Donnerstag, 3. Februar 2022

Ruhe vor dem Sturm?

Man kann der Landwirtschaftsministerin zugutehalten, dass sie zumindest gesagt hat, dass nicht alle Bauern von der EU-Agrarreform und wie sie in Österreich umgesetzt werden soll, profitieren werden. Das freilich kann den Argwohn auch erst richtig entfachen. Wenn die Ministerin das schon selbst sagt, was ist dann erst wirklich zu erwarten?

Was in Sachen EU-Agrarreform lief vor allem in Österreich selbst wurde über lange Zeit in der Öffentlichkeit auf Sparflamme kommuniziert. Dass die Umwelt in der neuen Agrarpolitik ein größeres Gewicht bekommen wird, ja. Auch, dass wohl keine Verbesserungen zu erwarten sind. Was das aber für den einzelnen Bauern bedeuten kann, wurde nie wirklich thematisiert.

Und so ist die Überraschung jetzt groß. Die Biobauern schlugen als erste Alarm. Dann rückten die Großbauern im Osten Österreichs aus. Zuerst warfen sie der Regierung vor den Ackerbau zu Grabe zu tragen. Dann machten sie auf die Gefährdung von Arbeitsplätzen aufmerksam und schließlich begann man auch an der Förderobergrenze, die Österreich eingezogen hat, zu rütteln.

Am anderen Ende indes tut sich einstweilen gar nichts. Da hat man, so scheints noch gar nicht registriert, dass das, was vor allem die Grünen als Stärkung der Klein- und Kleinstbetriebe und ihren Erfolg bejubeln, nichts als ein Bauernfänger-Schmäh ist. Ein ziemlich übler noch dazu. Denn auch wenn es für Betriebe bis 40 Hektar Zuschläge bei der Flächenprämie geben wird, werden sie deutlich weniger pro Hektar bekommen als bisher, weil die Flächenprämien insgesamt um fast 30 Prozent gekürzt werden.

In die Kategorie Bauernfänger-Schmäh gehört freilich auch der Verweis darauf, dass mit 1,6 Mrd. Euro jährlich sogar mehr als bisher für die Bauern zu Verfügung stehen würden. Klingt passabel, aber real zu Preisen des Jahres 2000 entspricht das nicht viel mehr als 1,1 Mrd. Euro, um fast ein Drittel weniger, als das mit dem die Bauern mehr als 20 Jahre später das Auslangen finden müssen.

Wenn in den nächsten Wochen ruchbar wird, was noch alles auf die Bauern zukommt, darf man gespannt sein, wie groß der Wirbel wohl noch werden wird. Es mag zwar gut klingen, dass man, wie die Ministerin sagte, das Minus durch die Teilnahme an ÖPUL-Programmen ausgleichen kann. Ob das Angebot für die Bauern attraktiv ist und ihnen eine Perspektive bietet, ist umstritten, sind doch die Prämien im ÖPUL so kalkuliert, dass sie gerade die Kosten decken. Schon jetzt fragt man sich, ob sich etwa viele Bauern im Berggebiet z.B. für die bodennahe Gülleausbringung eine Investition in Größenordnung einer Eigentumswohnung antun.

Die Grundtendenz der EU-Agrarpolitik ist nicht zu verkennen – es geht um eine Extensivierung der Landwirtschaft. Das ist die logische Konsequenz der stärkeren Umweltorientierung. Vor allem für die Betriebe, die ihre Höfe im Vollerwerb bewirtschaften, ist das eine enorme Herausforderung.

Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Bei der Forderung nach Anrechnung Lohnkosten bei der Föderobergrenze signalisierte die Ministerin jüngst Änderungsbereitschaft. Auch die EU-Kommission kann noch Änderungen verlangen. Und überhaupt – die Reform muss auch noch durchs heimische Parlament.

Gmeiner meint - Blicks ins Land, 3. Februar 2022

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