Donnerstag, 6. Februar 2025

Der Tanz auf der Nase - und seine Folgen

Es gibt Sachen, da entfährt einem regelrecht "Sachen gibt's, die gibt's gar nicht". Die aber gibt es, wir wissen es, zuhauf. Und man staunt dennoch immer wieder. Wie etwa, vielleicht haben Sie es auch gelesen, bei der Meldung "Gerichtsstreit: Mann will als Frau früher in Pension gehen", die vor ein paar Wochen durch die Medien ging. Ein 1962 geborener Wiener änderte sein Geschlecht im "Zentralen Personenstandsregister", meldeten die Zeitungen, "und pocht jetzt auf das für Frauen niedrigere Pensionsalter". Und das ganz ohne sich die im Falle einer solchen beabsichtigten Transformation verlangte Psychooder Hormontherapie antun zu wollen und auch ohne sonst äußere Zeichen der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht zu zeigen. Der gute Mann ist offenbar hartnäckig. Nachdem die PVA den Antrag ablehnte, bekam er vom Arbeits-und Sozialgericht recht. Dieser Spruch wiederum wurde dann vom Oberlandesgericht Wien aufgehoben. Lange Rede, kurzer Sinn -der Fall ist inzwischen beim Obersten Gerichtshof und hat da und dort Spekulationen ausgelöst, was an dem Fall noch alles dranhängen könnte. Etwa, wie das bei der Wehrpflicht wäre, beim Bundesdienst, in dem man ein Frauenförderungsgebot kennt, oder in Aufsichtsräten börsenotierter Unternehmen, wo es eine Frauen-Quote gibt.

Man staunt und schüttelt den Kopf.

Sachen, die es gar nicht gibt, sorgten dieser Tage auch in Oberösterreich für fette Schlagzeilen. Ein Brüdertrio -13,14 und 17 Jahre alt -verbreitet dort als "Schrecken der Autohäuser" Angst, bricht ein, stiehlt und zerstört Autos, überfällt Trafiken und hat auch sonst allerlei Sachbeschädigungen auf dem Kerbholz. Man kennt die Burschen, man weiß, wo sie leben, man weiß, dass sie reihenweise Straftaten begehen, man wird ihrer auch habhaft -aber man kann sie nicht belangen. Der Jüngste, weil er noch nicht strafmündig ist, und die beiden Älteren, weil ihnen ein Gutachten "verzögerte Reife" attestiert. "Anstatt die jugendlichen Serienkriminellen einzusperren, kann die Polizei sie nach der Tat nur zurück in ihre Betreuungseinrichtungen chauffieren", heißt es in den Zeitungen.

Man staunt und schüttelt den Kopf.

Die beiden Fälle sind freilich nicht die einzigen. Der Bogen reicht bis hin zu den nunmehr an den Flaschen fixierten Schraubverschlüssen bei PET-Flaschen, zu allerlei EU-Verordnungen, bis hin zu René Benko, der der Justiz jahrelang die lange Nase zeigen konnte. Und das alles und noch viel mehr, obwohl wir -und mit uns eigentlich die ganze Welt -über Überregulierung und Bürokratie jammern und klagen. Dennoch gibt es immer wieder erstaunliche Schlupflöcher in dem System, in dem wir leben, und erstaunliche Volten. Sie lösen bei der Bevölkerung nicht nur Staunen, sondern immer öfter auch Wut aus. Verstehen mag das kaum noch jemand.

All die Regeln, Gesetze und Vorschriften, die der Gesellschaft längst Qual und Hemmschuh sind, haben offenbar nicht gereicht, um all das zu verhindern. Und all die Bürokratie schon gar nicht, die oft nicht viel mehr als Selbstzweck zu sein scheint. Ersonnen von Leuten, die in ihren Kämmerchen offenbar oft nichts anders im Sinn haben, als sich die Beschäftigung zu sichern.

Da nimmt nicht wunder, dass sich viele fragen, wo wir hingekommen sind, dass man Grenzen verlangt, dass viele nach Law and Order rufen und nach einem stärkeren Durchgreifen.

Der Apparat -und damit auch die Gesellschaft - ist offenbar überfordert mit all den Vorschriften, die er selbst gemacht hat, um möglichst alles und jedes zu berücksichtigen, um das Leben und seine Gefahren, Unwägbarkeiten und Unstetigkeiten, die das Leben auf allen Ebenen mit sich bringt, in Buchstabenform zu bringen. Längst stellt man sich damit selbst in Frage. Die Gesellschaft wird damit nicht mehr Herr ihrer selbst.

Dieser Weg erzeugt längst Widerstand. Und nicht nur das. Er bereitet das Land auch auf für all die Simplifizierer und all die Kickls und Weidels, die so wie der argentinische Präsident Milei mit der Kettensäge zum politischen Erfolg kommen wollen, oder wie Donald Trump und Elon Musk, indem sie sich über alle Konventionen, nur auf den eigenen Vorteil bedacht, hinwegsetzen. Und das immer rücksichtsloser und ohne lange Rechtfertigung.

Sie können sich des Zuspruchs dennoch sicher sein -auch weil Leute wie der Wiener, der als Frau in Pension gehen möchte, oder drei junge Burschen oder auch Benko allen so auf der Nase herumtanzen können.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. Februar 2025

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