Freitag, 7. Februar 2025

„Uns fehlen schlicht die Leute“

Der Österreicher Thomas Brunner führt in der Ukraine eine Landwirtschaft mit 1200 Hektar und 5500 Schweinen. Bei der Mitarbeitersuche tue er sich selbst als kritische Infrastruktur schwer.

Hans Gmeiner 

Salzburg. „Zum Glück sind wir zu 95 Prozent fertig, so ist die Auswirkung überschaubar.“ Thomas Brunner, Agrarunternehmer aus Oberösterreich, der seit mehr als 20 Jahren in der Ukraine lebt und eine Landwirtschaft betreibt, hat Glück gehabt. Dass US-Präsident Trump die Auslandshilfen für Projekte weltweit eingefroren und Mittel gesperrt hat, trifft ihn nicht mehr. Das Futtersiloprojekt samt Futtermischanlage, das er seit dem Vorjahr auf seinem Betrieb mit Schweinehaltung und Ackerbau 250 Kilometer südöstlich von Kiew mit Mitteln aus dem US-Hilfsprogramm für die Ukraine verwirklichte, ist so gut wie fertig. Die Silos sichern nicht nur für Brunners Betrieb, sondern auch Landwirtschaften in der Umgebung die Versorgung mit Futter.

Ein Lichtblick für die Ukraine in immer härteren Zeiten. „Das vergangene Jahr war anstrengend.“ Sein Betrieb entwickle sich „eigentlich gut“, sagt Brunner. Die Situation sei dennoch schwierig, „man muss viele Abstriche machen“. Kriegsmüdigkeit mache sich breit. Man erlebe „eine gewisse Ohnmacht“. Bestimmte Dinge ließen sich kaum mehr steuern, etwa das Personalproblem. „Die Leute werden einfach zum Militär eingezogen“, erzählt Brunner. Bisher hat ihm geholfen, dass sein Betrieb zur kritischen Infrastruktur zählt und wichtig für die Versorgung ist. Daher kann er auch Männer im wehrfähigen Alter zwischen 25 und 60 Jahren für jeweils ein halbes Jahr einstellen. „Das muss dann immer wieder erneuert werden.“ Eben das wird schwieriger. Seit einigen Monaten fahren Behörden und Militär einen schärferen Kurs. Lücken zwischen dem Auslaufen der alten und der Genehmigung der neuen Freistellung werden vom Militär genutzt, um die Männer einzuziehen.

„Die machen schnell Nägel mit Köpfen“, sagt Brunner. Das Erneuern der Freistellung im elektronischen System dauere in der Regel drei Tage, „genau in diesen drei Tagen wurden Leute von mir zur Stellungskommission bestellt und durften nicht mehr weg. Den Frauen wurde gesagt, sie sollen die Sachen bringen.“ Obwohl Brunner die Genehmigung nach drei Tagen vorlegen konnte, hieß es nur, „da kann man jetzt nichts mehr machen“.

Für seine Landwirtschaft ist das eine Herausforderung, „gut eingearbeitete Mitarbeiter sind nicht so einfach zu ersetzen“. Wenn plötzlich Leute in der Futtervorbereitung fehlen und man mit der Aufbereitung nicht nachkomme, habe man ein Problem. Damit ist Brunner nicht allein. Die Zeit der billigen Arbeitskräfte ist in der Ukraine vorbei, aber der Fokus verschiebe sich. Freistellungen, wie er sie für seinen Betrieb anbieten könne, seien wichtiger als das Gehalt, „trotzdem fehlen überall Leute. Viele verstecken sich, weil sie nicht an die Front wollen.“ Es gebe Firmen, bei denen von 50 Mitarbeitern zehn eingezogen worden seien, „die kamen einen Monat später in Särgen zurück“.

Auch in der Landwirtschaft hat sich das Umfeld geändert. Brunners Haupteinnahmequelle ist jetzt der Ackerbau, da habe es zum Glück gute Preise gegeben. Anders als bei der Schweineproduktion. Dort habe die Afrikanische Schweinepest den Markt aufgeräumt, sagt Brunner.

Insgesamt bewirtschaftet er mit 45 Mitarbeitern 1200 Hektar Land. In den Ställen stehen 5500 Schweine, davon 450 Zuchtsauen, die zum Teil aus Oberösterreich importiert werden. Nach wie vor erzeugt Brunner unter der Marke Tomaso Prosciutto und Würste für den Kiewer Markt, „in kleinerem Rahmen“.

Insgesamt sei die Situation der Landwirtschaft heute eine andere als vor zwei Jahren, als zuerst die Bauern in den Nachbarländern der Ukraine und dann auch die Landwirte in Westeuropa auf die Straßen gingen. „Die Odessa-Häfen sind jetzt frei“, sagt Brunner. Seither habe man wieder Weltmarktpreise und das Getreide fließe über die alten Handelsströme vor allem nach Afrika und allenfalls nach Spanien.

An einen Rückzug aus der Ukraine denkt Brunner nicht. „Die Russen kommen nicht wirklich weiter“, übt er sich in dem Zweckoptimismus, den er überall im Land ortet. „Aber es wird nicht aufhören, wenn die Ukraine keine Garantien bekommt.“ Was Trump tun werde, sei schwer vorauszusehen, aber die Ukraine müsse in die Nato. Mehr Sorgen macht ihm, dass es in Kiew zu einem Umsturz durch prorussische Kräfte kommt und „irgendwelche Säuberungen anfangen“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Februar 2025

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