Donnerstag, 5. Oktober 2023

Der K(r)ampf wird nicht weniger

Die Aufregung ist groß im Land. Von den in der Vorwoche im 24-Stunden-Takt an die Öffentlichkeit gelangenden Aufregern aus dem Umfeld der Parteien blieb eines -und das war nicht, dass Alt-FPÖ-Politiker die Taliban hofierten und auch nicht, dass dem "Pannenmodus"(Die Presse) mit dem Sora-Gate und den ungustiösen Schrebergarten-Umwidmungsgeschichten in Wien neue Varianten hinzugefügt wurden. Was blieb, waren Karl Nehammers Aussagen in einem im Juli aufgenommenen Video aus einer Vinothek.

Das muss man erst einmal zusammenbringen. Die politische Konkurrenz rotierte, in den Sozialen Medien brach ein Entrüstungssturm aus, Tik-Tok ging vor Häme über "McNehammer" über und auch mancher Kommentator selbst aus seriösen Medien geriet außer Fassung. "Karl Nehammer hat sich zu einer Zumutung entwickelt" war da zu lesen.

Wie immer man bewertet, was der Bundeskanzler gesagt hat, Mimik und Ton seines Statements zeigten vor allem eines -er ist hochnervös und fürchterlich genervt. Die schlechten Umfragewerte, die dauernden Anwürfe, und die ständigen Versuche, Österreich als Armenhaus darzustellen und seine Politik schlecht zu machen, zehren viel mehr an seinem Nervenkostüm, als man in der ÖVP zugeben mag.

Das freilich wird nicht besser, wenn man mit gleicher billiger Münze und bar jeder Fakten kontert. Schon gar nicht, wenn man Bundeskanzler ist. Aber das fügt sich in die erratisch wirkenden Versuche, die Wähler mit immer neuen Kampagnen auf seine Seite zu holen, bei denen man längst den Überblick verloren hat -vom "Zukunftsplan Österreich 2030" aus dem Frühjahr über die Bargeld-und die Normalitätsstrategie im Sommer bis zur jüngsten "Glaubt an dieses Österreich"-Kampagne.

Ein Jahr vor dem offiziell nächsten Wahltermin gelingt es Nehammer immer noch nicht wirklich Fuß zu fassen bei den Meinungsmachern im Land und auch nicht bei den Leuten, die ihn wählen sollen. Im jüngsten Vertrauensranking rangiert seine Regierung ganz unten und in den Umfragen bewegt man sich seit Monaten seitwärts, vermag Babler nicht deutlich hinter sich zu lassen und muss zuschauen, wie Kickl sich Werten wie von einem anderen Stern erfreuen kann.

Dabei ist in dem Video von Nehammer nichts zu hören, was neu wäre und nicht bekannt. Er redete so, wie in vielen ÖVP-Kreisen geredet wird und sagte, was dort breite Meinung ist, wenn man unter sich ist. In der Soziologie gibt es dafür den Begriff der "rohen Bürgerlichkeit". Und es ist schon festzuhalten: In anderen Parteien ist es wohl nicht anders. Man möge sich nur vorstellen, was in der SPÖ in internen Veranstaltungen über Bauern oder Unternehmer gesagt wird.

Das freilich entschuldigt Nehammer nicht. Er ist Bundeskanzler. Und da hat er eben eine andere Verantwortung. Auch in internen Veranstaltungen. Und man versteht, wenn ihm ein "seltsames Humor-und Kommunikationsverständnis" bescheinigt wird und man sich über das Weltbild wundert, das er zur Schau stellt, wenn er meint, abseits von Kameras und Mikrofonen zu reden. Jetzt muss sich Nehammer fragen lassen, ob er wirklich Kanzler sein kann. Oder ob er nicht doch der Sekretär geblieben ist, der er davor immer war.

Nehammer wurde mit der Öffentlichkeit, trotz seiner gerne zur Schau gestellten Hemdsärmeligkeit, nie warm. Sogar das Ex-Trinken einer Halben Bier beim Ausseer Kirtag, das Volksverbundenheit signalisieren sollte, geriet zum Desaster. Bei den einen, die meinten, dass man das als Kanzler nicht tun dürfe. Und bei den anderen war er unten durch, als ruchbar wurde, dass er da mit einer stark gewässerten Halben Eindruck machen wollte.

Nehammer tut sich schwer. Immer noch. In Österreich, aber auch auf internationaler Ebene. Was dort Signal werden sollte, geriet meist eher zur Peinlichkeit. Sein Besuch bei Putin im Vorjahr etwa und auch der bei Selenskyj. Da blieb nichts Zählbares hängen. Auch nicht in der EU. Nehammer war und blieb immer ein Leichtgewicht. Dabei ist Nehammers Bilanz nicht so schlecht. Vor allem vor dem Hintergrund und angesichts der Aufgaben, in die seine Amtszeit fällt. Das alles scheint ihm freilich nichts zu nützen.

Der K(r)ampf wird wohl weitergehen. Und ob es für ihn ein Trost ist, dass es seinem Parteikollegen in Deutschland durchaus ähnlich geht, ist wohl zu bezweifeln. Denn was dort von CDU-Chef Friedrich Merz geschrieben wird, könnte man auch über ihn schreiben -"Mit schlafwandlerischer Sicherheit stellt er sich selbst ins Aus."

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 5. Oktober 2023

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