Die Bauern und ihre Vertreter mussten in der vorigen Wochen eine große Portion Häme hinnehmen, weil sie ziemlich geschlossen gegen die EU-Renaturierungsverordnung stimmten. Für sie ist es der falsche Weg und das falsche Konzept. Nicht weil sie gegen die Erhaltung der Natur sind, sondern vor allem, weil sie den Vorschlag ganz einfach für schlecht halten. "Wir sind für die Wiederherstellung ökologischer Lebensräume und machen das vielfach bereits, aber wir müssen dieses Gesetz richtig machen", fasste der österreichische Abgeordnete Alexander Bernhuber, selbst Landwirt, zusammen, was die Bauern so ärgert. Für ihn und seine Kollegen ist die Renaturierungsgsverordnung eher ein "Bauern-Enteignungsgesetz", das zum einen nur dazu führt, dass Europa mehr Lebensmittel importieren muss, und zum anderen ein "Erneuerbaren-Ausbau-Verhinderungsgesetz", das voller Widersprüche ist.
Nun, man weiß, wie die Abstimmung ausgegangen ist -äußerst knapp, aber doch für den Vorschlag des Renaturierungsgesetzes und damit gegen das, was die Landwirtschaft für gutgeheißen hätte. Während sich die Mehrheit selbstzufrieden zurücklehnen kann, weil man ja "für die Umwelt etwas getan" hat, müssen Bauern wohl alleine mit dem zurechtkommen, was da beschlossen wurde -selbst wenn es noch einige Korrekturen geben dürfte.Die Entscheidung ist das eine und sie ist, das sagen auch die Bauern, als demokratische Entscheidung fraglos zu akzeptieren. Was nachdenklich stimmt, sind freilich die geradezu frenetischen Jubelszenen all der vorwiegend grünen und sozialdemokratischen Abgeordneten, nachdem das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben wurde. Da war sehr viel weniger von der Freude über eine Weichenstellung für die Erhaltung der Natur, als die Freude darüber zu spüren, dass man dem Gegner eins ausgewischt hat und ihn niedergerungen hat. Da schien es nicht nur um die Umwelt und die Ökologie, sondern wohl vor allem um die Politik und um die Ideologie gegangen zu sein.
Diese Szenen machten, wie es kaum je zuvor zu sehen war, einen Riss, der quer durch Europa geht, sichtbar -den Riss zwischen Stadt und Land, den Riss aber auch zwischen jenen, die vorwiegend produzieren und davon leben und leben müssen, und jenen, die vorwiegend konsumieren und Noten verteilen, sonst aber oft nur recht wenig zu dem beitragen, was sie von anderen fordern.
Die Landwirtschaft leidet ganz besonders unter dieser Haltung. Aber auch der Wirtschaft und Industrie geht es kaum anders. Viel mehr als Abschätzigkeit ernten sie nicht, wenn sie auf Widersprüche und Sorgen aufmerksam machen. An sie werden zuweilen ganz andere Maßstäbe angelegt, als an den großen Rest der Bevölkerung, wenn es darum geht, möglichst viel zur Rettung der Klimaziele und der Natur beizutragen. Da lässt man sicherheitshalber meist vorsorglich gar keine Zweifel aufkommen, will Argumente gar nicht hören und zuhören will man schon gleich nicht.
Die wirklich Betroffenen, die die Folgen von Weichenstellungen wie dem Renaturierungsgesetz, aber auch die von vielen andere Gesetzen zu tragen haben, kommen in den Diskussionen oft ganz einfach nicht vor. Nicht die Menschen und nicht Unternehmen. Nicht Bauern, die, wie bei allem was der Green Deal der EU noch bringen wird, mit ihrer Zukunft hadern, weil sie sich nicht vorstellen können, mit der Hälfte der Pflanzenschutzmittel auszukommen und mit deutlich weniger Dünger, die sich Sorgen machen um ihre Felder, die dann möglicherweise in Renaturierungsgebieten liegen, und um ihre Zukunft. Aber auch nicht Gewerbebetriebe, Unternehmer und Industriebetriebe, denen immer neue Hürden hingestellt werden, mit denen sie zurechtkommen sollen und müssen -ohne dass ihre Einwendungen und Vorschläge groß gehört oder gar berücksichtigt werden.
Was die hitzige Abstimmung im EU-Parlament hinterlässt, ist ein schales Gefühl. Es ist mehr Verantwortungsbewusstsein und weniger Ideologie einzufordern, wenn es um fraglos notwendige Weichenstellungen geht in der Gesellschaft. Das gilt für alle Beteiligten. Es muss sehr viel mehr um die Sachen selbst gehen und sehr viel weniger um politische oder gar ideologische Triumphe. Es braucht mehr Respekt und mehr Verantwortung. Und eine größere Zusammenschau der Dinge, als die Perspektive, dem Gegenüber eins aufs Fell zu brennen.
Und es braucht kein Triumphgehabe -schon gar nicht im EU-Parlament.
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