Donnerstag, 30. November 2023

Und schon wieder geht nichts mehr im Land

Jetzt also die Causa Pilnacek. Oder die Causa Sobotka. Ganz wie man es haben will. Ist ja ohnehin einerlei, möchte man eigentlich schreiben. Wieder helle Aufregung im Land. Wieder heftige Anschuldigungen. Wieder einmal Rücktrittsforderungen. Wieder wilde publizistische Jagden. Und wieder -das vor allem -eine gelähmte Politik, die mit nichts anderem beschäftigt ist als mit sich selbst. Hat er oder hat er nicht? Ja darf er das überhaupt? Und müsste der nicht sofort zurücktreten? Und das natürlich dringend und am bestens gestern und nicht erst morgen. Und weil das ja nicht wirklich geht, machen wir auch gleich noch einen parlamentarischen Untersuchungssauschuss. Und weil das natürlich schon gar nicht geht, machen wir erst recht einen zweiten, weil das können wir auch. Schnell werden die Reihen geschlossen und die Frontstellungen bezogen. Haust du meinen Sobotka, hau ich deinen Gusenbauer. Und wenn ihr einen Untersuchungssauschuss macht, machen wir erst recht einen und das gleich bis zurück ins Jahr 2007.

Schon wieder geht nichts mehr im Land und schon gar nicht in der Politik.

So geht das nun schon Jahre. "Wem nützt das alles?", fragte ein Kommentator nicht zu Unrecht als die Pilnacek-Aufnahmen an die Öffentlichkeit kamen. Man weiß von Anbeginn an, was kommt. Und man weiß, dass es unerträglich wird. Wieder einmal und wie schon so oft. Und man weiß, dass sich kaum was ändern wird. Verschwendete Zeit.

Nun ist ja nichts dagegen einzuwenden, dass aufklärungsbedürftige Vorgänge aufgeklärt werden. Auch nichts dagegen, dass Anschuldigungen nach-und all den Sachen auf den Grund gegangen wird. Das muss sein und das soll sein. Aber muss dadurch immer gleich die gesamte Republik blockiert werden? Gibt es nicht andere Wege und Formen, all das zu tun, was notwendig ist? Geht das nicht ohne all diese längst unerträgliche Aufgeregtheit? Geht es nicht auch sachlich und ohne Show und Gezeter?

Nein, muss man auf all diese Fragen wohl antworten angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre und der Entwicklung, die die Politik in diesem Land genommen hat. Als gute Politik, so drängt sich der Eindruck beständig auf, gilt nicht, etwas für die Weiterentwicklung des Landes erreicht zu haben oder für die Bewältigung von Problemen. Als gute Politik verstehen viele Protagonisten der Szene sehr viel eher einen missliebigen Kollegen aus einer gegnerischen Partei, wie in diesem Fall den Parlamentspräsidenten, der der ÖVP angehört, nach allen Regeln der Kunst aus dem Amt herauszuschießen, beziehungsweise, womit wir auf der Gegenseite sind, genau dieses mit allen Mitteln zu verhindern. Anstand spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Fakten sind kaum gefragt. Und geglaubt wird grundsätzlich niemandem.

Warum man glaubt, mit all diesem Theater, das man seit Jahren mit solcher Inbrunst aufführt, etwas zu erreichen, mag sich einem, und sei er noch so guten Willens, nicht mehr recht erschließen. Nicht einmal, dass damit Wähler zu gewinnen sind. Jedenfalls nicht von denen, die sich im Schlamm regelrecht suhlen.

Das Gegenteil ist wohl sehr viel eher der Fall. Die Politik zerstört sich selbst. So, wie wir es in den vergangenen Tagen wieder erlebten, wird den Menschen das Interesse an der Politik regelrecht ausgetrieben, jeder Respekt auch, jede Achtung und jedes Verständnis. Und das von allen Beteiligten. Von, nennen wir sie, den Jägern, genauso, wie von den Gejagten, von denen, die als die Schlechten punziert werden, genauso wie von denen, die sich für die Guten halten und im Besitz der Weisheit. Von all denen, die allesamt alles zerreden und an nichts und niemandem etwas Gutes lassen.

Das hat längst Folgen, die zur Last geworden sind und auch zur Gefahr. Die Stimmung im Land ist schlecht, viel schlechter als die Lage. Wie man sich aus dem Schlamassel befreien kann, das man da seit Jahren anrichtet, weiß niemand. Und es scheint auch niemand zu interessieren.

Die Populisten in der Politik reiben sich die Hände. Denn das ist genau ihr Geschäftsmodell. Das sichert ihnen Zulauf und Stimmen, ohne dass sie lange irgendwas beweisen müssen. Schimpfen reicht. Herbert Kickl braucht nichts anderes zu tun.

Das Erwachen kommt freilich -nach den nächsten Wahlen, wenn all jene, die von einer Politik, wie wir sie in den vergangenen Tagen wieder und zuvor schon über Jahre erleben mussten, tatsächlich einen wie den FPÖ-Chef an die Macht wählen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. November 2023

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