Montag, 21. August 2023

Biobauern zeigen Selbstbewusstsein

Die Biolandwirtschaft steckt nicht mehr in den Kinderschuhen. Jeder vierte Hof in Österreich ist ein Biohof. Aber viele Bauern warfen wegen neuer Vorschriften heuer das Handtuch.

Hans Gmeiner

Österreichs Biobauern haben schon bessere Zeiten gesehen, heuer gaben Hunderte auf. Der Markt und die Preise sind unter Druck. Barbara Riegler, die neue Obfrau von Bio Austria, glaubt dennoch an die Zukunft. „Wir bieten für viele Probleme Lösungen.“ Gegenwind in der öffentlichen Debatte lässt sie kalt.

SN: Einer Ihrer Vorgänger sagte: „Das Leitbild für eine neue Agrarkultur kann nur eine bäuerliche, biologische Landwirtschaft sein.“ Man stehe erst am Anfang, sagte er damals vor mehr als zehn Jahren. Wo stehen wir heute? 

Barbara Riegler: In Österreich ist inzwischen jeder vierte Hof ein Biohof. Bei den Flächen beträgt der Anteil sogar 27 Prozent. Wir sind damit immerhin „Biokaiser“, also Erster in Europa – und sogar weltweit. Die Biolandwirtschaft steckt schon lang nicht mehr in den Kinderschuhen. In der Kulturführung, in der Bodenbearbeitung, in der Tierhaltung haben wir höchste Standards. Da sind wir stolz drauf.

Es schaut aber dennoch gerade nicht so gut aus. Die Märkte sind schwierig. In Österreich gab es Absatzrückgänge, die Preise sind gesunken. In Deutschland redet man sogar von einer Krise. 

Es ist tatsächlich eine Unsicherheit da. Aber die Österreicherinnen und Österreicher sind sehr treue Biokäufer. Die Preissensibilität, die wegen der Inflation da ist, spürt man natürlich trotzdem auch im Biobereich. Aber die Situation ist stabil und die Preise für Bioprodukte sind viel weniger angestiegen als die Preise für konventionelle Produkte. Bio ist damit auch eine Teuerungsbremse im Lebensmittelbereich.

Auch die Zahl der Biobauern ging erstmals zurück. In ganz Österreich um insgesamt rund 700, allein in Salzburg um gut 400. Bereitet Ihnen das Sorgen? 

Manche Bauern sind verunsichert. Grund sind die neuen Vorschriften bei der Weidehaltung, aber auch der immer höhere bürokratische Aufwand mit Dokumentationspflichten und Kontrollen. Ganz klar ist auch das neue Agrar-Umweltprogramm für diesen Rückgang der Zahl der Biobauern verantwortlich, weil Anreize fehlen, neu einzusteigen. Da braucht es dringend Nachbesserungen. Der starke Rückgang in Salzburg hat, wie in ganz Westösterreich, wo viel Milch nach Deutschland geliefert wird, damit zu tun, dass deutsche Abnehmer die Mitgliedschaft bei deutschen Verbänden wie Naturland verlangen. Das hätte für Bio-Austria-Bauern doppelten Aufwand bedeutet. Das wollten viele nicht. Derzeit gibt es aber für diese Bauern eine Lösung, nämlich eine Doppelmitgliedschaft die nicht mehr kostet als die Mitgliedschaft etwa bei Naturland.

In der öffentlichen Diskussion gibt es auch erstmals Gegenwind. Bio braucht um bis zu einem Drittel mehr Flächen, um die gleichen Mengen zu produzieren, heißt es. Der Beitrag zur Versorgungssicherheit wird immer öfter infrage gestellt. 

Die Versorgungssicherheit ist ein fadenscheiniges Argument, da gibt es andere Schrauben, an denen gedreht werden sollte, als den Biobauern vorzuhalten, sie würden zu wenig produzieren. Die massive Bodenversiegelung etwa oder die Lebensmittelverschwendung oder auch die Mengen an Futter- oder Getreideflächen, die für Biogasanlagen gebraucht werden. Biobauern haben eben bewusst nicht die Ertragsmaximierung pro Hektar zum Ziel. Ich denke, dass das langfristig zur Versorgungssicherheit beiträgt.

