Freitag, 26. Juli 2024

"Österreichische Löhne, aber asiatische Preise - dass geht sich nicht aus"

Es darf nicht sein, dass Österreich und Europa bei Lebensmitteln oder Arzneien in eine immer stärkere Abhängigkeit kommen, warnt Klaus Hraby, Chef der Efko-Firmengruppe.

Hans Gmeiner 

SN: Sie nehmen sich selten ein Blatt vor den Mund, wenn es um Themen wie Arbeitskosten und Lohnnebenkosten in Österreich, Billigimporte, Handel, NGOs oder das Verhalten der Konsumenten geht. Was regt Sie am meisten auf? 

Klaus Hraby: Aktuell sind das wohl die Arbeitskosten. Es kann nicht sein, dass in einem Nachbarland, im konkreten Fall in Deutschland, die Erntehilfe den Bauern um 20 bis 25 Prozent weniger kostet als in Österreich, dort aber höhere Löhne an die Erntehelfer gezahlt werden können als bei uns. Denn anders als bei uns muss dort für Erntehelfer, die weniger als 70 Tage angemeldet sind, nicht einmal Krankenversicherung bezahlt werden, weil man davon ausgeht, dass diese Leute im Herkunftsland versichert sind.

Dennoch werden Sie von Gewerkschaft und auch von NGOs kritisiert, weil Sie das auch für Österreich fordern. 

Das ist typisch für eine Haltung, die weit verbreitet ist im Land. Wir sind in Österreich stolz auf unsere sozialen Errungenschaften, wir wünschen uns auch weniger Pflanzenschutz, wir wünschen uns Tierwohl, aber es soll auf uns keine Auswirkung haben. Bezahlen wollen wir freilich nicht, was gefordert wird. Da kaufen wir lieber dort, wo es billig ist. Das geht wie ein roter Faden durch alles durch. Aber wir können nicht österreichische Löhne zahlen und asiatische Preise haben wollen.

Worum geht es Ihnen? 

Mir geht es vor allem um Chancengleichheit. Die haben wir nicht. Nicht nur gegenüber Deutschland, sondern auch gegenüber anderen Ländern wie Ungarn oder Italien, wo die Standards ganz andere sind als bei uns. Die Italiener etwa produzieren den ganz normalen Häuptelsalat weit billiger als wir in Österreich und können ihn bei uns trotz des weiten Transports günstiger verkaufen. Es kann doch nicht sein, dass wir innerhalb der EU so ungleiche Voraussetzungen in der Produktion haben. Und da rede ich noch gar nicht von Ländern wie der Türkei, die gar nicht in der EU sind, aus denen aber große Mengen importiert werden. Uns treffen vor allem die Importe von Gurkerln.

Wer steht dem entgegen? 

Bei uns werden die EU-Vorschriften anders interpretiert als in anderen Ländern. Wir wollen überall die Allerbravsten sein. Mir gefällt der Ausdruck Gold-Plating nicht, aber es trifft leider über weite Strecken zu.

Stimmen Sie in das Klagelied über die angeblich überbordende Bürokratie ein? 

Vor allem für die EU gilt, dass viele Themen gut gemeint, aber schlecht gemacht sind. Wir alle haben das zu tragen. Wir müssen in Audits nachweisen, welche Prozesse wir haben, um Kinderarbeit bei uns zu verhindern. Da greift man sich an den Kopf. Kinderarbeit ist ja ohnehin verboten bei uns. Dann gibt es so Dinge wie das Lieferkettengesetz. Das kann nicht funktionieren und ist der nächste Bürokratiemoloch, der daherkommt.

Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den Gesamtausgaben eines Haushalts steigt aber wieder. Die Klagen über hohe Lebensmittelkosten sind nicht zu überhören. 

