Allerspätestens seit der Salzburg-Wahl sind in diesem Land die Stimmen nicht mehr zu überhören, die sich um die politische Mitte Sorgen machen. "Wer kümmert sich eigentlich darum?", fragt man allerorten. "Auf die Position der Mitte will sich kaum jemand bewegen", schrieb schon vor Wochen die neue profil-Chefredakteurin in einem Leitartikel. "Ihr Ruf wurde ruiniert." Dem Befund ist beizupflichten.
Der Populismus, dem längst alle Parteien verfallen sind, hat die Mitte auseinandergetrieben. Niemand scheint dort mehr Möglichkeiten zu sehen. Sachlichkeit, Zielorientierung und eine gesamtheitliche Sicht gelten nicht mehr viel in diesem Land, sondern gelten als fad, unattraktiv, uninteressant und wertlos für das Erreichen politischer Ziele. Stattdessen scheint es nur mehr um Polarisierung zu gehen, die jede Wertschätzung vermissen lässt und jede Achtung und auch das Ziel, gemeinsam das Beste zu erreichen.
Die politische Mitte hat man dabei aus den Augen verloren, weil man immer mehr nach den Rändern schielte, in denen man viele der Bürgerinnen und Bürger vermutet, die aus der Mitte flüchteten, weil sie sich dort nicht mehr vertreten und vom vielversprechenden und doch nichtssagenden Populismus angezogen fühlten. Wer dennoch in der Mitte bleibt und nicht dem populistischen Getöse folgen will, bleibt übrig. Niemand mag sich um ihn respektive sie kümmern.
Ohne Zuspitzung scheinen die Parteien heute keine Chancen mehr für sich zu sehen. Und ohne Verachtung für den anderen auch nicht. Das gilt für alle Parteien. Auch für die, die eigentlich bisher als die Mitte gegolten haben. Keiner lässt auch nur ein gutes Haar am anderen. Das Klima ist vergiftet. Im Land geht wenig weiter, und schon gar nicht das, was weitergehen sollte. Der Populismus hat gründliche Arbeit geleistet. Allzu gründliche. Die Verhärtung und zunehmende Kompromisslosigkeit ist längst ein Problem der Gesellschaft geworden und hat viel zu oft in Hass gemündet.
Die politische Mitte bewegt sich in Richtung Rechtspopulismus, heißt es in einem der vielen Zeitungskommentare. Auch wenn diese Einschätzung populär ist, ist sie nur die halbe Wahrheit. Die politische Mitte bewegt sich auch in Richtung Linkspopulismus. Und als ob das nicht genug wäre, macht sich auch eine Art Ökopopulismus breit, der den anderen Formen in seiner Plattheit und Zuspitzung um nichts nachsteht.
Jeder Populismus kennt nur die Farben Schwarz oder Weiß und nichts dazwischen. Verständnis hat da keinen Platz. Wer nicht dafür ist, ist dagegen. Wer nicht für einen ist, ist Gegner - verantwortungslos und bei Bedarf auch schnell einmal, wenn nicht gleich ein Gauner, so doch ein Schlitzohr.
Das hat Folgen. Denn dieser Populismus hinterlässt in all seinen Schattierungen auf der Gegenseite Menschen, die sich in Richtungen und Positionen gedrängt fühlen, die sie nicht nachvollziehen können und die sie überfordern. Und je mehr sie gedrängt und punziert werden, desto größer wird der Widerstand, desto tiefer werden die Gräben. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, hieß das früher.
Längst sind wir in einer Abwärtsspirale gefangen. Wer etwas nicht versteht oder wer zu etwas nicht sofort und ohne Wenn und Aber Hurra schreit, wird bedrängt und gebrandmarkt. Muss man wirklich die Straßenkleber gut finden oder sich am besten gleich selbst auf die Straße kleben, um Umweltschutz für wichtig zu halten? Oder muss man wirklich gleich alles gendern und mit Binnen-I reden, um die Gleichstellung von Mann und Frau zu leben? Oder einen LGBTQ-Aufkleber am Auto haben, um für eine offene Gesellschaft zu sein? Oder muss man gleich für Vermögens-und Erbschaftssteuern sein, wenn man dafür ist, dass es allen in der Gesellschaft gut geht? Oder wegen Babler alle SP-Wähler für Marxisten oder gar schlechte Menschen halten? Oder alle VP-Wähler wegen Kurz und Konsorten und ihren Nachfolgern für so gestrig, wie das gerne behauptet wird?
Nein, muss man nicht. Nicht in diesen Fällen und auch nicht in den zahllosen anderen, mit denen man immer wieder konfrontiert wird. Aber wie kann die Politik und mit ihr die Gesellschaft da wieder herausfinden? Zurück zu einer Normalität, nach der sich allem zum Trotz doch wieder so viele sehnen?
"Leben und leben lassen" könnte ein guter Ansatz dafür sein. Man muss dort nur wieder hinfinden.
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