Samstag, 5. August 2023

Trotz guter Ernte ist nicht alles gut

Das Land darf sich über gesicherte Versorgung mit Getreide freuen. Die Bauern aber hadern mit den Preisen und Importen aus der Ukraine.

Hans Gmeiner 

Wien. Auf dem Papier und in der Statistik ist alles in Ordnung. „Österreich ist mit dem wichtigen Grundnahrungsmittel Getreide sicher und sehr gut versorgt“, zog am Freitag Günter Griesmayr, Vorstandsvorsitzender der AMA, eine durchaus erfreuliche Erntebilanz. „Sämtliche Getreidearten zur Lebensmittelerzeugung wurden vermehrt angebaut und es gab höhere Erträge.“ Auf 3,2 Mill. Tonnen schätzt der AMA-Chef die heurige Getreideernte. Das ist um 4,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Rechnet man Mais hinzu, der erst in den kommenden Wochen geerntet wird, sei mit 5,5 Mill. Tonnen zu rechnen, was sogar einem Plus von sieben Prozent entsprechen würde. Heuer war vor allem die Maisanbaufläche deutlich größer, Rückgänge gab es hingegen bei Kürbis und Soja. Und obwohl die Zahl der Biobauern zurückging, wuchs die Bio-Anbaufläche um acht Prozent auf 202.000 Hektar und damit 21 Prozent der gesamten Ackerfläche.

In der Praxis freilich ist die Welt der Ackerbauern alles andere als in Ordnung. Die Preise sind unter Druck. Für Qualitätsweizen wird heuer um rund 30 Prozent weniger gezahlt als voriges Jahr, für Mahlweizen gar um 40 Prozent weniger. Auch die Biopreise sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Die Lagerstände sind um 25 Prozent höher als vor einem Jahr. Überall sind die Folgen der Ukraine-Krise zu spüren. Die Achterbahnfahrt der Getreidepreise nimmt kein Ende. „Die Preisbildung ist immer weniger eine Sache von Nachfrage und Angebot, sondern wird deutlich mehr von den Vorgängen im Kriegsgebiet bestimmt“, sagt Griesmayr. „Wie es weitergeht, können wir seriös nicht einschätzen.“

In der heimischen Landwirtschaft verstummen indes die Gerüchte nicht, dass ukrainisches Getreide und Mais in bedeutenden Mengen nach Österreich zur Verarbeitung kommen und zusätzlich Druck auf die Preise machen, weil die EU die Grenzen geöffnet hat. Auch die Kritik an fehlenden Informationen wird lauter. Seit die Grenzstaaten zur Ukraine wie Polen, Rumänien und Ungarn keine ukrainische Ware mehr annehmen, sei Österreich neben Deutschland die erste Station, mutmaßen viele Bauern. „Die Lieferungen aus der Ukraine nach Österreich und auch nach Deutschland halten sich in Grenzen“, sagt Griesmayr, gibt jedoch zu: „Die indirekten Auswirkungen auf Preise durch Importe in die EU sind aber sicher spürbar.“

Die EU-Statistiken bestätigen diese Vermutungen jedenfalls für Europa. Statt in den Hungerregionen der Welt landet ein Gutteil der ukrainischen Ware offenbar wirklich in europäischen Silos. Während der Import von Weizen aus der Ukraine in die EU zwischen 2021/22 und 2022/23 von 297.000 Tonnen auf 5,7 Mill. Tonnen in die Höhe schnellte, wuchs der EU-Weizenexport um nur 766.000 Tonnen. Bei Mais war die Entwicklung noch krasser. Da legten die Importe binnen eines Jahres von 6,4 Mill. auf 14,1 Mill. Tonnen zu, während die Exporte von 6,5 Mill. auf 3,7 Mill. Tonnen zurückgingen.

Christian Gessl, Marktexperte der AMA, sieht zu einer Öffnung der EU für ukrainische Agrarprodukte und zur Verbesserung der Logistikketten keine Alternative. „Die Möglichkeiten für die Ukraine müssen aus heutiger Sicht noch verstärkt werden“, sagt er. „Die Rolle der EU bleibt extrem wichtig.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 5. August 2023

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1