Wir befinden uns in einem Paradigmenwechsel. Über Jahrzehnte ist der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel gesunken. Möglich wurde das durch die Rationalisierungen in der Landwirtschaft, bei den Verarbeitern und im Handel. Das hat sich jetzt gedreht und das tut furchtbar weh, weil für Nettigkeiten wie das Handy, die Bekleidung oder den Urlaub weniger Geld bleibt. Daher sagt man jetzt, die Lebensmittel müssen mit aller Brachialgewalt billig bleiben. Da wird gnadenlos importiert. Wo die Ware billig ist, wird sie gekauft. Wie, unter welchen Umständen und zu welchen Standards sie erzeugt wurde, spielt da kaum eine Rolle. 

Die Teuerung ist aber ein großes Thema. Gerade bei Lebensmitteln. 

Sicherlich macht das vielen Leuten Probleme. Aber ich behaupte, dass es nicht darum geht, dass nicht genug Geld da ist, sondern dass das, was wir derzeit erleben, auch eine Frage der Prioritäten ist. Ein Kardinalfehler wurde schon vor Jahren gemacht – meiner Meinung nach hat die öffentliche Hand versäumt, für leistbaren Wohnraum zu sorgen. Das ist eine der größten Sünden, die begangen wurden. Das kann man nicht dem Markt überlassen. Den sozialen Wohnbau gibt es nicht mehr und das nimmt extrem viel Geld aus dem Kreislauf heraus.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Lebensmittelhandel? 

Nach wie vor scheint der Preis das wichtigste Marketinginstrument zu sein. Wegen der intensiven Flächenexpansion der vergangenen Jahre hat der Handel hohe Fixkosten zu tragen. Dazu kommt die Kostenbelastung aus den diversen Lohnrunden. Der Kampf um Marktanteile ist seit Jahren brutal. Vor dem Hintergrund der Kostensituation des Handels ist das eine toxische Mischung. Und dann kommt es zu Situationen wie mit dem Bier-Radi. 

Was meinen Sie damit? 

Bier-Radi wird in Österreich nicht mehr erzeugt, weil dafür bei uns kein Pflanzenschutzmittel mehr zugelassen ist. In Bayern gibt es den Bier-Radi aber weiterhin, weil dort dieselben EU-Vorschriften anders ausgelegt werden, was für mich ja ein Witz ist. Jetzt kauft der Handel halt dort, „wir müssen ja Konsumentenbedürfnisse befriedigen“, heißt es dann. Der Handel hätte extrem viele Möglichkeiten, das zu steuern, nutzt sie aber nicht, weil man in einem extremen Wettbewerb verfangen ist. Dort schenkt man sich nichts.

Und das bekommen die Erzeuger zu spüren? 

Weil in den Preiseinstiegslagen kaum etwas zu verdienen ist, versucht man das bei den Markenartikeln zu kompensieren. Seit die Wettbewerbsbehörde Spar wegen Absprachen verurteilt hat, verweigert der Handel jedes Gespräch mit der Industrie über die Regalpreise. Das Urteil erweist sich als ein Bärendienst für uns. Wir und andere müssen erleben, dass Preise für unsere Produkte im Regal erhöht werden und wir nichts davon bekommen. Im Gegenteil – oft werden wir für die Preiserhöhungen verantwortlich gemacht. Die Wettbewerbsbehörde sagt, das sei nicht ihre Agenda.

Was heißt das für die Zukunft? 

Weil bei uns die Produktion so teuer ist, können wir kaum mehr exportieren. Der Druck wird in den kommenden Jahren noch größer und die Produktion in Österreich zurückgehen. Die extreme Kurzfristigkeit unseres Denkens in frappierend.

Was meinen Sie damit? 

Als Corona kam, sind wir, wie auch die gesamte Lebensmittelindustrie, für systemrelevant erklärt worden. Als dann auch noch ein Containerschiff den Suezkanal verstopfte, hieß es, wir brauchen wieder mehr Produktion in Europa, wir können nicht nur von Fernost abhängig sein.
Dann kam auch noch der Ukraine-Krieg, da war dann überhaupt alles zu wenig und es hieß, wir müssen uns wieder mehr um die eigene Produktion kümmern. Und jetzt? Jetzt ist alles schon wieder vergessen. Jetzt geht es wieder nur mehr um den Preis. Dabei ist das ja nicht 20 Jahre her, das war ja gerade gestern. Erwartungen und Handeln passen oft nicht zusammen. 

