Donnerstag, 9. April 2020

Vorbei wird nicht vorbei sein



Vor drei, vier Wochen wussten sich viele noch selbst zu trösten. Abseits all der Angst um die eigene Gesundheit schätzte man trotz aller Besorgnis und Aufgeregtheit auch die Ruhe, die einem mit einem Mal umgab und die Entschleunigung und glaubte gerne und arglos daran, dass stimmt, wovon überall die Rede war: "In ein paar Wochen ist alles vorbei." Dann werden wir unser normales Leben bald wieder haben und unseren Job auch. Die Auftragsbücher werden sich schnell wieder füllen und die Geschäfte, Wirtshäuser und Hotels auch. Die Wirtschaft hält das schon aus.

Das war die Hoffnung damals. Inzwischen ist aber längst klar, dass es all denen, die das immer noch glauben, genauso gehen könnte wie allen damals im Februar. Als es gang und gäbe war, Corona für eine Geschichte im fernen China zu halten, die halt Italien -eh klar -nicht in den Griff kriegt, die aber uns nie und nimmer wirklich was anhaben könnte. Als man sich wunderte über Ausgangsbeschränkungen und darüber, dass sich die Menschen nicht nur im fernen China, sondern mittlerweile auch in Mailand in großen Abständen zueinander -die Gesichter mit Masken geschützt -vor Geschäften anstellten.

Inzwischen gehört all das auch bei uns zum täglichen Leben. Und inzwischen wird auch immer klarer, dass die Wirtschaft das nicht so einfach durchdrücken können wird. Trotz aller Milliarden und trotz der Devise "Koste es, was es wolle".

Klar ist inzwischen, dass es für zigtausende Unternehmen und Unternehmer in den nächsten Monaten ums Überleben geht. Und damit auch um hunderttausende Arbeitsplätze. Die Wirtschaftsforscher geben sich vorsichtig und wollen, wie Wifo-Chef Christoph Badelt kürzlich bei der Präsentation der Konjunkturprognose sagte, "nicht zeigen, was es im schlechtesten Fall geben kann", weil das nur Panik verursachen würde. Offiziell glaubt man, dass die Wirtschaft um nicht mehr als 2,5 Prozent schrumpfen könnte. Im Ausland hingegen redet man bereits unverhohlen von der "Mutter aller Rezessionen", wie der österreichische Ökonom Gabriel Felbermayr, Präsident des Deutschen Instituts für Weltwirtschaft, nennt, was auf uns zukommen wird. Immer klarer wird, dass die Rezession ihre Wucht noch gar nicht entfaltet hat, und immer öfter sind Sätze zu lesen wie "Die Wirtschaft ist kein Wasserhahn, den man auf-und zudrehen kann".

Klar ist schon jetzt, dass der Schaden für die Wirtschaft und damit für unser aller Wohlstand umso geringer ist, je früher der Shutdown der Wirtschaft wieder in die Normalität zurückgeführt wird. Ab nächster Woche ist es vielleicht so weit. Schritt für Schritt zumindest. Das gibt Hoffnung.

Dass damit die Erwartungen erfüllt werden, ist freilich zu bezweifeln. Man wird erkennen müssen, dass man nicht dort, wo man aufhörte, einfach anknüpfen kann, als wäre nichts gewesen. Und man wird damit zurechtkommen müssen, dass es viele Arbeitsplätze nicht mehr geben wird. Dass es an Aufträgen fehlen wird und auch am Geld. Man wird damit leben müssen, dass die Corona-Krise nolens volens auch allerorten Kosteneinsparungs-und Effizienzprogramme auslösen wird, weil sich auch die Unternehmen nach der Decke strecken müssen, um zu überleben. Es wird aber auch andere Veränderungen geben. Man wird draufkommen, dass man etwa bei den Bürokosten sparen kann, weil Homeoffice funktioniert und Telefonkonferenzen auch. Und auch, dass vieles einfacher und mit weniger Personal geht als vor der Krise.

Corona führt uns die große Bedeutung der Wirtschaft vor Augen, die über die vergangenen Jahrzehnte oft viel zu gering geschätzt wurde. "Das Funktionieren der Wirtschaft ist Basis der Gesellschaft, des Sozialsystems, des Bildungssystems, aber auch des Gesundheitssystems", sagt Industriellen-Präsident Georg Kapsch. Dem ist schwer zu widersprechen.

Das ist nicht das einzige Positive. Die Krise rückt auch den Wert der Produktion im eigenen Land wieder in den Mittelpunkt. Und auch den einer Einrichtung, die in den vergangenen Jahren von vielen schon totgesagt und von vielen auch bewusst geschwächt wurde. Die Sozialpartnerschaft zeigt auch in dieser Krise ihre Stärke. Das zeigt allein ein Satz von ÖGB-Chef Wolfgang Katzian in einem Interview: "Der Zustand ist jetzt, wie er eigentlich sein sollte -ein gute Wirtschaft lebt von guten Arbeitnehmern, insofern ist es logisch, dass man ÖGB und AK nicht nur anhört, sondern mit ihnen verhandelt."

Vor drei Monaten hätte er das wohl nicht so formuliert.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. April 2020

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