Donnerstag, 15. Juni 2023

Was haben alle bloß mit Babler?

"Das ist wahrscheinlich das wichtigste politische Video unserer Zeit", twitterte Robert Misik, freier Journalist und als solcher einer der führenden Babler-Fanboys im Land, enthusiasmiert. Es sind Ausschnitte aus Bablers Rede beim Sonderparteitag in Linz. Dass Fragen nach der Finanzierung unmoralisch seien, "wenn wir was machen wollen für Kinder, für Mindestpensionisten, für jede schlaflose Nacht weniger für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Gleichstellung der Frauen", ist da zu hören, nicht aber wenn es um Covid-Förderungen gehe. Oder "Träumer, das ist einfach nur ein anderes Wort für Sozialdemokratie, liebe Genossinnen und Genossen". Denn man habe schon immer "aus Träumen Wirklichkeit gemacht". Den Gemeindebau, den Acht-Stundentag und vieles andere auch. "So funktioniert Sozialdemokratie, jetzt beginnt ein Aufbruch in eine neue Zeit."

Seit Andreas Babler doch noch auf den Sessel des SPÖ-Obmanns gehievt wurde, hyperventiliert die heimische Politik-Szene und ist das Land in heller Aufregung. Gleich wie man zu ihm steht, tut man so, als seien der Traiskirchner Bürgermeister und die SPÖ gerade bei den Nationalratswahlen mit absoluter Mehrheit gewählt worden und hätten nun die alleinige Macht in der Hand, und niemand mehr sonst in diesem Land hätte etwas zu sagen.

Dabei hat der gute Andreas Babler bisher noch gar nichts getan. Außer eine Menge Interviews mit -je nach Standort -vielversprechenden oder Sorge und gar Angst machenden Ankündigungen und Sagern. Er hat keinerlei Macht, keinerlei Legitimierung und sitzt nicht einmal im Nationalrat. Und die Nationalratswahlen stehen überhaupt erst im kommenden Jahr an. Das Einzige, was er hat, sind jede Menge Baustellen.

Je nach Sympathie oder Abneigung ergeht man sich in Wonne-oder in Gänsehaut-Schauern wegen seiner Pläne mit Vermögens-und Erbschaftssteuern, mit der 32-Stunden-Woche und vielem anderem mehr. Geflissentlich übersieht man dabei, dass es kaum ein Wort gibt von einer Umwelt-oder von einer Wirtschaftspolitik, und nichts zu Europa, außer alte Videoaufnahmen mit mehr als schrägen Äußerungen. Und man hat nicht am Radar, dass er die angekündigte Cannabis-Legalisierung und seine Ansichten zu den Themen Asyl und Migration auch erst einmal in der Partei und bei denen, die ihn wählen sollen, durchbringen muss.

Auch wenn Babler unbestritten echte soziale und gesellschaftliche Defizite im Visier haben mag, ist doch nicht zu übersehen, dass er mit seinen Ideen vor allem die Vollkasko-Sorglos-Forderungs-Gesellschaft bedienen möchte. Während die einen ein Land voller Frieden, Freude und Eierkuchen vor sich entstehen sehen, fürchten sich die anderen freilich vor Verstaatlichung, Enteignung und Gleichmachung.

Bis zu den nächsten Wahlen wird noch viel Wasser die Donau hinunterrinnen, was auf gut österreichisch, wir wissen es, nichts anderes heißt, als dass noch viel passieren kann. Vor allem in der SPÖ. Innerhalb der Partei gibt es genug zu tun. Die ersten Tage Bablers im Chefsessel in der Löwelstraße zeigten es. Alte Seilschaften, neue Feindschaften, interne Streitereien -Solidaritätsbekundungen erweisen sich rasch als kaum etwas wert. Meinungsverschiedenheiten gibt es zuhauf, sogar prominente Partei-Austritte. Der Empfang für Babler war nicht nur freundlich, zumal von manchen roten Spitzenfunktionären und der von ehemaligen Parteigranden.

Ganz abgesehen davon, wie es in der SPÖ die ganz oben miteinander halten und wie es dort zugeht -was die Leute unten, die einfachen Parteimitglieder, die einfachen SP-Wähler, draußen in den Städten und auf dem Land und vor allem die, die die SPÖ wieder wählen sollen, wirklich denken, weiß man nicht.

Der Weg auf den Ballhausplatz jedenfalls ist für Babler und seine SPÖ noch weit. Viel weiter als viele dort in ihrer derzeitigen Euphorie wahrhaben mögen. Zumal ihnen niemand wirklich in die Hände arbeitet -die einen nicht, weil sie, wie die Grünen, alleine zu klein sind. Und die anderen nicht, wie die Neos, weil sie inhaltlich wenig kompatibel sind. Und dann sind noch die, mit denen Babler von vornherein nicht zusammenarbeiten kann und will -die ÖVP und vor allem die FPÖ.

Ganz abgesehen davon, dass alle Parteien alles daransetzen werden, Babler und seine SPÖ nicht so groß werden zu lassen, wie man dort in diesen Tagen meint, zu werden.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. Juni 2023

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