Donnerstag, 2. März 2023

Bittere Hilflosigkeit der Diplomatie

In die Geschichte der Diplomatie könnte der Überfall Russlands auf die Ukraine und der nunmehr mehr als einjährige Krieg als ein dunkles Kapitel eingehen. Nichts scheint zu verfangen, kaum etwas ist von Bemühungen zu erkennen. Es bleibt nur die Hoffnung, dass hinter der Bühne doch Gespräche laufen, von denen man nichts weiß, die irgendwann einmal aber dennoch zu einem Frieden führen. Wenn der US-Präsident in aller Öffentlichkeit nach Kiew reist, werden solche Vermutungen genährt, oder wenn die Ukraine die Russen einfach abziehen lässt, nachdem sie eine Großstadt wie Cherson zurückerobert hat.

Es sind nicht mehr als Vermutungen, dass doch etwas in Bewegung ist, an die man sich klammern kann. Aber nichts von großen Friedensbemühungen, von konkreten Vorschlägen gar, nur Chinas Initiative, deren Bedeutung nur schwer einzuschätzen ist. Es scheint wohl eher zu gelten, was kürzlich der österreichische Außenminister in einem Interview so formulierte: "Momentan sehe ich keinen Raum für Diplomatie." Das ist bitter. Und es ist auch so etwas wie eine Bankrotterklärung der Diplomatie, wenn es denn wirklich so sein sollte.

Putin und sein Russland führen das Handwerk der Diplomatie, ihr Suchen nach Kompromissen, nach gangbaren Wegen, nach zumindest kleinen Fortschritten, regelrecht vor. Im aktuellen Konflikt scheint nichts erreichbar, schon gar nicht Frieden.

Jetzt wird zumindest immer öfter davon gesprochen. Erst langsam wurde die Forderung nach Bemühungen, Frieden zu finden, in den Medien ein Thema. Sehr zurückhaltend freilich nur, sehr vorsichtig, und eingeleitet mit Sätzen wie "Vorweg eine kleine Vorbemerkung" und einer Klarstellung, dass man "keinen Zweifel" habe, dass Russland der Aggressor ist, um dann doch hinzuschreiben: "Dennoch darf man sich auch schon einmal Gedanken" über Selenskyj machen. Auffallend zurückhaltend die Friedensbewegung, die sich in den vergangenen Jahrzehnten an den USA abarbeitete. Von dort kam nie ein Wort, schon gar ein Wort gegen den Herrn im Kreml - wie man es seit Jahrzehnten gewohnt ist. Zuletzt mobilisierten in Deutschland Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht tausende Menschen mit ihrer Forderung, die Waffenlieferungen für die Ukraine zu stoppen. Dass sie damit eins sind mit der rechten AfD in Deutschland oder Österreichs Oppositionsführer Kickl, der damit gerne alte Vorbehalte bedient, oder Corona-Schwurblern und Putin-Verstehern störte die beiden Damen wenig.

Dass bei all dem kaum verhüllt immer Selenskyj als der hingestellt wird, der einen Frieden verhindert, weil er weder auf die Krim, noch auf den Donbass verzichten will, ist da kaum ein Thema. Und auch nicht, dass kaum jemand von denen, die sich da in den vergangenen Wochen für einen "Frieden" stark machten, je klar und ohne Wenn und Aber an Putin wandte und von ihm den Rückzug aus der Ukraine forderte.

Das wirkt wie ein schleichendes Gift und spielt Putin weit mehr in die Hände, als es der Ukraine und dem Ziel hilft, einen Frieden zu erreichen. Wenn die Zeichen nicht trügen, verliert die Bevölkerung im Westen Europas langsam die Geduld. Und wenn die Zeichen nicht trügen, verlieren sie die Geduld eher mit der Ukraine und ihrem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als mit Russland und seinem Herrscher Wladimir Putin.

In Österreich und Deutschland sind mittlerweile zwei Drittel der Bevölkerung der Meinung, die Ukraine sollte Friedensverhandlungen beginnen, auch wenn sie Gebiete abtreten muss.

All das -dass politische Parteien Positionen und Bemühungen für sich vereinnahmen, dass man nicht klar Position bezieht und verweigert, die Realität anzuerkennen -treibt die Forderung nach Frieden in eine falsche Richtung. "Die Kriegsmüdigkeit gehört zu Putins Plan", war dieser Tage zu lesen. Und zu Putins Plan gehört wohl auch, den Westen und seine Bevölkerung zu spalten in der Einschätzung der Ursachen und der wahren Verhältnisse rund den Krieg und seines Zustandekommens.

Das alles ändert freilich nichts dran, dass alles daran zu setzen ist, dass es zu einem Frieden kommt. Zu einem tragfähigen Frieden, zu einem Frieden, der von Dauer ist. Die Wege, die jetzt diskutiert werden und die gefordert werden, sind es nicht. Die Diplomatie ist gefordert. Sie darf nicht versagen. Der Maßstab, der dabei anzulegen ist, ist klar: Wenn Russland aufhört zu kämpfen, ist der Krieg vorbei -wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, gibt es keine Ukraine mehr.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. März 2023

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