Nach fünfjähriger Pause wollen die Bauern das Umweltministerium wieder ins Agrarressort eingliedern. „Die FPÖ muss Farbe bekennen“, sagen sie.
Hans Gmeiner
Berlin. „Ich kann heuer mein Berlin-Programm leider nur eingeschränkt absolvieren“, entschuldigte sich Freitag Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (VP) bei der traditionellen Pressekonferenz der heimischen Agrarspitzen auf der Grünen Woche in Berlin. Wegen der Koalitionsverhandlungen müsse er gleich zurück nach Wien. Bauernbundpräsident Georg Strasser kam erst gar nicht an die Spree. Für die Bauern geht es um viel.
Während sich Totschnig zurückhielt („Zuerst verhandeln, dann werden wir sehen“), redete Josef Moosbrugger, der nicht nur Präsident der Landwirtschaftskammer, sondern auch Vizepräsident des VP-Bauernbunds und Mitglied des ÖVP-Präsidiums ist, Klartext in Richtung FPÖ. Es sei unvernünftig, bei Einrichtungen wie den Kammern oder der AMA sparen zu wollen. Das schwäche die Position der Bauern. Als „No-Go“ bezeichnete er die Einführung eines Preisdeckels bei Lebensmitteln. „Wenn der FPÖ die Lebensmittel zu teuer sind, wird sie Farbe bekennen müssen und nicht nur allen nach dem Mund reden können“, schlug Moosbrugger einen harschen Ton an und ließ dann aufhorchen, als die Rede auf die Ressortverteilung kam. „Das ist für uns eine Grundbedingung für eine Koalition und es braucht eine vernünftige Weiterentwicklung insbesondere in den Ressortzuständigkeiten“, sagte Moosbrugger und forderte, dass „die Umweltagenden wieder zum Landwirtschaftsministerium kommen, damit Entwicklungen der letzten Jahre für die Bauern wieder mehr Praktikabilität und Vernunft bekommen“. Schon in den Jahren 2000 bis 2020 war das Umweltressort im Landwirtschaftsministerium angesiedelt.
Klar ist inzwischen, welchen Beitrag das Landwirtschaftsministerium zu den aktuellen Einsparungsplänen beim Bundesbudget leisten wird. 55 Mill. Euro werden dabei aus Rücklagen insbesondere aus dem Topf für die ländliche Entwicklung kommen. Weitere zehn Millionen kommen aus Einsparungen beim mit insgesamt 550 Mill. Euro dotierten Waldfonds, mit dem Investitionen in eine nachhaltige und zukunftsfitte Forstwirtschaft gefördert werden. „Für die Bauern direkt werde es keine spürbaren Einbußen geben“, versicherten Totschnig und Moosbrugger.
Die Unruhe in der Bauernschaft ist angesichts der unklaren politischen Situation nicht unbeträchtlich. Denn nicht nur in Österreich geht es darum, die Weichen zu stellen. Mit dem Umgang mit dem Mercosur-Abkommen, auf das man sich verständigte, und dem geplanten Assoziierungsabkommen mit der Ukraine stehen große Herausforderungen an. Auch in der EU ist mit dem neuen Agrarkommissar Christophe Hansen ein neuer Mann an den Schalthebeln. Die Erwartungen an ihn sind groß, schließlich steht die nächste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vor der Tür. Die neue Periode soll 2027 beginnen. Hansen gilt als Mann der Landwirtschaft mit Verständnis für die Bauern und ihre Probleme. Ende Februar wird er seine Strategie für die Landwirtschaft in Europa vorlegen.
Was Österreich dabei will, formulierte Totschnig so: „Es braucht eine starke, wettbewerbsfähige europäische Landwirtschaft, die sich international behaupten kann.“ Das erfordere eine nachhaltig produzierende Landwirtschaft statt Produktionsbeschränkungen, sichere Einkommen statt Kürzungen und Bürokratieabbau statt Regulierungsdruck. Und es geht auch ums Geld: „Leistungen, die bestellt werden, müssen auch bezahlt werden.“
Die Situation der heimischen Landwirtschaft ist durchwachsen. Im Vorjahr gab es zwar ein kleines Einkommensplus, aber in einigen Sparten gibt es große Probleme. Bei den Schweinehaltern sorgt das Warten auf eine Lösung beim Thema Vollspaltenboden für Unsicherheit und einen Investitionsstopp. Die Ackerbauern klagen über hohe Kosten für Betriebsmittel und niedrige Preise. Zudem sorgt der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Deutschland für Unsicherheit. Dort warnen inzwischen nicht nur die Fleischverarbeiter, sondern auch die Molkereien vor einem Zusammenbruch der Märkte.
Das könnte auch die österreichische Landwirtschaft empfindlich treffen. Deutschland ist schließlich Österreichs mit Abstand wichtigster Exportmarkt. Mit fast fünf Mrd. Euro werden dort knapp 40 Prozent des Exportgeschäfts gemacht. Im Vorjahr gab es sogar ein Plus von 3,6 Prozent. Besonders erfolgreich war dabei die Fleischwirtschaft. Der Grund dafür: Deutschland kämpft in der Schweineproduktion. Der Schweinebestand ging im Vorjahr um 20 Prozent zurück. Erstmals waren 2024 die Exporte Österreichs von Schweinefleisch, Würsten, Speck und Fleischzubereitungen größer als die Käseexporte. Bei Schweinefleisch gab es gar ein Plus von 93 Prozent. Beachtliche Zuwächse gab es auch bei zubereitetem Obst und Gemüse.
Dennoch fiel die Agrar-Handelsbilanz im Vorjahr durchwachsen aus. Das Defizit war nach den ersten neun Monaten des vergangenen Jahrs mit 1,24 Mrd. Euro vier Mal so hoch wie im Jahr zuvor. Bei den Ausfuhren gab es nur ein mageres Plus von 0,4 Prozent. Die Importe hingegen legten um 7,9 Prozent zu. Christina Mutenthaler-Sipek, Chefin der AMA-Marketing, spricht dennoch von einer stabilen Entwicklung. Für sie bleibt der agrarische Außenhandel „eine absolute Erfolgsgeschichte“. Sie verweist darauf, dass sich der Anteil der Agrarexporte an den Gesamtexporten seit dem EU-Beitritt vor 30 Jahren von 4,2 auf 8,8 Prozent mehr als verdoppelt hat. Katharina Koßdorff und Josef Domschitz vom Fachverband der Lebensmittelindustrie machen sich dennoch große Sorgen. Die hohe Inflation und die höheren Energie-und Arbeitskosten seien ein klarer Wettbewerbsnachteil.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 18. Jänner 2025
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