zu sein scheinen, dafür sehr viel in Kauf zu nehmen und auch aufs Spiel zu setzen. Die Gefahr, dass der Spuk, wenn auch unter anderen Vorzeichen, wohl weitergehen wird, liegt auch nahe, weil keine der anderen Parteien und ihrer Vertreter Anzeichen erkennen lässt, dass sie Wert drauf legen, dass Österreich in Zukunft nicht mehr für eine Bananenrepublik gehalten wird. Viele der Äußerungen und Statements der vergangenen Tage lassen das befürchten. Man denke nur an die Spielchen mit den Misstrauensanträgen im Nationalrat. Auf die Sekunde verfielen alle Seiten in einen Wahlkampfmodus, der für die nächsten Wochen und Monate Schlimmstes erwarten lässt. Schon nach drei, vier Tagen ist man des Gezeters müde. Es dauert aber noch fast vier Monate.
Mahnende, um Beruhigung bemühte Stimmen waren hingegen kaum zu vernehmen. Und wenn, dann wirkten sie bis auf wenige Ausnahmen wie leere Worthülsen, die man meinte pflichtschuldigst abliefern zu müssen. Ob irgendjemand wirklich nachdenklich geworden ist, ist nach all dem, was in den vergangenen Tagen zu hören war, zu bezweifeln. Und niemand scheint zu fragen, wie man wieder zurückfinden könnte in eine politische Normalität. Eher das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Keinerlei Rolle scheint zu spielen, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik so nachhaltig erschüttert ist, wie wohl kaum je zuvor, und auch nicht, dass die politische Kultur so verroht ist, wie kaum je in der jüngeren Geschichte des Landes. Im Gegenteil. Es steht zu befürchten, dass in diesen Tagen, in denen sich das Land über die Aufnahmen aus einem Bungalow in Ibiza und über die Art und über den Ton, in dem dort über Politik geredet wurde, die weitere Vorgangsweise in ähnlicher Abfälligkeit und, wenn auch nicht mit ähnlichen Inhalt, so doch in ähnlichem Stil, Strategien beredet werden, was die politische Konkurrenz betrifft.
Österreichs Politik steht vor einem Scherbenhaufen ungeheuren Ausmaßes. Nach dem Beben vom vergangenen Freitag bleibt man als Bürger dieses Landes ratlos zurück, verärgert und enttäuscht. Enttäuscht davon, dass man in etwas Vertrauen setzte, was viele in Zweifel zogen und deren Zweifel nun in einer Art und Weise bestätigt wurden, wie man es sich nie vorstellen mochte. Oder enttäuscht davon, dass sich alle Zweifel und Sorgen, die man befürchtete, auf so dramatische Weise bestätigten.
Besonders bedrückend ist, dass in diesem Land die politischen Parteien, aber auch viele andere gesellschaftlichen Gruppen verlernt haben, miteinander zu reden. Die gemeinsame Gesprächsbasis ist viel zu oft verloren gegangen, der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung und das Verständnis für den anderen. Bitter rächt sich, dass man den vergangenen Jahren viele Brücken mutwillig abgebrochen hat und man immer öfter meinte, auf eine Gesprächsebene mit Andersdenkenden verzichten zu müssen, um gut dazustehen. Stattdessen hat man überall den Scharfmachern Raum gegeben, weil man meinte, nur mit Zuspitzung zum Erfolg zu kommen. Die Spaltung der Gesellschaft nahm man dabei oft nachgerade lustvoll in Kauf.
Diese Vorhaltungen gelten nicht alleine, und das sei besonders hervorgehoben, für die Regierungsparteien und die Rechte im Land. In zumindest ebenso großem Maß gelten sie auch für die Linke -von der SPÖ, über die Grünen bis hin zu verschiedenen NGO und anderen Gruppen. Sie müssen sich vorhalten lassen, mit ihrer Überheblichkeit, ihrer Oberlehrerhaftigkeit und mit dem erhobenen Zeigefinger in vielen politischen Fragen, auch wenn sie sachlich oft recht gehabt haben mögen, die Menschen nicht erreicht und ihre Bedürfnisse missachtet zu haben. Damit haben sie die Rechte erst großgemacht, weil viele Leute sich dort mit ihren Bedürfnissen besser aufgehoben und verstanden fühlten.
Dass diese Gesprächsbasis zerstört wurde, und dass es die Brücken nicht mehr gibt, macht es jetzt so schwierig zu einem Neuanfang zu finden - einem, der nicht einer Bananenrepublik gleicht.
Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 23. Mai 2019
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