„Bei den regionalen Produzenten Gustieren und Kaufen“ lädt eine Ortsbauernschaft dieser Tage zu einem „Bauernmarkt“. „Gustieren“ großgeschrieben. Und „kaufen“ auch. Heute fallen Rechtschreibfehler wie diese kaum mehr auf. Und ernst nehmen tut man sie ohnehin nicht mehr. „Passt doch eh“ und „man versteht doch was gemeint ist“. Haarspalterei sieht man inzwischen in solchen Fällen und Kleinlichkeit. Heute seien andere Fähigkeiten wichtiger.
Es gibt viele
Beispiele wie diese. Nicht nur auf Plakaten. Speisekarten sind meist voll von
Rechtschreibfehlern. Dann ist da die Geschichte mit den zumeist abenteuerlichen
Apostrophen-Setzungen oder die Sache mit dem Dativ und dem Akkusativ, deren
Unterscheidung in diesem Land längst keine Rolle mehr spielt, seit ein
ehemaliger Fußballstar und nunmehriger TV-Analyst die Verwechslung zum Kult
gemacht hat. Aber, um es in seinen Worten auszudrücken, wem stört das?
Rechtschreibung und
Sprache verschlampen immer schneller, ein normal nach allen Regeln aufgebauter
Satz gilt kaum mehr etwas. Schon vor Jahren schrieb das deutsche
Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ von der “Rechtschreipkaterstrofe“.
„Gemma Billa“ heißt es heute
meist, wenn gemeint ist „gehen wir zu Billa“ und „gurd“ in der schnell
verschickten WhatsApp, wenn man etwas „gut“ findet. Ganz so, als würden all die
Regeln der zugebenermaßen schwierigen deutschen Sprache nichts mehr wert sein.
Dabei kann, wie mitunter verzweifelte Deutschlehrer anmerken, Leben retten,
wenn man im Satz „Wir essen jetzt Opa“ nur einen Beistrich an der richtigen
Stelle setzen würde.
„Die Verwilderung der
deutschen Sprache ist das Zeichen einer gewissen Verwilderung des Denkens“
befand seinerzeit schon der legendäre deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer.
Man ist geneigt ihm recht zu geben. Dabei hätten Rechtschreibung und Sprache
nicht nur mit Verständigung und Denken zu tun, sondern auch sehr viel mit
Verbindlichkeit und mit Klarheit auch.
Die Sprache verflacht
immer mehr. Und damit geht die Möglichkeit verloren zu nuancieren mahnen
Experten. Nicht ohne Grund gelten Sprache und auch Rechtschreibung als die
wichtigsten Kulturtechniken. Sprache ist Ausdruck der Kommunikation zwischen
Menschen und in der Gesellschaft. Und dafür braucht es Vereinbarungen wie etwa
die Rechtschreibregeln und die Regeln der Grammatik, dass man sich versteht.
Wer sagt, wir verstehen ohne Rechtschreibung und Grammatik riskiert, dass er
den Zugang zu verschiedenen Bedeutungsebenen der Sprache verliert. „Adieu,
Sprache. Es war schön mit dir“ war vor Jahren der Titel eines Essays von Klaus
Puchleitner im „profil“ in dem er beklagt, dass die Sprache „immer
unzulänglicher, fehlerhafter und unverwendbarer“ wird. Die Werbung trägt dazu
bei, die Anglizismen, die Schlampigkeit und die Schludrigkeit.
Aber das passt zu
einer Entwicklung, die in den vergangenen Wochen wieder einmal für Aufsehen
sorgte. Jedes fünfte Kind in Österreich gilt als schwacher Leser, schon zuvor
wurde festgestellt, dass hierzulande 40 Prozent der Pflichtschulabgänger
Probleme mit sinnerfassendem Lesen haben. Wenn sie es denn überhaupt können. Die
PIACC-Studie, eine Art PISA für Erwachsene, brachte schon vor Jahren zutage,
dass hierzulande rund 17 Prozent der 16- bis 65-jährigen praktisch gar nicht
lesen können.
Die Aufregung hält
sich freilich in Grenzen, die Fortschritte auch. Schon vor 25 Jahren hieß es im
„profil“ „aus Gymnasien und Universitäten, der der Industriellenvereinigung bis
zur Handelskammer hagelte es Kritik an Schulabgängern, deren Leistung im
Rechtschreiben und Kopfrechnen ‚katastrophal‘ sei.“
Allem Anschein nach
ist seither kaum etwas besser geworden. Während die einen aber unverdrossen wie
immer das Schul- respektive das Unterrichtssystem in die Pflicht nehmen wollen,
um das zu ändern, versuchen andere den Entwicklungen Positives abzugewinnen.
Sie sprechen von einer neuen Sprache und sehen sie nicht als Verfall, sondern als
Evolution. Noch nie hätten Junge so viel geschrieben wie heute, in Chats und
sozialen Medien entstehe eine neue Form der Sprache, eine Mischform aus
mündlich und schriftlich, in der selbst Emojis ihren Platz hätten.
Und vielleicht ist es dann
auch „gurd“ „gustieren“ und „kaufen“ großzuschreiben, wann immer es beliebt.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 29. Juni 2023
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