"Wir verhandeln für Sie hart um die bestmöglichen Preise!", "Wir haben auf einen Teil unserer Gewinnspanne verzichtet, damit wir die Preise für Sie so niedrig wie möglich halten können!", "Wir geben Preissenkungen so schnell wie möglich an Sie weiter, sobald wir niedrigere Einkaufspreise von den Herstellern bekommen." Was manche Supermarktketten in diesen Wochen in ihrer Not an die "Lieben Kundinnen und Kunden" schreiben, weil sie als Inflationstreiber am Pranger stehen, fügt sich nahtlos in das gerne amikal daherkommende Argumentarium, mit dem sie ihre Kunden an der Nase herumführen, auf dass am Ende des Tages doch möglichst viel Geld in ihren Kassen lande. Man vermittelt gerne, man sei nur gut. Zu allen und jederzeit.
Als Kunde kennt man das, und als Lieferant fürchtet man das. Man mag es glauben, es hanebüchen finden, die Fäuste in den Hosentaschen ballen oder, wie die Bauern zuweilen, dagegen demonstrieren. Aber man ist, alles in allem, wohl vor allem das, was man machtlos und ausgeliefert nennt. Ab und an passiert freilich auch in einer perfekten Maschinerie wie dieser doch etwas, das überrascht und das vielleicht nicht passieren sollte. Und es tun sich auf einmal Einblicke auf, über die man eigentlich nicht reden wollte, die nicht zum Marketingsprech und zur branchenüblichen Message-Control passen, die aber als Gelegenheit genutzt werden sollten, gerade deswegen darüber zu reden.Der Österreich-Chef von Rewe bot in der Hitze eines kontroversiellen Fernsehinterviews so einen Einblick, der sonst kaum je geboten wird. "Warum sind Lebensmittel im Schnitt in Österreich so viel teurer als in Deutschland?" lautete die Frage, um die das Gespräch kreiste, als dem Rewe-Chef der Satz entkam: "Wir haben eine viel höhere Dichte an Lebensmittelgeschäften, nämlich auf 100.000 Einwohner haben wir 50, doppelt so viel wie in Deutschland." Dann folgte der Kernsatz, der vieles, was in der Inflationsdiskussion vom Handel behauptet wurde, relativiert: "Wir haben natürlich eine ganz andere Kostensituation. Wir haben höhere Logistikkosten, wir haben auch höhere Lohnnebenkosten und andere Themen wie den Wirtschaftskammerbeitrag und so, den es in Deutschland nicht gibt."
Von den doppelten Lohnkosten redete er da noch gar nicht, und auch nicht von den doppelten Energiekosten, die in den Preisen unterzubringen sind. Man darf annehmen, dass sie einen Gutteil dessen ausmachen, weswegen sich der Lebensmittelhandel nun mit den Inflationsvorwürfen herumschlagen muss. Da erscheint dann freilich das Eigenlob, dass man in letzten Jahren 70 Mio. Euro an höheren Energiekosten geschluckt und nicht in den Preisen weitergeben habe, in einem ganz anderen Licht.
Bleibt die Frage, warum niemand über diese hohe Standortdichte als preistreibender Faktor sprechen mag. Nicht die Konsumentenvertreter, nicht die Politik, nicht die Unternehmen, die so oft über den Druck des Handels klagen, nicht einmal die Bauern und ihre Vertreter. Zu diesem Thema schweigen alle.
Dabei gäbe es so viele Gründe, nicht zu schweigen. Nicht alleine wegen der Folgen für die Inflation. Längst sind die Supermärkte ein Ärgernis geworden. Nicht nur was ihr Auftreten, sondern den Bodenverbrauch oder das Verkehrsaufkommen, das sie erzeugen, betrifft. An nicht wenigen Kreuzungen in diesem Land sind gleich zwei, drei, wenn nicht gar vier Supermärkte angesiedelt. Jeder mit einem riesigen Parkplatz, jeder mit riesigen Werbetafeln, einer eine schlimmere architektonische Sünde als der andere, jeder ausgestattet mit einem Freibrief von einer Raumordnung, die in diesem Land diese Bezeichnung nicht verdient.
Es nimmt nicht wunder, dass es ausgerechnet die Hagelversicherung und ihr Chef Kurt Weinberger waren, die die hohe Dichte der Supermärkte mit den hohen Lebensmittelpreisen in Verbindung brachten. "Je mehr Märkte, je mehr Verkaufsfläche, desto teuer", sagt er. "Und diese Kosten zahlen am Ende auch Konsumentinnen und Konsumenten", ist für ihn völlig klar. Es sei Zeit zum Handeln, um diese Fehler zu korrigieren, sagt der Chef der Hagelversicherung.
Sein Wort in Gottes Ohr. Auch wenn man nicht daran glauben mag, dass sich wirklich etwas ändern wird, bleibt doch die Genugtuung, dass sich einer der Handelsbosse zumindest einmal verplappert hat und Gelegenheit bot, einen Blick hinter die Fassade des oft so hanebüchen daherkommenden Argumentariums der Supermarkt-Ketten zu machen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. August 2023
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