"Wenn ich mich nicht gesund fühle, dann sag ich mal, ich fühl mich jetzt nicht so gesund, ich will eigentlich nicht in die Schule, aber ich muss. Dann werde ich mich auch nicht gesund fühlen, wenn ich schon das Gefühl habe, dass ich nicht gesund bin. Und wenn ich schon das Gefühl habe, ich muss um jeden Preis in die Schule, obwohl ich keine Symptome habe, dann hab' ich in mir ja schon das Gefühl, dass ich nicht zu 100 Prozent fit bin." Der österreichische Bildungsminister, ein ehemaliger Universitätsprofessor und Rektor einer Uni, sorgte in den vergangenen Wochen mit diesem Stellungnahme-Geschwurbel zur Unterrichtspflicht von Lehrern, die Corona-positiv sind, in den Sozialen Netzwerken landauf landab für -meist bösartige -Unterhaltung.
Dieses Stellungnahme-Ungetüm, das das p.t. Publikum mit offenem Mund und kopfschüttelnd zurückließ, mag der Stresssituation einer Pressekonferenz geschuldet sein, was einiges erklären mag. Aber es drückt so eindrücklich aus wie kaum etwas anderes, wie man derzeit in diesem Land Politik erlebt. Kaum klare Linien, wortreiche Erklärungen und Ankündigungen, und permanent mehr oder weniger hilflose Bitten um Verständnis für etwas, was für viele kaum zu verstehen ist.Österreichs Politik macht den Eindruck, sich in eine Sackgasse manövriert zu haben, aus der man gar nicht hinausfinden mag. Selbst Erfolge, wie jüngst die Abschaffung der "Kalten Progression", für die es von allen Seiten ungewohntes Lob gab, können daran kaum etwas ändern. So schnell konnte in der Vorwoche die Druckerschwärze in den Zeitungsausgaben, in denen davon berichtet wurde, gar nicht trocknen, wogte schon im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss das Getümmel um die Förderungen der Tiroler Bauernjugend und die Politik setzte arglos ihre Arbeit in der Art und Weise fort, die die Sorge wachsen lässt, dass die Zeit nicht mehr fern ist, wo sie endgültig entgleist.
Diese Sorge nährte wie vieles anderes erst kurz zuvor die Diskussion um Strompreisdeckel und Strompreisbremse. Und da soll gar nicht die Rede sein vom Ausritt der damals Noch-Generalsekretärin der ÖVP. Vielmehr sei die Rede davon, dass auch Zweitwohnungsbesitzer von den Segnungen verbilligten Stroms profitieren sollen und dass in Niederösterreich niemand etwas dabei findet, dass wegen einer Doppelförderung von Bund und Land "die Hälfte der Haushalte Strom zur Gänze subventioniert" erhält, wie der Standard vermeldete. Dass es dabei zuweilen gar zu Überförderungen kommt, nimmt man in Österreichs größtem Bundesland gerne in Kauf. Der Klubobmann der VP im Landtag hat keine Scheu, das ganz offen so zu benennen. Und die dortige Landeshauptfrau, die im kommenden Jahr eine Wahl zu schlagen haben wird, sagt zu dem Thema, als Erklärung gleichsam, "das Leben war eh noch nie so teuer wie jetzt". Ende der Diskussion.
Einhalt mag all diesem Treiben freilich niemand zu bieten. So wie die Regierungsparteien, namentlich die Volkspartei, es nicht schafft, sich nicht von der ständigen Kritik und den permanenten Anwürfen freizuspielen, schafft es die Opposition trotz bester Umfragewerte nicht, das Land, respektive seine Bürgerinnen und Bürger, hinter sich zu bringen. Um ein Bild aus dem Sport zu verwenden -trotz permanent aufgelegter Elfmeter schafft man es nicht, auch nur einen einzigen zu verwandeln.
Vor allem in der SP wurde noch jede Chance, die sich geboten hat, durch interne Querelen und willkürlich vom Zaun gebrochene Führungsdiskussionen abgeschossen. Nie gelang es, auch bei nur einem Thema die Führerschaft zu erlangen. Und schon gar nicht schaffte man es, bei der Wählerschaft jenes Vertrauen zu erzeugen, das für eine politische Wende nötig wäre. Letzteres gilt auch für die anderen Oppositionsparteien.
Umgekehrt schaffen es die ÖVP und auch die Grünen nicht, sich freizuspielen, selbst dann nicht, wenn ein Elfmeter so aufgelegt war, wie das Thema Wien Energie.
Dort zeigte sich vielmehr, dass Satzkaskaden nach dem Muster des eingangs zitierten Bildungsministers in diesem Land fürs politische Überleben ausreichen -der Wiener Bürgermeister hat das eindrücklich bewiesen.
Nicht zuletzt deswegen freilich wachsen die Sorgen schier ungebremst weiter. Verfolgt man die Kandidaten, die den regierenden Bundespräsidenten ablösen möchten, wird dieser Eindruck eher verstärkt. Alles in allem möchte man nicht, dass sie in diesem Land etwas zu sagen hätten.
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