Die Landwirtschaft klagt über zu wenig Verständnis, ihre Branche auch. Empfinden Sie das als ungerecht? 

Definitiv ja. Der Kunde handelt am Regal völlig anders als er in Umfragen angibt. Auch große Handelsabkommen wie Mercosur liegen auf dieser Linie – weil man Autoteile nach Brasilien liefern will, soll der Import von 200.000 Tonnen Rindfleisch in die EU erlaubt werden. Das mag gesamtwirtschaftlich durchaus interessant sein, die Bauern sind halt die Geschnapsten. Vieles, wozu sie in der Produktion gesetzlich verpflichtet sind, spielt dort keine Rolle – aber bei uns müssen sie sich mit Ewigkeitschemikalien herumschlagen, für die ihnen die Verantwortung in die Schuhe geschoben wird. NGOs, die das betreiben, lehnen ja in ihrer Hybris wirtschaftliche Gesamtverantwortung generell ab. Sie sagen, wir wollen das, den Rest müssen die anderen machen, uns ist das egal. Das ist nichts als thematisches Rosinenpicken.

Was muss geschehen? 

Es kann einfach nicht sein, dass die europäische Produktion, nicht nur in der Landwirtschaft und bei Lebensmitteln, mit unlauteren Mitteln ausgehebelt wird. Ich war in jüngeren Jahren der Meinung, dass der Markt alles regle. Von dieser Meinung bin ich abgegangen. Das funktioniert nicht, weil die jeweiligen Marktteilnehmer mit unterschiedlichen Mitteln kämpfen.

Was braucht es dann jetzt in Österreich? 

Ich bin zur Meinung gekommen, dass die Politik lenkend eingreifen muss. So, wie es jetzt läuft, begeben sich Österreich und Europa etwa bei Lebensmitteln immer mehr in die Abhängigkeit von fremden Ländern und Mächten. Es kann nicht sein, dass die Produktion abwandert. Aufklärung und all das, was uns immer empfohlen wird, reicht da nicht. Da müsste die Politik klar eingreifen. Was mich so grantig macht, ist, dass wir all diese Themen seit Jahren trommeln und uns alle Politikerinnen und Politiker mitleidsvoll anschauen und sagen „ja, das ist ein Problem“ – und dass aber nichts passiert.

Wie wird es realistischerweise weitergehen? 

Die Lebensmittel werden nicht an Wert gewinnen. Der Handel wird wohl weiter in seinem brachialen Machtkampf um jeden Preis hängen bleiben und darauf setzen, dass die Leute nur billig kaufen wollen und die entsprechende Ware auch anbieten. Die produzierten Mengen bei uns werden weniger werden, weil wir nicht billig genug produzieren können. Wenn Lifestyle und Reisen wichtiger sind als Lebensmittel, wird man sich nicht für Lebensmittel interessieren und dafür mehr ausgeben wollen.

Klaus Hraby (65) führt seit 2012 die Efko-Gruppe in Eferding (OÖ). Sie verarbeitet 85.000 Tonnen Gemüse und Obst aus heimischem Anbau. 50.000 Tonnen entfallen auf eingelegtes Sauergemüse wie Essiggurken.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 26. Juli 2024

Mittwoch, 24. Juli 2024

Alle sind auf Urlaub - wirklich alle?

Während das ganze Land auf Urlaub ist in diesen Wochen, im Bad oder am See liegt, in den Bergen klettert oder auf dem Rad das Land zu entdecken, haben die freiwilligen Helfer der Feuerwehren, der Rettungsdienste, der Bergretter und vieler anderer Organisationen Hochbetrieb. Kein Tag ohne Unwetter in diesen Wochen bei dem nicht die Feuerwehr ausrücken muss. Keine Tag ohne Bergunfall bei den die Bergretter gerufen werden. Während der Arbeit, mitten in der Nacht, gleich ob samstags oder sonntags. Die freiwilligen Helferinnen und Helfer sind da. Nicht nur in akuten Notfällen, bei Unfällen und bei Katastrophen. Auch in vielen anderen Bereichen tragen sie das ihre zur Bewältigung zahlloser Aufgaben bei. Bis hin zu sozialen Diensten, für die man sich die Zeit nimmt oder für Aufgaben in Sport- und anderen Vereinen – meistens ganz einfach, weil man helfen will, weil man etwas sinnvolles tun will, weil man sieht, dass man gebraucht wird.

