Samstag, 24. September 2022

Auch Bio gerät unter Druck

Der Absatz von Bioprodukten stockt heuer erstmals. Auch die Preise schwächeln.

Hans Gmeiner 

Wien. „Die aktuelle Situation rund um die Teuerungen hat der Beliebtheit von Biolebensmitteln keinen Abbruch getan“, sagte am Freitag Gertraud Grabmann, Obfrau von Bio Austria, dem größten heimischen Biobauernverband, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit AMA-Marketing. Deren Chef Michael Blass schlug einen ähnlichen Ton an. „Die Jahre 2021 und 2022 zeigen da und dort Dellen in der Entwicklung, aber keine ausgeprägte Krisenstimmung“, sagte er. Die Zahlen, die die beiden präsentierten, passten dazu. Der Absatz im Lebensmitteleinzelhandel hat laut AMA-Marketing im ersten Halbjahr gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres wertmäßig um 2,5 Prozent zugelegt. „Der Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel ist weiter auf Wachstumskurs“, betonte Grabmann und pries ihre Klientel, die Biobauern, in der Zeit hoher Inflation als preisstabilisierenden Faktor. „Bei konventioneller Ware stiegen im ersten Halbjahr die Preise um 7,8 Prozent, bei Bioware aber nur um 3,5 Prozent.“

Alles im grünen Bereich also? Was die allgemeinen Zahlen betrifft, kann man das so sehen. Im Detail schaut die Sache freilich anders aus. Vor allem dass die Zuwachszahlen allein auf höheren Preisen beruhen, nicht aber auf einer stärkeren Nachfrage nach den Produkten, sollte nicht übersehen werden. Nicht nur der wertmäßige Zuwachs von 2,5 Prozent bedeutet angesichts der hohen Inflation real einen Rückgang, erstmals seit Jahren lagen heuer in den ersten sechs Monaten des Jahres auch die verkauften Mengen an Biolebensmitteln im Lebensmitteleinzelhandel niedriger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Wuchs die insgesamt verkaufte Menge an Biowaren in den Jahren 2017 bis 2021 kontinuierlich und meist um mehr als zehn Prozent pro Jahr von 138.000 auf rund 220.000 Tonnen, so gab es heuer im ersten Halbjahr erstmals keinen Zuwachs mehr. Laut AMA-Marketing verkaufte der Lebensmitteleinzelhandel von Jänner bis Juni insgesamt 115.419 Tonnen Bioware, um 0,9 Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Rückgänge gab es insbesondere bei Kartoffeln und Eiern.

Zum Denken gibt aber auch die Preisentwicklung bei manchen Bioprodukten. Man kann freilich, wie Bio-Austria-Obfrau Grabmann, zum kleiner werdenden Preisunterschied zwischen biologisch und konventionell erzeugten Produkten sagen: „Das erleichtert den Griff zum Bioprodukt zusätzlich.“ Aber es müssen die Alarmglocken schrillen, wenn in den Regalen zunehmend Bioprodukte zu finden sind, die billiger angeboten werden als gleichwertige konventionelle Ware. So war etwa gestern, Freitag, in einem Spar-Markt in Oberösterreich ein Kilogramm Universal-Weizenmehl von Natur pur um 1,49 Euro je Kilogramm zu haben, während für das gleiche konventionell erzeugte Mehl der Marke Finis Feinstes 1,99 Euro verlangt wurden. Konventionell erzeugte Schärdinger Vollmilch stand mit 1,59 Euro je Liter zum gleichen Preis im Regal wie Bio-Bergbauern-Vollmilch (Natur pur). Und die Biosuppennudeln von Natur pur waren mit 4,29 Euro je Kilogramm um knapp acht Prozent billiger als die vergleichbare Ware von Recheis aus konventionellen Rohstoffen.

Vor diesem Hintergrund sind wohl auch die Sorgen der Agrarpolitik zu sehen, die Freitag aus Anlass des ersten EU-Biotags neuerlich vor einer ungebremsten Ausweitung der Bioflächen warnte. „Nur auszuweiten ist zu wenig“, sagte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. „Die Ware muss auch verkauft werden.“ Und Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, meinte mit Blick auf die von der EU geplante Erhöhung der Biofläche auf 30 Prozent, den Biobauern sei nicht mit hohen Flächenanteilen, sondern nur mit einer marktorientierten Weiterentwicklung geholfen.

Dass die nächsten Jahre für die Biobauern herausfordernd werden, erwartet freilich auch Grabmann. „Das wird kein Honiglecken“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 24. September 2022

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