Das wird nichts mehr, und wenn, dann wird es nichts G'scheites mehr." Die Erwartungen, dass aus dem "Regierungsgebastel", wie es ein Kommentator dieser Tage nannte, noch etwas wird oder gar etwas G'scheites, werden rasant seltener. Österreich erlebt bange und auch beschämende Tage. Mit immer größerer Verärgerung schaut man zu, wie Volkspartei und Freiheitliche es nicht schaffen, eine Regierung zu bilden. Die Stimmung ist nicht nur bei manchen Parteigranden sondern auch bei den VP-Parteigängern am Kippen. "Sag mir, was ich machen kann, damit das nicht kommt", ist inzwischen selbst von eingefleischten Parteimitgliedern zu hören. Sogar der Wirtschaftsbund warnt mittlerweile vor einer Festung Österreich und Wirtschaftskammerboss Mahrer ist voller Bedenken. Auch rundherum wird der Druck auf die ÖVP stärker. Die Warnungen nehmen zu und werden lauter, die Häme auch.
Es zeichne sich allenfalls eine
"Koalition zweier Partner ab, die sich möglicherweise für die gesamte
Dauer der Zusammenarbeit spinnefeind gegenüberstehen", schreibt der
Chefredakteur der "Presse". Eine "Verlängerung des Elends"
befürchtet sein Kollege vom "Standard". Und Anneliese Roher, Doyenne
der heimischen Politik-Journalisten, schreibt, "verwunderlich" sei,
dass die ÖVP nach den Ereignissen der vorigen Woche "überhaupt noch"
an eine mögliche Zusammenarbeit mit der FPÖ denke. Die ÖVP, die
"angebliche Partei des Hausverstands", sehe nicht, dass bei der
Verachtung der Freiheitlichen für sie "eine gedeihliche Regierungsarbeit
einfach nicht möglich sein wird". Kurzum -"diese innenpolitische
Quälerei sollte ein Ende haben".
Ganz abgesehen von diesen Einschätzungen und Forderungen und den Motiven, die dahinter stehen mögen - es ist immer noch nichts Rechtes zu sehen, was da das Land weiterbringen könnte mit einer großen Koalition. 150 km/h auf der Autobahn sind es wohl nicht. Und auch nicht, dass man die ORF-Haushaltsabgabe abschaffen oder Kinder bereits mit zwölf Jahren für strafmündig erklären will, oder, wie auch zu lesen ist, an eine Staatsbürgerschaft für Südtiroler denkt. Und da ist noch gar keine Rede von den wirklich schwerwiegenden Brocken wie der geplanten Kehrtwende in der Klimapolitik oder beim Skyshield, Bösartigkeiten wie die medizinischen Leistungen für Migranten zu kürzen oder so peinlichen Ideen, wie an den Unis nur mehr Abschlussarbeiten auf Deutsch zuzulassen. Das geleakte Verhandlungspapier ist voll von Vorschlägen ähnlicher Qualität. Und nicht nur das. Viele sehen darin den Plan für einen Radikalumbau der Republik.
Kann es das wirklich sein, was da auf
das Land zukommen soll? "Bullshit-Politik" nennen manche das und es
ist ihnen recht zu geben.
Antworten und Ideen für die großen
Themen, die das Land plagen und hinunterziehen, indes sind kaum zu erkennen,
nicht einmal strukturelle Anpassungen. Zu sehr scheint man mit dem Einlösen von
politischem Kleingeld beschäftigt. Gut, die Senkung der Lohnnebenkosten ist
offenbar ein Thema und auch die Schaffung von Anreizen für die Mehrarbeit. Aber
was ist mit einer großen Pensionsreform? Einer Gesundheitsreform? Einer Reform
des Bildungswesens? Oder des Föderalismus? Wie soll man die überbordenden
Sozialausgaben in den Griff bekommen? Und, das vor allem -wie will man
Österreich voranbringen?
Die Verhandlungen ziehen sich nicht nur
- ihnen fehlt offenbar auch jede Perspektive. Es ist nichts von großen Zielen
zu erkennen, die man erreichen will, von einer Richtung, in die es gehen soll.
Nichts von einer Vision. Es fehlt der Plan, es gibt keine Ziele. Keine
Leuchttürme, keine Visionen. Eine "Festung Österreich", wie das die
FPÖ will, kann es wohl nicht sein. Und darf es auch nicht sein.
Österreich hat großen Handlungsbedarf.
Da sollte man sich keine Politspielereien mehr leisten. Die waren schon in den
vergangenen Jahren wesentlicher Grund dafür, dass das Land jetzt so dasteht,
wie es dasteht. Österreich braucht Schwung und Aufbruch -und nicht weitere
Jahre der Lähmung.
Die handelnden Personen, vor allem die
in der ÖVP, sind nicht zu beneiden. Sie haben, bei Licht betrachtet, nur die
Wahl inzwischen Pest und Cholera. Nichts anderes sind für sie eine Koalition
mit der FPÖ oder ein Aufstehen vom Verhandlungstisch mit all seinen
Folgen.
Freilich -zu verantworten hat man die
Situation selbst. Zu groß sind die Versäumnisse der vergangenen Jahre gewesen.
Zu oft hat man sich in die eigene Tasche gelogen. Und zu oft ist es um die
eigene Machterhaltung und nicht um gute, wirksame und zielführende Politik
gegangen. Die Partei steht jetzt am Endpunkt einer Entwicklung, die über Jahre
ging -und der man nichts entgegenzusetzen hatte. Und das auch gar nicht wollte.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13. Jänner 2025
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