Ohne die vielen Freiwilligen, ohne die zahllosen Freiwilligen-Organisationen, würde vieles nicht funktionieren in diesem Land. Ohne die vielen Vereine, die sich um die Menschen kümmern, von den jungen, die sich in den Sportvereinen austoben, bis hin zu den Seniorinnen und Senioren, die sich in einer Gemeinschaft aufgehoben fühlen können. Wer würde bei einer Unwetterkatastrophe, all das Wasser und des Dreck aus den Häusern putzen, wer würde den Wanderer oder Bergsteiger, der unglücklich gestürzt ist oder sich verirrt hat von den Bergen holen? Wer würde sich um die vielen Menschen kümmern, die mit dem Alltag nicht zurechtkommen – weil sie mit dem Geld nicht auskommen oder weil sie gesundheitliche Probleme haben. Was wäre mit all denen, die alleine sind und mit ihrer Einsamkeit hadern? Gar nicht zu reden von denen, die einen Unfall haben?

 Österreich würde ohne all das freiwilligen Engagement der Bevölkerung wohl nicht wirklich funktionieren. „Österreich ist ein Land des Ehrenamtes und der Gemeinnützigkeit, die Ehrenamtlichen sind Herz und Seele unseres Staates und Gemeinwohl“ formulierte einmal der Bundeskanzler mit gehörigen Pathos bei der Präsentation der jüngsten Novelle des Freiwilligengesetzes. Fraglos würde vieles fehlen, würde vieles unbezahlbar teuer sein, würde vieles nicht funktionieren. 

All die Freiwilligen-Organisationen, all die Vereine und all die Organisationen sind NGO im besten Sinne des Wortes – NGO, die nicht nur mahnen und oft nichts, denn alles besser wissen, sondern NGO, die alles wirklich besser machen. Sie sind Zivilgesellschaft im besten Sinn des Wortes. Vor allem in ländlichen Raum sind die Vereine ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft. Der Bogen reicht vom Sportverein, über den Musikverein bis hin zu Gratis-Fahrdiensten, die in immer mehr Gemeinden ehrenamtlich organisiert werden.Das Niveau der Freiwilligenarbeit ist unglaublich hoch. Die Dichte auch. 

Wenn stimmt, was die Statistik Austria vor zwei Jahren erhob, und es gibt wohl keine Zweifel daran, dann gehen mehr als 3,7 Millionen Österreicherinnen und Österreich ab 15 Jahren regelmäßig einer freiwilligen unbezahlten Tätigkeit nach. Rund ein Viertel dieser Personen engagiert sich demnach in Vereinen, mehr als 36 Prozent sind informell freiwillig tätig, etwa in der Nachbarschaft um dort pflegebedürftigen Personen zu helfen oder unterschiedliche Hausarbeiten zu erledigen. „Für mich ist es so etwas wie eine Berufung“ wird in einer Zeitung ein Berghelfer zitiert. Und das wird geschätzt. „Das Ehrenamt erfährt eine hohe Wertschätzung“, heißt es allerorten. In vielen Bereichen freilich werden die finanziellen Sorgen immer drückender. Das Ausbildung und Technik bei den Feuerwehren sehr kostspielig ist, ist bekannt. Aber auch die alpinen Vereine plagen zunehmend Geldsorgen. Die Erhaltung der hunderten von Schutzhütten und der zig-tausende Kilometer langen Wanderwege sind große Herausforderungen. Bei vielen anderen Vereinen und Einrichtungen ist es oft nicht anders. 

