Donnerstag, 17. August 2023

Das Sommerloch muss in die Hölle führen

Auch das noch - der Kickl und die Glawischnig haben sich geküsst. In der Schulzeit. Vor zig Jahren. Beim Flaschendrehen. Keine Zeitung hat diese Meldung ausgelassen. Und auch kein TV-Sender. Nicht die Krone, die das Ereignis aus der Vergangenheit gleich mit einer Titelseite würdigte, natürlich nicht die Karikaturisten im Land und selbst der sonst so gestrenge Armin Wolf in seiner ZiB 2 nicht. 

Das Sommerloch muss in die Hölle führen. Selten lag der Verdacht so nahe wie heuer. Zuerst die unselige Diskussion um das, was normal sei. Dabei war diese Diskussion selbst alles andere als normal. Schon gar nicht, wie sie von den Schwarzen lanciert und geführt wurde und wie man sie zu einer Kernfrage des österreichischen Seins hochstilisierte. Dann war da der in weiblicher Form formulierte Entwurf für ein Gesetz zur flexiblen Kapitalgesellschaft, mit dem die grüne Justizministerin etwas wollte, von dem bloß nicht klar wurde was. Und schließlich, wieder von den Schwarzen hochgejazzt, die zwar in der Regierung das Ruder in der Hand, aber offenbar nichts Besseres zu tun haben, als die Diskussion ums Bargeld, das man im Verfassungsrang sehen will, vom Zaun zu brechen. Dieses Thema ist dann aber schlussendlich, Gott sei's gedankt, doch dabei in der schlichten Forderung zu versanden, dass Bargeld jenes Zahlungsmittel sein soll, das immer und überall funktioniert. Bargeld im Verfassungsrang wäre "Missbrauch der Verfassung", sagte der Verfassungsrechtler Mayer, "denn die Verfassung hat die grundlegenden Regelungen über die Staatsorganisation und über die Rechte der Bürger zu treffen und nicht solche Kinkerlitzchen". 

Da waren die Beiträge der beiden Polithelden und ihrer Parteien, die vorgeben, die Republik, koste es was es wolle, unbedingt mit ihren Methoden retten zu können, erheiternd dagegen für Politbeobachter. Der frischgewählte Andreas Babler kommt nicht und nicht in die Gänge und verhedderte sich neuerdings wieder in einem Match mit Hans Peter Doskozil wegen seiner geplanten Comeback-Tour durchs Land, die möglichweise doch nicht zu ebendiesem führen wird. Und der von seiner Schulkollegin seinerzeit geküsste Herbert Kickl wird von seinen Parteikollegen in Oberösterreich und Salzburg vorgeführt, die sich partout nicht der von ihm ausgerufenen Sparsamkeit bei den Gehaltsanpassungen beugen wollen. 

Wie gesagt -das Sommerloch muss das Tor zur Hölle sein. Mag sein, dass nächstes Jahr ein Wahljahr ist, mag sein, dass man schon jetzt Positionen abchecken, wenn schon nicht beziehen will. Aber muss man deswegen das ertragen, was da geboten wird? So ein billiges "Schattenboxen", bei dem man "mit Scheindebatten die Leute pflanzt"(Copyright Beate Meinl-Reisinger, die das Land immerhin mit einem dreiwöchigen Urlaub zumindest für eine kurze Zeit schonte)? 

Der ehemalige Wissenschaftsminister Heinz Faßmann, inzwischen als Präsident der Akademie der Wissenschaften in seiner Position über Sommerlöcher und den Kampf in den politischen Niederungen erhaben, fand als einer von wenigen bisher die richtigen Worte. Er sei "ganz sicher", dass hinter den Sommerlochthemen "strategische Überlegungen" der Parteien stehen. Das sei legitim, sagt er, um dann festzustellen: "Wir hätten wichtigere Themen zu diskutieren." Ihm ist beizupflichten. Der heimischen Politik respektive vielen Politikern scheint der Kompass abhandengekommen zu sein. Und da darf und sollte man sich nicht wundern, dass -der Jugendbericht in der vorigen Woche und zuvor die Ö3-Jugendstudie zeigten es -sich vor allem die Jungen von der Politik kaum mehr vertreten fühlen. 

Dabei wäre es so einfach, denn die Jungen wissen, was sie wollen. Sie sehen dringenden Bedarf beim Klimawandel, fordern Regeln für nachhaltige Veränderungen und wünschen sich Maßnahmen gegen die Teuerung. Nicht zu vermessen eigentlich. Und Teil der großen Themen, um die es gehen sollte. In einem Sommer, in dem eine Pleitewelle über das Land schwappt, die Arbeitslosigkeit wieder steigt, das Wachstum schwächelt und die Inflationsrate nicht und nicht deutlich sinken mag. Gar nicht zu reden von Themen wie Sicherung des Pensionssystems oder Finanzierung des Gesundheitswesens und all den vielen anderen Themen, die seit vielen Jahren auf die lange Bank geschoben werden. 

Aber man lässt es sich gefallen in diesem Land ohne Kompass im Sommerloch. Von der Bargeld-Farce bis zum Kickl-Busserl. Auch weil alle mitspielen. 

Da darf und sollte man sich dann nicht wundern, dass wir geboten bekommen, was uns geboten wird. Nicht nur in diesem Sommer.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. August 2023

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