Die heimische Biolandwirtschaft, lange erfolgsverwöhnt, hat zu kämpfen. Nun hofft man, dass die Talsohle durchschritten ist.
Hans Gmeiner
Salzburg. Die heimischen Biobauern, jahrelang erfolgsverwöhnt, haben ein schwieriges Jahr hinter sich. Nach Jahren des Wachstums und dem Höhenflug während der Coronapandemie kam der Markt ins Stottern. Die Absatzzahlen gingen zurück und die Preise auch. Der Abstand zwischen den Preisen für Bioprodukte und konventionell erzeugte Waren schrumpft, der Handel verkaufte Bioprodukte zuweilen billiger als konventionelle Ware. Die Einkommen der Biobauern gingen deutlich zurück. Knapp 1000 Bauern stiegen sogar aus dem Biolandbau aus. Zudem geriet Bio Austria wegen Importen in die Schlagzeilen und man musste zusehen, wie die EU von ihren Green-Deal-Plänen, in die man große Hoffnungen setzte, abrückte.
Nun aber glaubt man, die Talsohle erreicht zu haben. „Die Stimmung der Bauern, die vor einem Jahr noch einigermaßen getrübt war, ist wieder am Besserwerden“, sagen Barbara Riegler und Susanne Maier, Obfrau von Bio Austria die eine und Geschäftsführerin des mit 12.500 Mitgliedsbetrieben größten Biobauernverbandes im Land die andere. „Wir sind positiv überrascht, wie sich der Markt entwickelt“, sagen sie.
Die RollAMA, die in regelmäßigen Abständen den Biomarkt analysiert, wies im ersten Halbjahr zumindest wieder mengenmäßige Zuwächse im Absatz aus. Auch der Bioanteil im Handel ist nach einem deutlichen Rückgang 2022 und 2023 im Jahr 2024 wieder gestiegen. Für die zweite Hälfte 2024 liegen zwar noch keine Zahlen vor, bei Bio Austria erwartet man aber, dass sich der Trend wieder gefestigt hat.
Riegler und Maier sind überzeugt, dass die Biolandwirtschaft auf einem guten Weg ist. Das bestätige sich immer wieder, gleich ob man mit jungen Konsumenten oder jungen Bauern rede. „Ich stelle fest, dass der gesellschaftliche Druck hin zu Bio und Ökologisierung größer wird“, sagt Riegler. „Die Leute erwarten, dass Grund und Boden für alle geschützt werden“, das zeigten auch Umfragen. „Die Leute wünschen, dass da mehr gemacht wird.“
Österreichs Agrarpolitik rühmt sich gern, dass der Anteil der Biolandwirtschaft in kaum einem anderen Land so hoch ist wie hier. Mehr als 24.000 Bauern, gut 23 Prozent aller Betriebe, wirtschaften nach den Grundsätzen des Biolandbaus. Der Anteil der Flächen beträgt sogar 27 Prozent. Der Biomarkt in Österreich ist knapp 2,99 Mrd. Euro groß und wird vom Lebensmittelhandel dominiert, auf den 79 Prozent davon entfallen. 13 Prozent des Bio-Umsatzes entfallen auf Direktvermarktung und den Bio-Fachhandel und acht Prozent auf die öffentlichen Versorgungseinrichtungen, Kantinen und die Gastronomie.
Die wichtigsten Hebel, die Absatzmärkte für die Bauern zu vergrößern, aber auch von den Exportmärkten unabhängiger zu werden, sind für die Bio-Austria-Führung die öffentliche Beschaffung, öffentliche und private Kantinenbetreiber und die Gastronomie und Hotellerie. Der Markt verspricht einiges, werden doch zumindest während einer Arbeitswoche rund 2,5 Millionen Mahlzeiten außer Haus eingenommen.
Vor allem Bioprodukte in der öffentlichen Beschaffung unterzubringen, erweist sich freilich als „Bohren in harten Brettern“, wie Maier das formuliert. „Die Zielvorgabe von 25 Prozent, auf die sich die Politik verständigte, wird nicht kontrolliert“, beklagt Maier. Dennoch gibt sie sich zuversichtlich, dass der Anteil der öffentlichen Beschaffung, der Kantinen und der Gastronomie und Hotellerie stark zulegt. „Ich hoffe, dass in absehbarer Zeit der Marktanteil dieses Bereichs auf 20 Prozent wächst.“
Die Agrarpolitik hat zwar vor wenigen Wochen bei der Förderung der Biolandwirtschaft mit einem 20-Millionen-Euro-Paket beim Umweltprogramm, das vor zwei Jahren bei seiner Einführung für Unmut sorgte, nachgebessert, dennoch wollen die Biobauern die Politik nicht aus der Pflicht entlassen. „Markt und Absatzmöglichkeiten müssen gemeinsam wachsen“, fordern Riegler und Maier unisono. „Wenn die Politik sagt, sie will die Ökologisierung der Landwirtschaft vorantreiben, dann muss man schauen, wie dieses Ziel zumindest im Inland unterstützt werden kann.“
Im Zentrum davon sieht man bei Bio Austria die Agrarmarkt Austria (AMA). Es gebe zwar „gute Zusammenarbeit“, gefordert wird aber, dass die AMA im Biobereich „mehr tut und Bioprodukte eigens beworben werden“. Auf den Märkten brauche es einen „ernst gemeinten Anschub“. Bio-Austria-Obfrau Riegler hat dabei sehr konkrete Vorstellungen. „Wenn der Anteil der Biobetriebe bei knapp einem Viertel liegt, dann müsste eigentlich auch der Anteil der Werbung für Bio bei knapp einem Viertel liegen.“
Alles, was die Biobauern vom Export unabhängiger mache, sei hilfreich, sagt Riegler. Denn dort droht Ungemach. Nicht nur, dass in Ländern wie Deutschland die Bioproduktion wächst und damit die Konkurrenz härter wird. Die großen Handelsketten schreiben dort die Mitgliedschaft bei nationalen Bioverbänden vor. Schon jetzt sind rund 2300 Bauern aus Österreich in Deutschland Mitglied bei Naturland, mit dem Rewe und Aldi zusammenarbeiten, um weiterhin – vor allem Milch – liefern zu können. Für Bio-Austria-Mitglieder gibt es zwar Doppelmitgliedschaften, mitzureden hat man bei Naturland, das dabei ist in Österreich eigene Strukturen aufzubauen und um Mitglieder wirbt, allerdings kaum etwas, was die Position nicht nur auf den Exportmärkten empfindlich schwächen kann.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 27. Dezember 2024