Man darf davon ausgehen, dass es Lösungen geben wird. Allein das Engagement, das man aufwendet, wird schon dafür sorgen. Und das breite Verständnis dafür auch. 

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Juli 2024

Montag, 15. Juli 2024

Der Bauernhof als Zukunftslabor

Alternative Antriebe für Traktoren, KI und Digitalisierung sind in der Landwirtschaft Reizthemen. Die Erwartungen und die Wirklichkeit klaffen oft noch weit auseinander.

Hans Gmeiner

Salzburg. Voller Stolz präsentierten kürzlich die TU Wien und das CNH-Traktorenwerk St. Valentin den ersten Steyr-Traktor, der mit Wasserstoff-Brennstoffzellen betrieben wird. Schon im Vorjahr sorgte Steyr mit einem Hybridtraktor für Aufsehen. Die Traktorenbauer aus Österreich sind nicht die Einzigen, die nach Alternativen zum herkömmlichen Dieselaggregat suchen. Praktisch alle Hersteller testen neue Antriebsformen für die tonnenschweren und oft Hunderte PS starken Geräte.

Die Zeit drängt. In Europa soll die Landwirtschaft bis 2040 ohne fossile Brennstoffe produzieren. Traktoren, ohne die Landwirtschaft nicht möglich ist, gelten dabei als größte Hürde, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. Allein in Österreich sind rund 384.000 Traktoren und 9400 Erntemaschinen im Einsatz. Ihr Gesamtverbrauch wird auf gut 350 Millionen Liter pro Jahr geschätzt. „Diese Menge ist bis 2040 durch biogene Kraftstoffe oder alternative Antriebslösungen zu ersetzen“, sagt Alexander Bachler von der Landwirtschaftskammer Österreich.

Dass Wasserstoff dabei eine bedeutende Rolle spielen wird, gilt in der Branche als wenig wahrscheinlich. „Das ist noch ferne Zukunft“, sagt Bachler. „Bis die Prototypen, die jetzt präsentiert werden, in Serie gehen, vergehen sicher noch Jahre.“ Vor 2035 rechnet er nicht damit.

Skeptisch wird auch Strom als Energiequelle vor allem für größere Traktoren beurteilt. „Die Hersteller sind sich nicht einig, wohin es geht“, beobachtet Bachler. „Einig ist man sich nur, dass bei maximal 100 kW für Stromtraktoren die Grenze ist.“ Darüber hinaus brauche es andere Technologien. Im mittleren Leistungsbereich könnten das gasförmige Treibstoffe sein. Für die stärksten Traktoren kommen ihm zufolge hingegen nur Biodiesel und Pflanzenöl „oder ganz was anderes“ infrage. Doch auch da gibt es Fragezeichen. Biodiesel und Pflanzenöl sind als Treibstoffe zwar schon seit mehr als drei Jahrzehnten bekannt, durchgesetzt haben sie sich nie. Im Gegenteil, die Entwicklung ist stecken geblieben. Bei Biodiesel erweisen sich auch Probleme mit der Abgasnachbehandlung als Bremse.

Bei kleinen Traktoren und Geräten für den Einsatz auf den Höfen und in den Ställen ist man sich hingegen einig: Dort geht der Trend eindeutig in Richtung Elektroantrieb. „Da gibt es heute sehr viele Maschinen, die mit Strom betrieben werden“, sagt Bachler. „Das funktioniert vor allem in Kombination mit hofeigenen Photovoltaikanlagen, die den Strom kostengünstig liefern, gut. Zudem schätzt man, dass man in Ställen oder anderen Räumen schadstofffrei unterwegs ist.“

