Donnerstag, 3. Februar 2022

Ein Land ohne Bremsen

Der Staat wirft das Geld mit beiden Händen hinaus, aber kaum jemand scheint das noch zu berühren. Eine Milliarde für eine Impflotterie dort, 1,6 Milliarden als Ausgleich für die gestiegenen Energiekosten da und dann auch noch einen Impfbonus von der Sozialversicherung für die Selbstständigen und Bauern. Und kaum wo ein Aufschrei. Kaum wo jemand, der nach der Stopptaste ruft.

Leute wie Franz Schellhorn, Chef der Agenda Austria, scheinen wenige geworden zu sein in diesem Land. Die es wie er für ein "verheerendes Signal" halten, "Menschen dafür Geld zu bezahlen, eine ohnehin vom Sozialstaat kostenlos angebotene Impfung gegen schwere Krankheit in Anspruch zu nehmen". Und die die Regierung kritisieren für ihren "Geldverteilungsrausch", wie Schellhorn es nennt. "Wird dieser Wahnsinn je ein Ende nehmen?" fragt er und hat schon seine Befürchtungen. "Whats next? Steuergeld für die Gratis-Maserimpfung? Einen Hunderter für die kostenlose Polio-Impfung?"

Befürchten könnte man es tatsächlich. Es scheinen alle Bremsen gelöst, alle Sicherungen herausgeschraubt zu sein. Auf rund 70 Milliarden werden allein die Kosten der Pandemie bisher geschätzt. Und jetzt fängt man auch noch an, ohne viel Hemmungen so etwas wie die Kosten der Teuerung auszugleichen.

Es ist, als hätte man die Büchse der Pandora aufgemacht. Der Staat scheint seiner Macht nicht mehr zu vertrauen und hat keine Scheu, den Bürgerinnen und Bürgern Geld anzubieten für die Einhaltung von Gesetzen, weil man sich nicht getraut, die Gesetze, die man selbst beschlossen hat, durchzusetzen. Bisher haben dazu, und das gehört auch zum Wesen von Gesetzen und ihrer Umsetzung, Sanktionen gereicht. Das lässt tief blicken und Arges befürchten. Das lässt fragen, was man von den Gesetzen hält, die man selbst gemacht hat, und von den eigenen politischen Fähigkeiten.

Man greift mit vollen Händen in die Budgettöpfe und verteilt wahllos unter Titeln wie "Energiekostenausgleich" oder "Impfbonus" Gelder, die den wenigen, die es brauchen, nicht wirklich helfen, die aber vielen, die darauf nicht angewiesen wären, wahrscheinlich nicht einmal auffallen werden, wenn sie sie bekommen.

Da ist nichts mehr von zielorientierten Maßnahmen, nichts mehr von selbstbewusster Politik. Man mag gar nicht dran denken, wie das noch werden wird, wenn man umsetzen will, was man etwa in der Umweltpolitik plant. Diese Pläne bewirken ja genau solche Verteuerungen wie man sie jetzt gerade hektisch und ängstlich mit Milliarden abzufedern versucht -wiewohl, die Steuerreform ist ja ohnehin bereits durchdrungen davon.

Mit Politik, wie sie das Land brauchen würde, hat all das ziemlich wenig zu tun. Etwa damit, dass die Lohnnebenkosten niedriger sein sollten, also "mehr Netto vom Brutto" bleiben sollte, mithin die Menschen weniger schnell in finanzielle Nöte kommen und man sich Aktionen wie Energiekostenausglich und Impfbonus ersparen könnte.

Gar nicht zu reden von dem, was etwa die Kindergartenpädagoginnen wollen. Da war nichts zu sehen von einem "Geldverteilungsrausch", als eine bessere Bezahlung gefordert wurde. Und auch sonst gab es wenig Verständnis für die Gruppe, die von Politikerinnen und Politikern in Sonntagsreden so gerne gelobt wird für ihre Leistung und für ihr Engagement.

Da geht es ihnen freilich nicht anders wie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Pflegeberufen. Wenig ist bisher von den Versprechungen und Solidaritätsbekundungen aus der Politik in ihren Brieftaschen respektive auf ihren Konten angekommen.

"Das ist beschämend", stand dieser Tage in einer Zeitung zu lesen. Ja, das ist es wohl. Und es gilt nicht nur für diese beiden genannten Berufsgruppen. Aber auch daran hat man sich gewöhnt. An die Nicht-Politik. Und so wie es aussieht, wird sich daran so schnell nichts ändern. Die Politik hat ja auch gar keine Zeit dafür, ist sie doch vor allem mit sich selbst beschäftigt. Wie schon in den vergangenen Jahren. Wenn es nicht die Pandemie war, waren es Kurz und die Türkisen, dann Chats und diverse Minister und hochrangige Beamte. Nun, nach Bekanntwerden all der "Sideletters" und Nebenabsprachen, die das Land und seine Regierungen zusammenkitten, sind es auch die Grünen und damit die aktuelle Koalition.

Was vor allem eines garantiert - auf Politik, die das Land braucht, wird man wohl weiter warten müssen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Februrar 2022

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