Im Vorjahr öffnete die EU für die Ukraine die Grenzen. Doch statt in den Hungerregionen der Welt scheint ein Gutteil des ukrainischen Weizen, Mais und auch Soja offenbar in europäischen Silos zu landen. Während der Import von Weizen aus der Ukraine in die EU binnen Jahresfrist von 297.000 Tonnen auf 5,7 Mill. Tonnen schnellte, wuchs der EU-Weizenexport um nur 766.000 Tonnen. Bei Mais legten die Importe binnen eines Jahres von 6,4 Mill. auf 14,1 Mill. Tonnen zu, während die Exporte von 6,5 Mill. auf 3,7 Mill. Tonnen zurückgingen. Wo diese Mengen geblieben sind, weiß man nicht recht, schon gar nicht in Österreich. Unsere offizielle Import-Statistik weist nur ein paar tausend Tonnen Weizen und gut 170.000 Tonnen Mais aus der Ukraine aus.
Die Lage ist unübersichtlich. Vor allem seit die
Grenzstaaten zur Ukraine wie Polen, Rumänien und Ungarn keine ukrainische Ware
mehr annehmen, sei Österreich neben Deutschland zur ersten Anlaufstation für
Lieferungen aus der Ukraine in der EU geworden, mutmaßen viele Bauern.
Die Faktenlage ist dünn. „Die Lieferungen aus der Ukraine
nach Österreich und auch nach Deutschland halten sich in Grenzen, die
indirekten Auswirkungen auf Preise durch Importe in die EU sind aber sicher
spürbar“, ist alles, was von offizieller Seite zu hören ist. Was über
Drittstaaten aus der EU nach Österreich gekommen ist und kommt, weiß man nicht,
zumal bis zu einem Volumen bis zu einem Wert von 200.000 Euro solche
Lieferungen nicht gemeldet werden müssen. Und man weiß auch nicht was davon
wieder exportiert wurde
Man mag das kaum glauben, zumal auf den Bauernhöfen, die von
früh bis spät kontrolliert werden und alles aufzeichnen und melden müssen. Dieser
Zustand ist so unglaublich wie untragbar. Er fügt sich aber nahtlos in das
lahme Statistikwesen in der Landwirtschaft, das es bis heute nicht einmal
schafft, die Bio-Exporte und -Importe aufzulisten.
Da nimmt nicht Wunder, dass in der Bauernschaft die
Gerüchteküche brodelt. Man vermutet, dass mit billiger ukrainischer Ware die
Preise bei uns gedrückt werden und die Bauern die Opfer der Marktöffnung der EU
für ukrainische Ware sind. Großverbraucher in der Industrie,
Futtermittelhersteller, Mühlen und Händler stehen unter Generalverdacht.
Besonders Misstrauische wollen gar von Mehl aus ukrainischem Weizen in heimischen
Kaisersemmeln wissen.
Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass die Kritik
an fehlenden Informationen lauter wird, auch weil Brüssel für die an die
Ukraine grenzenden Mitgliedsstaaten längst ein Ausgleichspaket geschnürt hat.
Von der heimischen Agrarpolitik gibt es zu diesem Thema nur dröhnendes
Schweigen.
Es ist zu fordern, dass sich das rasch ändert, zumal es
aller Voraussicht nach länger bei offenen EU-Grenzen für die Ukraine bleiben
wird und viele Experten der Meinung sind, dass aus heutiger Sicht die
Möglichkeiten für die Ukraine noch verstärkt werden müssen.
Denn sonst bekommen die recht, die schon zu Beginn des
Jahres meinten, gegen das Freihandelsabkommen der EU mit der Ukraine und die
Öffnung der Märkte sei Mercosur für Europas Bauern ein Kindergeburtstag.
Gmeiner meint - Blick ins Land, 8. August 2023
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