An der Zukunft wird in der Landwirtschaft aber nicht nur bei alternativen Antriebsformen gearbeitet. Digitalisierung und künstliche Intelligenz spielen auf den Feldern, in den Ställen, in der Verwaltung, in der Beratung und als Grundlage für unternehmerische Entscheidungen eine immer wichtigere Rolle. In den Ställen helfen die neuen Technologien etwa bei der gesundheitlichen Überwachung der Tiere, aber auch bei für die Bauern oft aufwendigen Beobachtungen wie dem Erkennen der Brunst. Auf breiter Basis eingesetzt werden auch automatische Lenksysteme bei Traktoren, die über GPS zentimetergenau über die Felder und Wiesen gesteuert werden. Stark im Kommen ist der Einsatz von Drohnen in der Schädlingsbekämpfung, bei der Aussaat von Zwischenfrüchten und bei Aufgaben wie dem Auffinden von Rehkitzen im hohen Gras, um sie bei Mäharbeiten zu retten.

Ansonsten spielt vieles von dem, was in der Öffentlichkeit für Aufsehen sorgt, in der Praxis noch kaum eine Rolle. „Da gibt es viel Luft nach oben“, sagt Martin Hirt von der Landwirtschaftskammer Österreich. Das gilt für autonome Roboter, die rund um die Uhr Unkraut jäten, für Düngerstreuer, die über GPS die benötigte Düngermenge erkennen und die Streumenge laufend anpassen. Und reicht bis zu Pflanzenschutzgeräten, die nur dort, wo wirklich Unkrautpflanzen stehen, spritzen. Roboter gibt es in Österreich kaum ein Dutzend, „Spot-Spraying“, wie der punktgenaue Pflanzenschutz in der Fachsprache heißt, gibt es allenfalls auf dem Papier und GPS-Steuerung von Düngerstreuern schätzt Hirt auf „noch im einstelligen Prozentbereich“.

Salzburger Nachrichten, 15. Juli 2024

Donnerstag, 11. Juli 2024

Österreich könnte es - wenn es wollte

Ich kann ja nichts dafür. Nichts dafür, dass sie so beindruckend gekämpft haben bei der Fußball-Europameisterschaft. Und auch nichts dafür, dass sie dennoch so unglücklich ausgeschieden sind. Aber die zwei Wochen der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft bei der Fußball- Europameisterschaft imponierten. Nicht nur mir. Vielen im Land bescherten sie ein Hochgefühl voller Stolz. Ganz so, als hätten sie selbst dazu etwas beigetragen oder wären sie geradezu auf dem Spielfeld gestanden. - Dabei haben sie ja genauso wenig dafür getan und dazu beigetragen wie ich.

So weit, so österreichisch. Man kennt es. Man lässt machen und erbaut sich daran, wenn die, die es machen, es gut machen. Dann tut man gerne so, als hätte man es selbst gut gemacht. Das reicht den meisten. Gut tut es in jedem Fall. Ob es wirklich gut ist, ist freilich eine andere Frage.

Klar ist -von dieser Nationalmannschaft, von den Spielern, vom Trainer und seinem Team, kann man lernen, was man sich für das gesamte Land, für die Stimmung in diesem Land, wünschen würde. Wie sie aufgetreten sind, wie sie gekämpft haben, wie sie sich gegenseitig motiviert und unterstützt haben, die Einstellung, die sie gezeigt haben, ihre Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen. Da blitzte überall eine ganz große Portion Leistungswille durch und Entschlossenheit. Da war keine Wehleidigkeit und kein Jammern, das in den vergangenen Jahren zunehmend die Stimmung im Land drückte. Da war der unbedingte Wille, selbst etwas zu schaffen. Da wurden Ziele konsequent verfolgt. Da wollte man gemeinsam etwas erreichen, da ließ man sich von Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen und man war immer bereit, dafür alles zu geben. Da gab es keinen Neid untereinander, sondern nur ein Ziel -möglichst gut zu sein. Man gab alles dafür.

