Donnerstag, 20. Februar 2025

Sehnsucht nach Politik

Zuerst seit Monaten das Elend um die Bildung einer neuen Regierung, das immer noch kein Ende finden mag. Jetzt auch noch das Attentat von Villach. Und über allem ein irrlichtender Präsident in den USA, der mit dem Vorschlaghammer die Nachkriegsordnung zertrümmert und Europa in Unsicherheit und Hilflosigkeit stürzt. Es mag und mag nicht besser werden. Übersichtlicher schon gar nicht. Die Zeiten sind schlimm. Und zu allem Überfluss ist die politische Führung mit anderem beschäftigt als dem, was dieses Land jetzt bräuchte.

Da ist nichts zu sehen und zu hören, was Vertrauen geben könnte. Da gibt es keine Ideen und kaum gemeinsame Ziele. Und nichts, was Halt geben könnte. Und das nicht nur, weil man mit der Regierungsbildung nicht vorankommt.

Nichts spiegelt die Situation besser als der Auftritt des Innenministers am vergangenen Samstag in Villach. "Anlasslose Massenüberprüfungen" kündigte er dort an. Und mehr Befugnisse für die Polizei verlangte er. Das mag gut klingen in den Ohren vieler, zumal vor dem Hintergrund des grausamen Attentats -bloß, es ist nichts anderes als die Manifestation der Hilflosigkeit und auch der Ideenlosigkeit, das Problem wirklich in den Griff zu bekommen. Mit Worthülsen wie diesen, die rechtliche und faktische Gegebenheiten außer Acht lassen, reagiert man -in Abwandlungen freilich -seit Jahren in solchen Schockmomenten. Wirksame Fortschritte und erfolgreiche Maßnahmen sind freilich kaum je gefolgt.

Diesmal wird es nicht anders sein. Verfassungsrechtler warnen schon und der Beamtenapparat auch. Wie will man es schaffen 81.000 Menschen aus Syrien und Afghanistan, die in den vergangenen Jahren in Österreich Schutz suchten, zu überprüfen? Wie will man sie im Fall des Falles abschieben, wenn sie niemand nehmen will? Und gar nicht zu reden von denen, die sich gut integriert haben, von Leuten, wie jenem Syrer, der den Attentäter in Villach mit dem Auto niedergefahren hat, um noch mehr Unglück zu verhindern. Allein dieses Beispiel zeigt, wie problematisch es ist, jeden einfach unter Verdacht zu stellen, wie das viele gerne hätten. Ganz abgesehen davon -was kommt nach anlasslosen Massenüberprüfungen von Syrern und Afghanen? Welche Gruppen sind die nächsten?

Was da wegen Villach jetzt in Rede steht, ist, wie so vieles andere in der Politik in Österreich, keine Lösung, die angesichts der Größe und Komplexität des Problems Erfolg verspricht, sondern lediglich politische Kosmetik. Und das hat viel damit zu tun, dass man es selbst in solchen Notlagen kaum schafft zusammenzurücken, die Reihen zu schließen und gemeinsam vorzugehen. Selbst da geht es immer noch zuvorderst um den eigenen Vorteil, um die Schlagzeile und um den Sager, mit dem man glaubt, sich gegenüber den anderen profilieren zu können.

Das Muster ist nicht nur bei uns zu sehen. Auch Europa leidet darunter, dass die Politik und die handelnden Personen überfordert sind. In Deutschland sieht man das in diesen letzten Tagen vor den Bundestagswahlen in geradezu beklemmender Dimension. In Frankreich liefert Macron seit Jahren eine Hängepartie und in anderen Staaten ist es nicht viel anders und selbstredend auch nicht in der Europäischen Union. Trump führt diese Schwächen Europas gerade in diesen Tagen gnadenlos vor Augen.

Es ist nachvollziehbar, dass die Leute das nicht mehr wollen und dass Rechtspopulisten überall leichtes Spiel haben, auch wenn sie und ihre Forderungen um nichts weniger von Hilflosigkeit zeugen. Da nimmt nicht wunder, dass immer wieder vom "Multiorganversagen der Politik" die Rede ist und die Wähler in Umfragen den Politikerinnen und Politikern allenfalls die Note "vier minus" geben, wie jüngst bei einer Umfrage für Puls 4.

Man sehnt sich nach Führung und man sehnt sich nach Ruhe. Man will, dass die Politik Probleme gemeinsam angeht. Man mag es kaum glauben, aber diese Zeiten hat es auch bei uns gegeben. Bei allen Differenzen. Unvorstellbar heute, dass, wie seinerzeit im Vorfeld der EU-Volksabstimmung, der damalige Landwirtschaftsminister Fischler (VP) und Finanzminister Lacina (SP) gemeinsam bei Informationsveranstaltungen auftraten, um für die Sache, den EU-Beitritt, zu werben.

Damals ist man auch trotz aller Polit-Gefechte, die man sich lieferte, danach noch miteinander fortgegangen. Oft freilich auch, um gemeinsam zu trinken.

Vielleicht sollten das die Damen und Herren der Politik auch heute wieder tun. Zumindest ab und an.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. Februar 2025

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