Dienstag, 6. April 2021

Steigende Preise bringen Bauern nichts

Auf dem internationalen Milchmarkt steigen seit Monaten die Preise. Alle Indizes zeigen nach oben. Österreichs Bauern haben davon nichts. Man könne nicht mehr zahlen, sagen die Molkereien, weil der Handel feilsche wie eh und je.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Nach den Demonstrationen im März vorigen Jahres und nach den Erfahrungen des ersten Lockdowns, der die Bedeutung der heimischen Versorgung mit Lebensmitteln und insbesondere Milch auch einer breiten Öffentlichkeit drastisch vor Augen führte, schien sich eine Entspannung zwischen Bauern und Lebensmittelhandel bei den Milchpreisen anzubahnen. Aus den Chefetagen des Handels gab es Versprechen, den Milchbauern entgegenkommen zu wollen, sogar ein Pakt wurde geplant, der das Verhältnis auf eine neue Basis stellen sollte. „Davon ist heute oft nichts mehr zu spüren“, ärgert sich Helmut Petschar, Chef der Kärntnermilch und Sprecher der heimischen Molkereien, ein Jahr später.

Davon, dass auf den internationalen Märkten seit Monaten die Preise für Milch und Milchprodukte in die Höhe schießen und alle Indizes nach oben zeigen, hatten bisher weder die heimischen Molkereien noch die Bauern etwas. Im Gegenteil. Jetzt, nach dem Ende des Winters, wo die Anlieferung traditionell steigt, müssen manche Molkereien sogar die Preise zurücknehmen und die Liefermengen für die Bauern wieder beschränken. „Die Partner im Lebensmittelhandel haben teilweise schon wieder vergessen, was sie vor einem Jahr alles versprochen haben und wie die Einkäufer des Handels in persönlichen Telefonaten uns geradezu beknieten, unbedingt zu liefern, damit die Regale nicht leer blieben“, sagt Petschar. „In den vergangenen Wochen war wieder verstärkt zu bemerken, dass es den Handelsketten schon wieder nur mehr um Preis- und Konditionsforderungen geht.“ Man habe teilweise schon wieder aus dem Augen verloren, dass es letztendlich die Bauern und die regionalen Verarbeiter seien, die die Versorgung sicherstellten. „Ich glaube, die Bauern und wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und die österreichische Bevölkerung nicht im Stich gelassen, jetzt darf man auch nicht schon wieder uns und die Bauern im Stich lassen“, sagt der Sprecher der Molkereien.

Aber auch mit der Politik haben die Milchverarbeiter eine Rechnung offen. Im aktuellen Verordnungsentwurf zur Herkunftskennzeichnung sind nun zwar auch Milch und Milchprodukte berücksichtigt, bei den Coronahilfen gehen die Milchverarbeiter aber nach wie vor leer aus. „Es tut weh, dass wir derzeit noch keine Hilfeleistung aus dem Coronafonds erhalten“, sagt Petschar. Vor allem in Fremdenverkehrsgebieten mussten Molkereien im Westen und Süden Österreichs kräftige Einbußen hinnehmen. Allein für sein Unternehmen beziffert er den Umsatzverlust mit mehr als 80 Mill. Euro. Die bisherigen Gespräche, bei denen man eine ähnliche Verlustregelung anstrebt, wie es sie für die Schweinebranche gibt, verliefen bisher ohne Ergebnisse.

Abgesehen davon sind die Molkereien im Großen und Ganzen passabel durch das Coronajahr 2020 gekommen. Der Gesamtumsatz legte gegenüber dem vorangegangenen Jahr um 3,2 Prozent auf 2,95 Mrd. Euro zu. An der angespannten Ertragslage änderte das freilich kaum etwas. Das Branchenergebnis vor Steuern lag bei schmalen 1,4 Prozent des Umsatzes. Die Milchgesamtanlieferung blieb im Vorjahr mit 3,38 Mill. Tonnen stabil. Der Bioanteil wuchs auf 19,1 Prozent. Die Exporte von Milch und Milchprodukten wuchsen mit plus 4,5 Prozent (auf 1,3 Mrd. Euro) kräftig.

Aus Sicht der Bauern schaut die Bilanz freilich anders aus. Obwohl die Milchpreise im Jahresschnitt um zwei Prozent auf 42,65 Cent brutto je Kilo zulegten, machten wieder gut 1000 Bauern die Türen ihrer Kuhställe für immer zu. Der Strukturwandel setzte sich ungebremst fort. Die Anzahl der Milchbauern ging 2020 um 3,8 Prozent auf 24.650 zurück. Weil die verbleibenden Betriebe aufstockten, blieb der Milchkuhbestand mit 525.000 Tieren unverändert. Mit nunmehr durchschnittlich 21,3 Kühen und einer jährlichen Milchlieferung von 137.000 Kilogramm Milch zählt Österreich im EU-Vergleich nach wie vor zu den Nachzüglern. In den Ställen ihrer deutschen oder dänischen Kollegen sind die Zahlen um ein Mehrfaches größer.

Wie es heuer weitergeht, ist ungewiss. Entscheidend sei vor allem die Entwicklung im Tourismus und in der Gastronomie, sagt Petschar.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 6. April 2021

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