Die Nationalmannschaft zeigte in den vergangenen Wochen eindrücklich, wie wir es in Österreich schon lange nicht mehr erlebten, worauf es wirklich ankommt und was alles möglich wäre. Selten wurde so deutlich, wie wichtig eine gute Führung für den Erfolg eines ganzen Systems ist. Ralf Rangnick zeigte von Anbeginn, von welchem Kaliber er ist, ließ sich nie rausbringen von den notorischen Zurufern, und formte aus dem eher unterdurchschnittlichen Fußballteam mit Herz und Hirn eine Erfolgsmannschaft, der jede Sensation zugetraut wurde und trotz des Ausscheidens auch weiterhin wird. Für das Fußballwunder sorgen auch gute, gescheite Köpfe auf dem Spielfeld, die auch etwas zu sagen haben und die sich auch etwas zu sagen trauen. Ganz anders als früher, als der Horizont gar nicht weniger Spieler oft kaum über die Outlinie hinauszureichen schien. Viele haben heute Matura oder studieren. Spieler wie Gregoritsch, Alaba und viele andere auch würden auch in anderen Berufen ganz oben stehen.

"Der vorgezeigte Wille zum Erfolg ist ganz und gar unösterreichisch", war in den Zeitungen zu lesen. Der "unbedingte Zusammenhalt" wurde dabei hervorgehoben. "Österreich kann vom österreichischen Team einiges lernen: wie man Erfolge feiert, nüchtern analysiert, statt sich freudetrunken zurückzulehnen. Wie man sich an der Spitze orientiert, statt an der Regionalliga".

Vom Erfolg der Fußballnationalmannschaft, wie es dazu kam und was ihn ausmacht, können und sollen wir alle lernen. Wir sollten schätzen, was wir dort gesehen haben, und wir sollten versuchen es umzusetzen. Jedem einzelnen würde es guttun, und dem Land erst recht. Wir haben so viel verlernt von dem, was die Nationalmannschaft zeigte, so viel vergessen auch, und so viel vernachlässigt. Wir selbst, vor allem aber auch die Politik. Es geht um Ideen, es geht um Ziele, es geht um den Zusammenhalt und es geht um die Bereitschaft, zum Erreichen der Ziele etwas beizutragen.

Von all dem ist vor allem in der Politik seit langem nichts mehr zu merken. Die ist meist genau das Gegenteil von dem, was die Fußballer vorlebten. Da geht es um Neid, um Ressentiments und um Einzelinteressen. Das zeigt sich gerade jetzt, wo angesichts des Wahlkampfe alles auseinanderzubrechen scheint. Dass das Biogasgesetz im letzten Moment von der FPÖ und der SPÖ gekippt wurde, ist aktuelles und eindrückliches Beispiel dafür, was alles schiefläuft in diesem Land, in dem längst das Trennende über dem Gemeinsamen steht.

Wir haben gesehen - Österreich könnte auch anders. Schade eigentlich und verlorene Zeit, dass wir es nicht auch tun.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Juli 2024

Donnerstag, 4. Juli 2024

Wenn das Rad statt Bahn Lkw fährt und andere Merkwürdigkeiten

Sommerzeit. Ferienzeit. Und das Rad fährt Bahn. Alles super also. "Mit den ÖBB zu den schönsten Radwegen", heißt es verlockend so und ähnlich formuliert in nicht wenigen Foldern und Informationen, in denen man um die Kundschaft buhlt. Zumal um jene Kundschaft, die nicht nur ihrem Körper und ihrer Seele etwas Gutes tun will, sondern auch der Umwelt. Nicht ohne Grund ist das Klimaticket zum Verkaufsrenner und damit zum Tor zu neuen Urlaubserlebnissen geworden.

Diese freilich zeigen sich mitunter ganz anders, als man sie haben wollte. Vor allem dann, wenn man in den Fernzügen keinen der knappen Plätze mehr fürs Fahrrad ergattert. Aber es wäre nicht "unsere Bahn", wenn sie nicht ein Ersatzangebot hätte - denn gibt es für das Rad keinen Platz mehr in der Bahn, dann fährt das Rad nämlich - Lkw. Lastkraftwagen. Ausgerechnet.

Für jeden stolzen Klimaticketbesitzer muss das so etwas wie die Höchststrafe sein.