Die Bauernvertreter wehren sich gegen die Renaturierungsverordnungs-Pläne und den Green Deal der EU. Kämen nicht gerade die österreichischen Bauern, die konventionellen und auch die Biobauern, die bei diesen Themen in vielen Bereichen viel weiter sind als ihre europäischen Kollegen, doppelt zum Handkuss? 

Grundsätzlich finde ich es schade und nicht angebracht, dass man in der politischen Debatte versucht, die Bauern so zu verunsichern und gegen Konsumenten und Klimaschutzmaßnahmen auszuspielen. Umwelt und Landwirtschaft muss man unter einen Hut bringen. Wir brauchen davor keine Angst zu haben, da darf man Bauern nicht verunsichern. Dass Hecken gepflanzt und Flüsse renaturiert werden sollen, sehe ich nicht als Problem. Im Gegenteil, vieles wird schon jetzt gemacht, vor allem in der Biolandwirtschaft. Zudem wird es auf nationaler Ebene sicher Ausgestaltungsmöglichkeiten geben.

Aus dem Biolandbau kommen, auch von Urs Niggli, der als Biopapst gilt, immer deutlichere Signale, dass man Gentechnik nicht mehr rundweg ablehnen sollte, vor allem nicht die Genschere CRISPR/Cas. 

Bisher gibt es von den tollen Versprechungen der Gentechnik-Lobbyisten, wie etwa Trockenheitsresistenzen oder Pestizidreduktion, die immer versprochen wurden, kaum etwas. Für uns als Biobauern steht auch das Thema der Koexistenz ganz oben. Wir wissen, wo Gentechnik erlaubt ist, gibt es kaum Biolandwirtschaft, weil eine Abgrenzung kaum möglich ist. Zudem sieht der Entwurf der EU-Kommission zur Neuen Gentechnik im Lebensmittelbereich keine verpflichtende Risikoprüfung, Rückverfolgung und Kennzeichnung vor. Da verlieren wir die Wahlmöglichkeiten beim Saatgut und im Regal. Und sowohl Biobauern als auch konventionelle verlieren das Landwirte-Privileg zur Nachzüchtung.

Wie ist das Verhältnis zu Politik, Kammern und Handel? 

Ich war sowohl bei Landwirtschaftsminister Totschnig als auch bei Gesundheitsminister Rauch, und ich habe bei beiden offene Türen vorgefunden und mit ihnen konstruktive Gespräche geführt. Mit den Kammern sind wir ebenfalls gut vernetzt. Mir ist wichtig, dass Bio nicht nur unter „ferner liefen“ mitgedacht wird, sondern anerkannt wird, dass Bio einen wichtigen Stellenwert in der Landwirtschaft hat. Auch im Handel versuchen wir, eine Gesprächsbasis auf Augenhöhe zu haben.

Vor zehn Jahren schätzte Bio Austria, dass sich die Zahl der Biobauern in Österreich auf knapp 50.000 Bauern und der Anteil der Bioflächen auf 40 Prozent erhöhen werde. Heute ist man davon fast noch so weit entfernt wie damals. 

Man muss Ziele setzen, um Ziele zu erreichen. Das Ziel der aktuellen Regierung ist ein Bioanteil von 30 Prozent bis 2027. Wenn die Anreize des Umweltprogramms und anderer Parameter für die Bauern nicht interessanter werden, wird es schwierig. Überall ist die Rede von Dürre, von Klimaanpassung oder davon, dass wir mit dem Wasser haushalten müssen – gerade dafür bietet der Biolandbau sehr viele Lösungen. Darum glaube ich, dass der Biolandbau wachsen wird und muss, und die vor Jahren genannten Ziele langfristig erreichbar sind.

Mag.a Barbara Riegler (43), Absolventin der FH Wieselburg, ist Lebensmittelexpertin und Biobäuerin in Bad Kreuzen in Oberösterreich. Sie ist seit Mai Obfrau von Bio Austria, mit 13.000 Mitgliedsbetrieben der größte Verband der Biolandwirte in Österreich.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 21. August 2023

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1