Donnerstag, 23. April 2020

Ein Danke ist zu wenig



Lady Gaga, Elton John, Stevie Wonder, Paul McCartney und die Rolling Stones tun es. Und viele andere tun es auch. In aller Welt und auch in Österreich. Sie singen, sie klatschen und manche hissen sogar die Nationalflagge, um, wie es gerne heißt, "allen SystemerhalterInnen eine kleine Freude zu machen und ihnen auf dem Weg in die Arbeit oder am Heimweg mit dieser Aktion Danke zu sagen".

Klingt gut und anständig, und ist meist auch wirklich ehrlich gemeint. Es legt aber dennoch die Frage nahe, ob man damit in der Krise nicht einer Methode frönt, um sich eher selbst auf die Schultern zu klopfen und sich und seine Hilflosigkeit zu beruhigen, dass man seinen Beitrag zur Bewältigung der schwierigen Situation leistet und Gutes tut. Man singt und klatscht sich sozusagen aus dem Schneider. Und ist zufrieden mit sich.

So wichtig und so nett und so ehrlich gemeint das auch sein mag, substanziell jedenfalls ist davon nichts. Und ob es nachhaltig ist, muss sich erst zeigen. Es verwundert daher nicht, dass die, denen Gesang und Applaus und allerorts zur Schau gestellte Betroffenheit und Mitgefühl gelten, damit oft nichts Rechtes anzufangen wissen. Und dass es manchen sogar so richtig stinkt. "Euren Applaus könnt ihr Euch sonst wo hinschieben", war dieser Tage von einer Krankenschwester in den Sozialen Medien zu lesen. Sie hätten gerne was anderes. Anerkennung auch abseits von Krisen, Wertschätzung für ihre Arbeit, Aufmerksamkeit für ihre Anliegen, besseren Schutz bei der Arbeit vielleicht, mehr Tests auch. Und eine bessere Bezahlung.

All die Berufe, von denen man jetzt erkennt, wie wichtig sie für das Funktionieren der Gesellschaft sind und die neuerdings unter "systemrelevant" firmieren, haben all das viel zu selten. Die Pflegekräfte und Krankenschwestern, die Verkäuferinnen in den Supermärkten, die Kindergärtnerinnen und viele andere auch. Nicht nur seit Jahren, sondern aus Tradition. "Geht nicht anders" war bisher immer die simple Erklärung dafür. Und damit hatte es sich. "Weiterarbeiten!"

Am Gründonnerstag bezeichnete der Papst Ärzte und Pfleger als "Heilige von nebenan" und man wünscht sich, dass es nur eine schlampige Übersetzung war, die da über die Agenturen verbreitet wurde, und dass er auch die Ärztinnen und Pflegerinnen mit meinte. Und man wünscht sich, und vor allem denen, die gemeint waren, dass sie in Zukunft tatsächlich etwas von dieser Einschätzung zu spüren bekommen.

Die Gesellschaft ist gefordert, nach Corona vieles zu überdenken, wohl auch Gewichtungen neu zu verteilen. Der Umgang, die Wertschätzung und die Bezahlung der Systemerhalterinnen und Systemerhalter gehören dazu. Und das Bewusstsein um die Bedeutung. Toni Innauer formulierte es in einem Radiointerview so: "Jetzt merken wir, dass Krankenschwestern, Ärzte und Verkäuferinnen im Supermarkt wichtiger sind als die Topscorer und die großartigen Kicker, die das Tausendfache verdienen." Es muss ja nicht gleich die Devise "koste es, was es wolle" sein, wenn es um Verbesserungen geht. Aber man kann dem hemdsärmligen Gewerkschaftsboss Wolfgang Katzian doch beipflichten, der meinte "des muss rascheln im Börserl, ned klingeln". Und man muss von der Gesellschaft fordern, dass sie nach Corona nicht vergisst, woran wir hängen und was wir oft viel zu gering und viel zu abfällig schätzen. 

Bisher ist nur wenig davon zu erkennen, dass es für die Systemerhalter mehr gibt als Lieder, Klatschen und gehisste Fahnen. Die großen Handelsketten zahlen Prämien. Gut. Dafür gab's auch große Berichte und PR selbst in der 'Zeit im Bild'. Die Regierung stellt diese Prämien steuerfrei. Auch gut. Aber dann wird es schon dünn. Manche Organisationen und Spitalserhalter zahlen auch Prämien, ist zu vernehmen. Und dafür, dass sie für die 24-Stunden-Pflegerinnen aus Osteuropa auch Prämien fürs Dableiben zahlen, wollen die Bundesländer, die es tun, auch gelobt werden.

Wiewohl sich gerade dort das Problem zeigt. Die Prämien gibt es nicht als Anerkennung, sondern sehr viel mehr deswegen, weil man unfähig war, für diese Pflegekräfte andere Lösungen aufzustellen. Spezielle Möglichkeiten für die Ein-und Ausreise fehlen bis heute. Dabei hätten die Pflegerinnen dies- und jenseits der Grenze nichts lieber als das. Und die Familien, in denen sie arbeiten, auch.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. April 2020

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