Dass die ÖBB überhaupt den Fahrradtransport auch in Fernzügen anbietet, ist unbestritten löblich. Dass man damit Gutes fürs Image tut, ohne wirklich die nötigen Voraussetzungen zu bieten, bringt freilich die Bemühungen in die Nähe von Greenwashing. Dass man sich also ein grünes Mäntelchen umhängt, um davon imagemäßig zu profitieren, ohne die Versprechen wirklich zu erfüllen.

Viele Unternehmen werden dafür seit Jahren gegeißelt. Internationale Konzerne und Unternehmen, ganze Industriezweige. Die Austrian Airlines und all die anderen Fluggesellschaften geraten immer wieder in die Schlagzeilen, Energiekonzerne wie die OMV auch. "Die grünen Bluffs fliegen auf", freut man sich dann allerorten und applaudiert der Europäischen Union zu ihren Bemühungen, die oft allzu vollmundigen Öko-Versprechen der Unternehmen zu zähmen.

Die EU täte freilich auch gut, diese Bemühungen auf die Politik auszuweiten, die sich gerne mit solchen grünen Federn schmückt, die oft so gar nicht zur Realität passen, wie sie die Kunden erleben. Die im öffentlichen Eigentum stehenden ÖBB erweisen sich dabei gleichsam als das grüne Muster-Feigenblatt, mit dem man guten Eindruck, aber meist nicht viel mehr, macht.

Nur zu logisch, dass sich die grüne Umweltministerin, die auch für den öffentlichen Verkehr zuständig ist, darauf besonders versteht und ihre Position als oberste Zuständige für die Bahn auch weidlich nutzt. Der Bogen reicht vom Klimaticket, über die Nightjets, bis hin zu den Fahrradtransporten.

Dass die Bahn damit oft völlig überfordert ist, dass Züge oft maßlos überfüllt sind, dass Tickets für die Nightjets kaum zu kriegen sind und dass viele Bikes Lkw statt Bahn fahren -davon will man nichts hören. Hauptsache, das Mäntelchen, das man sich umhängt, leuchtet schön grün.

Erst zu Beginn dieser Woche lieferte die Umweltministerin ein Beispiel, das diesen Eindruck nicht besser bekräftigen könnte. Sie kam persönlich nach Oberösterreich zum Spatenstich der ÖBB für den viergleisigen Ausbau der Westbahnstrecke zwischen Linz und Marchtrenk. Das entbehrte nicht einer gewissen Pikanterie, die manche, zumal betroffene Landwirte, durchaus auch als Dreistigkeit empfanden. Keine zwei Wochen, nachdem sie sich als Retterin der EU-Renaturierungsverordnung bejubeln ließ, feierte die Ministerin am Montag dieser Woche ein Bahnprojekt, bei dem mehr als 100 Hektar fruchtbarster Boden versiegelt werden. "Nun stehen dieselben Akteure bei einem inszenierten Spatenstich, bei dem ein Großprojekt besiegelt werden soll, mit dem, wie in der Vergangenheit so oft, wertvolle Natur unwiederbringlich zerstört wird", heißt es in einer Presseaussendung der bäuerlichen Gemeinschaft bitter, die seit mehr als 30 Jahren gegen das Projekt Sturm läuft und deren Vorschläge, die wesentlich weniger Flächen verbraucht hätten, nie gehört wurden. Aber Hauptsache ein großer Auftritt. Und Hauptsache schöne Bilder und ein paar Schlagzeilen. Da spielt nicht einmal eine Rolle, dass bei weitem noch nicht alle Grundstückskäufe unter Dach und Fach und anhängige Enteignungsverfahren abgeschlossen sind.

Und gar nicht zu reden davon, dass keine Rolle spielt, dass sich die Voraussetzungen für das Projekt in den vergangenen 30 Jahren grundlegend geändert haben -vor allem die Entwicklung des Linzer Flughafens, den man damals unbedingt direkt an das Bahnnetz anschließen wollte. Statt von 400.000 auf eine Million Passagiere jährlich zu wachsen, schrumpfte die Zahl der Passagiere nämlich auf etwas mehr als 200.000.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 4. Juli 2024
 
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