Donnerstag, 23. November 2023

Rauchs Lust und ihre Schatten

Gesundheitsminister Rauch genoss das Match mit den Ärztekammerfunktionären, die bei der Umsetzung seiner Gesundheitsreform erbitterten Widerstand leisteten, sichtlich, auch wenn die Gespräche noch so hart und die Anwürfe noch so heftig gewesen sein mögen. Die blitzenden Augen des Gesundheitsministers und sein zuweilen spitzbübisches Lächeln lassen kaum etwas anderes vermuten, wenn er den wütenden Ärztekammerfunktionären, die, so das Empfinden in der Öffentlichkeit, vor allem um ihre Pfründe und ihren Einfluss rangen, in Interviews eine Abfuhr nach der anderen ausrichtete.

Das hatte durchaus etwas Sympathisches, auch wenn Rauchs Reform nicht wirklich als großer Wurf gilt. Aber Rauch tat, was man von einem Politiker erwartet. Er machte Politik. Politik, die nicht permanent auf Umfragen schielt, auf die nächsten Wahltermine und auf die eigene Klientel, und auch nicht Politik, die von der Sorge um die eigene Zukunft getragen war, sondern in der es um die Sache ging. Und darum, dem Gesundheitssystem eine neue Richtung zu geben, die auch in Zukunft trägt. Darum, Politik für die gesamte Gesellschaft zu machen.

Auch wenn man sich von Rauch in der Vergangenheit mehr Durchsetzungsvermögen gewünscht hätte, ist anzuerkennen, wie er in den vergangenen Wochen agierte und sich von nichts beeindrucken und schon gar Angst machen ließ. Freilich, Rauch, das machte er immer klar, scheidet mit Ende dieser Legislaturperiode aus dem Amt und der Politik aus. Das macht frei und einen Politiker zu dem, was man von einem Politiker erwartet. Und das wirft freilich die Frage auf, warum auch nicht andere Politiker nicht zumindest öfters den Versuch starten, zumindest einen starken Abgang hinzulegen. Warum nicht andere Politiker auch zumindest am Ende ihrer Karriere das zu machen versuchen, was man unter Politik versteht, zumal dann, wenn man in einer Position ist, in der man entscheiden und etwas durchsetzen kann.

Freilich hat es auch in der Vergangenheit immer wieder solche Politiker gegeben wie Rauch. Auch welche, die nicht bis zum Ende ihrer Karriere warteten, bis sie sich trauten, den eigenen Kopf durchzusetzen, um Richtungsweisendes zu schaffen und Spuren in der Politik zu hinterlassen. Dass Rauch gerade jetzt besonders auffällt, hat wohl auch damit zu tun, dass rundherum seit geraumer Zeit in dieser Hinsicht in Österreich Stillstand herrscht. Dass sich niemand aus der Deckung traut und alles nur auf Umfragen schielt und auf die Befindlichkeiten der Twitter-Schickeria. Niemand wagt sich heraus, um zu einem großen Wurf anzusetzen. Stattdessen werden große Themen wie die Pensions-oder die Bildungsreform, um nur zwei zu nennen, seit langem lustlos durch die Jahre geschoben. Nur nicht anstreifen, nur nichts angreifen.

Dass der Opposition das zuzutrauen wäre, die ja oft laut keifend alles besser zu machen verspricht, wenn man sie nur ans Ruder lässt, darf bezweifelt werden. Oft genug haben wir erlebt, dass Parteien, die aus der Opposition in die Regierung kamen, die Dinge mit einem Mal ganz anders sahen, dass ihre vollmundigen Versprechungen vergessen waren und sie sehr schnell von Sachzwängen jedweder Art erdrückt wurden. Mit einem Babler oder einem Kickl an den Schaltstellen der Macht wird das wohl nicht anders sein - steht man selbst in der Verantwortung, stellen sich die Dinge sehr schnell sehr anders dar.

Rauchs später Feldzug und seine Lust, die Gesundheitsreform ohne Wenn und Aber und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten durchzusetzen, hat freilich auch eine andere Seite. Und die relativiert Rauchs Parforceritt gegen die Ärztekammer. Sie wird von denen, die nach starken Politikern rufen, die ihr Ding durchziehen, zumeist außer Acht gelassen. Es muss immer auch darum gehen, alle Betroffenen in die Entscheidungen einzubeziehen und ihre Anliegen mitzunehmen. Auch wenn das so schwierig sein mag, wie mit einem Gegenüber wie der Ärztekammer, die kaum Rückhalt in der Öffentlichkeit hat. Drüberfahren darf dennoch keine Option sein und schon gar keine Strategie. Denn vor allem in einer anderen politischen Konstellation könnte als Nächstes sein, was jetzt die Ärztekammer ist -man denke nur an einen Bundeskanzler Babler -, die Bauern oder die Wirtschaft.

Nur um zwei Beispiele zu nennen. Und das sollte dann doch manch überbordende Euphorie einbremsen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. November 2023

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