Es ist viel Lärm im Land in diesen Tagen. Die Aufregung ist zuweilen groß. Der Ärger auch und die Verwunderung. Die Gräben quer durch die Gesellschaft werden noch tiefer, das Verständnis füreinander immer weniger. Respekt ist oft nicht mehr als ein Wort. Wertschätzung sowieso. Seit die Volkspartei mit den Freiheitlichen verhandelt und alles, was sie über Kickl gesagt hat, über Bord gegangen ist, hat sich die Stimmung aufgeheizt. Nicht nur in der ÖVP. Die alten Muster kommen wieder hervor. Die einen feuern aus allen Rohren, die anderen schießen zurück. Dass man von den "Linken" und den "Rechten" - und das natürlich mit abfälligem Unterton -redet, scheint immer öfter wieder normal. Und dass man über den jeweils anderen nicht nur schimpft, sondern regelrecht herzieht, auch.
Man schenkt sich nichts dabei, wenn man einander an den Kopf wirft, was man voneinander hält. Die Muster sind hüben wie drüben dieselben. Gleich, ob sich die FPÖ-oder ÖVP-Parteigänger über die SPÖ oder die Neos oder die Grünen auslassen, oder ob die SPÖ-und Neos-Parteigänger oder die Grünen die FPÖ und die ÖVP abkanzeln.Die einen sehen die anderen nur als rückständig und aus der Zeit gefallen - und wenn sie ganz böse sind, als Nazis. Und die anderen sehen die Gegenseite wiederum nur als "linke Asseln", die den Staat nichts als ausnutzen wollen, die alles geschenkt haben wollen, aber möglichst nichts leisten wollen dafür. Aber nicht alleine das -mitreden wollen sie dann auch noch, aber keine Ahnung haben, wo alles herkommt, schwingt dann immer eine große Portion Empörung mit.
"Ich habe mir nicht gedacht, dass du auch so eine/r bist", kommt es dann oft sehr schnell und scharf, wenn man anderer Meinung ist als das Gegenüber. "Das mag ich nicht, das halte ich nicht aus", wird man sofort ins Eck gestellt. Ohne Diskussionen, und immer irgendwie wie knapp vor der Exekution. Reden darüber, diskutieren gar? Ist nicht. Das geht oft auch nicht mehr. Zu verfahren scheint der Karren. Man mag gar nicht mehr die Argumente der anderen hören.
Es ist fraglos gut, eine klare Meinung zu haben. Das entschuldigt aber nicht, wie man oft umgeht damit. In der aktuellen Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" findet sich in einem Essay zur Lage ein bemerkenswerter Satz, der dort zwar auf die Linke gemünzt ist, der aber für beide Seiten, oder wie man nun auch wieder immer öfter sagt, Lager, passt: "In den vergangenen Jahren hat sich im linken Spektrum eine Diskursmentalität ausgeprägt, die teilweise ins Autoritäre lappt", heißt es dort. Als Beispiel wird dann die "irreguläre Zuwanderung" genannt, bei der man sich leicht den Vorwurf einhandeln kann, ein Rassist zu sein, wenn man sie für problematisch halte. Wer nicht gendern wolle, werde als Frauenfeind beschimpft, und wer dann auch noch auf getrennte Toiletten besteht, als transphob.
Für die andere, die rechte Seite, sind jederzeit ähnliche Beispiele zu finden. Da ist jeder Migrant schnell ein Gauner, jeder Grünwähler ein "linker Träumer", und jeder SPÖ-Wähler ein Marxist, selbst wenn er nur gerne eine Lohnerhöhung hätte.
Die Diskussion um Geld für die Kleinkindbetreuung zu Hause ist geradezu exemplarisch dafür. Da geht nichts mehr, obwohl die Grundidee aus der politischen Mitte kommt und seinerzeit von einem ÖVP-Bürgermeister erstmals umgesetzt wurde. Heute ist diese Idee als "Herdprämie" punziert. Und die Punzierung sitzt. Unverrückbar. Wer dafür ist, kommt, wenn er nicht gerade der FPÖ anhängt, schnell auf den Scheiterhaufen. Das freilich auch, weil sich inzwischen FP-Politiker wie Dagmar Belakowitsch des Themas bemächtigt haben, die den Gegnern einer solchen Prämie vorwirft, dass es ihnen nur darum gehe, "die Kinder so schnell wie möglich fremd zu betreuen, um sie politisch indoktrinieren zu können".
Man hat nicht nur, man weiß es, bei diesem Thema verlernt, in der Sache zu diskutieren. Das hat auch damit zu tun, dass politische Parteien und Interessensverbände Themen und Positionen sofort okkupieren und in Schubladen stecken - und damit jeden Diskurs allzu oft unterbinden und regelrecht einfrieren.
Es wäre an der Zeit, nicht nur einen Gang, sondern zumindest zwei Gänge zurückzuschalten. Die Zeiten, in denen man allen Gegensätzen zum Trotz versuchte, mit der jeweils andere Seite zu reden oder gar Verständnis aufzubringen, waren nicht die schlechtesten. Österreich wurde groß damit.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen