Donnerstag, 30. Oktober 2025

Streit um Zölle trifft die Bauern

Seit US-Präsident Donald Trump, aber auch die EU und China Politik mit Zöllen machen, bleibt in der Landwirtschaft kein Stein mehr auf dem anderen.

Hans Gmeiner

Salzburg Für Hans Schlederer, Chef der oberösterreichischen Schweinebörse, ist die Sache klar. „Die Schweinebauern zahlen aktuell die Zeche für die europäischen Autobauer“, sagt er. Als die EU vor Jahresfrist die Importzölle für E-Autos aus China um 25 Prozent anhob, bremste Peking zunächst mit Anti-Dumping-Untersuchungen die Schweinefleischimporte aus Europa. Anfang September dieses Jahres war dann endgültig Schluss mit lustig. Nach langem Hin und Her wurden die Einfuhrzölle für Schweinefleisch aus Europa auf zwischen 20 und 62 Prozent angehoben.

Seither ist bei den Schweinebauern Feuer am Dach. Die Exporte nach China – sie machten zuletzt mit einem jährlichen Volumen von 1,5 Millionen Tonnen gut ein Drittel der Schweinefleischexporte der EU aus – sind de facto eingestellt. Innerhalb weniger Wochen kippte der im Herbst ohnehin stark versorgte Schweinefleischmarkt und die Preise für die Bauern sind seither auf Talfahrt.

Der Schweinemarkt ist nicht der einzige Agrarmarkt, auf dem die internationalen Krisen und vor allem die Zollstreitigkeiten alles durcheinanderwirbeln. Die Marktverwerfungen sind massiv. Die Märkte insbesondere für Soja, Mais, Getreide, aber auch für Düngemittel sind dabei, sich neu zu ordnen. Die europäischen Bauern könnten dabei besonders unter Druck kommen, befürchtet man.

US-Bauern als Verlierer, obwohl sie treue Trump-Wähler sind

Die Probleme sind vielschichtig. War es zunächst der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der die Märkte durcheinanderbrachte, so geht es jetzt um Zölle, mit denen vor allem US-Präsident Trump, aber nicht nur er, Politik macht. Zuletzt waren es ausgerechnet die ohnehin seit Jahren von Einkommensverlusten gebeutelten US-Farmer, treue Trump-Wähler, die besonders unter Trumps Zollfuror zu leiden hatten. Seit sich der US-Präsident mit China anlegte und die Einfuhrzölle für China-Ware kräftig anhob, kauft Peking kein Kilogramm Soja mehr aus den USA. Dabei ist Soja mit großem Abstand wichtigstes Agrarexportgut der USA.

In den vergangenen Jahren gingen bis zu 60 Prozent der Sojabohnenexporte nach China. Nun rechnet man damit, dass Trump und der chinesische Staatschef Xi Jinping noch in dieser Woche ein Abkommen unterzeichnen und die US-Farmer wieder Sojabohnen nach China liefern können. China versorgte sich zuletzt aus Brasilien und aus Argentinien. Die US-Farmer freilich mussten sich neue Abnehmer suchen. Das machte vor allem Sojabauern in Europa nervös. Sie fürchteten wachsenden Preisdruck. „Die Ware ist billig“, sagt Helmut Feitzlmayr, Marktexperte der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Das hat freilich zwei Seiten. „Das trifft die Sojabauern, freut aber die Schweinebauern, weil Sojaschrot für die Fütterung billiger wird.“

Zölle treffen Käse und Wein

Für Unsicherheit sorgt auch das Zollabkommen, das die EU mit US-Präsident Trump im Sommer abschloss. Die EU gestand dabei den USA zollfreie Importkontingente für Schweinefleisch, Milchprodukte, Sojaöl, Lebensmittelzubereitungen und viele andere Produkte im Wert von insgesamt 7,5 Mrd. Euro zu. Aber nicht nur das. Die EU akzeptierte für Agrarprodukte und Lebensmittel auch einen US-Pauschalzoll von 15 Prozent. Besonders betroffen davon sind vor allem Käse, aber auch Wein.

Auf Sturm stehen die Zeichen auch auf den Düngermärkten, seit die EU mit Juli Strafzölle für Düngerimporte aus Russland einführte. Wie auf dem Schweinefleischmarkt zahlen auch da die Bauern die Zeche für eine Maßnahme, die insbesondere von der europäischen Düngerindustrie gefordert wurde. Während dadurch mineralischer Dünger für die europäischen Bauern empfindlich teurer wird, verkauft Russland Berichten zufolge etwa Harnstoff statt nach Europa nun – zollfrei – in die USA. Für die europäischen Bauern, auf die mit Beginn 2026 auch eine CO₂-Steuer auf Dünger zukommt, bedeutet das, dass sich ihre internationale Wettbewerbsposition auf den Getreide- und Maismärkten wegen der höheren Kosten verschlechtert, für die US-Farmer aber verbessert.

Gute Ernten, schlechte Preise


Doch damit nicht genug. Noch nicht ausgestanden ist für die europäische Landwirtschaft auch das Thema Mercosur-Abkommen, das die EU mit südamerikanischen Staaten wie Brasilien und Argentinien abschließen will. Die Bauern, vor allem in Frankreich und in Österreich, befürchten, dass dadurch der Druck auf die Preise bei Rindfleisch, aber auch bei Zucker und einer Reihe anderer Produkte stark steigen wird.

Neben allem haben die Landwirte vor allem auf den Getreidemärkten und bei Mais heuer mit miserablen Preisen zu kämpfen. Bei Weizen werden aus allen Teilen der Welt Rekordernten gemeldet. Bei Mais ist es nicht anders, obwohl heuer vor allem die osteuropäischen Länder schlechte Ernten hatten. Die Preise sind im Keller. Für Trockenmais bekommen die Bauern 160 bis 170 Euro je Tonne, für Nassmais mit 30 Prozent Feuchtigkeit nur 80 Euro je Tonne. „Das ist so wenig wie schon lange nicht mehr“, sagt Feitzlmayr. „Aber damals waren die Preise für Dünger und Pflanzenschutzmittel noch deutlich niedriger.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 30. Oktober 2025

Mit Steilvorlagen ins Aus

Der vergangene Sonntag verlief für Herbert Kickl etwas anders als sonst seine Sonntage verlaufen. War ja der Staatsfeiertag. Da verteilte der Obmann der Freiheitlichen Partei auf dem Neutralitätsfest seiner Partei in Wien Gulasch. Normalerweise wünscht er per Selfie in sportlicher Montur und verschwitztem Gesicht auf seinen Social Media-Kanälen -Kickl hat alleine auf Facebook, X und Instagram mehr als 465.000 Follower und damit ein Vielfaches seiner Konkurrenten - einen schönen Sonntag aus irgendeiner Bergwand in Österreich.

Mehr braucht er derzeit nicht zu tun. Es läuft für ihn, wie es besser nicht laufen könnte. Kickl kann es sich leisten, nur Sonntagswünsche auszuschicken. Die Umfragen weisen ihm derzeit 38 Prozent aus, die wohl bald 40 sein werden. Die anderen Parteien müssen sich indes vorwiegend mit Themen abstrudeln, die er angezettelt hat -von stärkerem Grenzschutz über Ausweisungen von Syrern und Afghanen und Kopftuchverbot, Stromkosten und Inflation natürlich bis hin zur Brüsseler Politik, an der Kickl auch genug auszusetzen findet.

Und sie machen dabei keine gute Figur, sondern vermitteln Tag für Tag überall eher das Gefühl, überfordert zu sein und nichts weiterzubringen. Das spiegeln die Umfragen wider. Die Kanzlerpartei ÖVP hat Mühe, sich über 20 Prozent zu halten, die Babler-SPÖ schafft selbst das nicht.

Das nimmt nicht wunder. Zum einen hecheln sie Kickls Themen, wie etwa beim Kopftuchverbot, hinterher, während die Karawane längst weitergezogen ist und andere Themen die öffentliche Diskussion beherrschen. Und zum anderen liefern sie der FPÖ Woche für Woche wie zur Bestätigung der Vorwürfe, die von der FPÖ kommen, neue Steilvorlagen wie den Fall Wöginger oder jüngst den tragischen Fall einer 55-jährigen Mutter in Oberösterreich, die mit einem Aorta-Einriss in keinem Spital aufgenommen wurde.

Eine Steilvorlage sind in nämlichem Bundesland auch die Zustände im Leit-Spital, das im Eigentum des Landes steht. Dort wurde jüngst die Zahl der Operationen kurzfristig drastisch eingeschränkt, weil es an Personal fehlt. Obwohl die Zuspitzung angeblich länger bekannt war, fiel der VP-Gesundheitslandesrätin nicht viel mehr ein als ein "Ich verstehe den großen Unmut und die Sorge der Betroffenen".

Da verwundert, mit Verlaub, nichts mehr. Kickl und seine FPÖ können, was andere nicht können. Sie sind bei den Leuten und können Themen machen und diese zuspitzen. Die Botschaften sind klar. Man versteht es, Finger in Wunden zu legen, man hat ein Gespür dafür, was die Leute beschäftigt, das andere nicht haben, auch weil sie zu sehr in der Verantwortung und in Parteiinteressen verstrickt sind. Die Freiheitlichen bringen Fragen, die die anderen Parteien, zumal solche in Regierungsverantwortung, nicht bringen, weil sie ihnen nicht in den Kram passen und sie sich selbst nur schaden würden damit.

Die FPÖ versteht es, den Leuten die Gefühle der Menschen zu bestätigen und für sich zu nutzen. Es ist Oppositionspolitik, ohne Verantwortung, aber perfekt gespielt. Der Bürgermeister der Stadt Wels, dem immer wieder eine große Zukunft in der FPÖ vorausgesagt wird, lieferte kürzlich in einem Interview in den OÖ Nachrichten ein eindrückliches Beispiel dafür. "Veränderung ist mit den aktuellen Regierungsparteien nicht möglich", sagte er da. Es gehe immer "in erster Linie darum, die eigenen Freunde und Privilegien abzusichern. Aktuell gehe Wohlstand verloren in Österreich, "die Menschen spüren das". Warum gerade die Pensionisten die Gruppe sei, die draufzahlen sollte, verstehe er nicht und schlägt eine Kürzung des Förderungsvolumens auf das Niveau von 2019 vor, mit dem man 20 Milliarden Euro einsparen könnte.

Sätze sind das, die viele in diesem Land unterschreiben, gegen die man kaum argumentieren kann, die aber von Parteien in Regierungsverantwortung nicht kommen können. Nicht nur, weil man sich selbst beschädigen würde, zumal dann, wenn man keine besseren Ideen hat, wenn man an Altem festhält oder mit der Verteidigung der Vergangenheit zu tun hat, sondern auch, weil man keine Geschichte und keine Vision für die Zukunft zusammenbringt.

Für die Gegner Kickls ist das ein Teufelskreis. Ein Rezept haben sie bisher nicht gefunden. Nachahmen ist jedenfalls keines. Und von einem Befreiungsschlag ist nirgendwo etwas zu sehen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30 Oktober 2025 

Donnerstag, 23. Oktober 2025

Leere Rituale - böse Folgen

Österreich hat ein veritables Problem mit wachsendem Antisemitismus. Seit Jahren - und nicht erst seit der mörderischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Das Problem ist kaum je kleiner geworden, sondern wuchs stetig weiter, zuletzt sprunghaft. Dabei hatte es nie am Engagement gefehlt, gegen den Antisemitismus anzukämpfen. Legion sind die Fernsehdiskussion, die Artikel, die Bücher, die Demonstrationen, die Protestaktionen und die Filme, die gemacht wurden. Was wurde nicht alles an Aufklärungsarbeit geleistet. Immer im ernsten und ernsthaften Bemühen. Oft großartig sogar und immer redlich. Die Argumente hätten überzeugender nicht sein können und auch nicht einleuchtender. Und dennoch ist der Kampf gegen den Antisemitismus in Österreich wohl eher eine Geschichte des Scheiterns, zumal jener in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Die Argumente verfingen nicht, gingen ins Leere, bewirkten oft sogar das genaue Gegenteil dessen, was sie intendierten. Leerlauf im besten Fall. Und Verhärtung im Schlechtesten.

Bei anderen Themen läuft es nicht anders. Das Ringen um Frauenrechte und Emanzipation zählt dazu, der Kampf gegen den neuen Faschismus, der in allen extrem rechten Parteien mehr oder weniger deutlich durchschimmert, oder die Bemühungen, für Flüchtende und Migration Verständnis zu finden. Nichts scheint zu verfangen, oft scheinen sich die Bemühungen ins Gegenteil zu verkehren. Auch das alles Geschichten des Scheiterns. Oft nicht mehr als leere Rituale.

All dieses ständige Scheitern freilich hat nie dazu bewogen, die Strategie zu ändern. Nirgendwo. Immer wieder die gleichen Argumente, immer wieder die gleiche Strategie, immer wieder rennt man mit den gleichen Methoden gegen das an, was man verurteilt -ohne je danach zu fragen, warum man keinen Erfolg hat und schon gar nicht, was man ändern und anderes machen könnte, um doch zu Erfolg zu kommen. Um das zu erreichen, was man will -wenn es um Antisemitismus geht, um das Aufkommen der neuen Rechten oder um Migration oder um Frauenrechte.

Das mag mit vielem zu tun haben. Es hat aber auch, und das mag man gar nicht wahrnehmen, sehr viel damit zu tun, dass man die Menschen, die man überzeugen will von den eigenen Ansichten, kaum je versucht zu verstehen. Man will ihnen, so der Eindruck, gar nicht zuhören und scheint sich stattdessen sehr viel lieber in oft eitler Selbstzufriedenheit ergehen zu wollen, als wirklich zu Erfolgen zu kommen. Man hat ja die Wahrheit gepachtet und die Moral auf seiner Seite. Ist halt einfacher so. Das hat auch viel mit intellektueller Arroganz und Hochnäsigkeit zu tun und viel damit, dass man sich mit Leuten, die solchen Einstellungen anhängen, nicht einlassen mag.

Das macht es schwierig, zumal dann, wenn man erkennen muss, dass diese Leute, was die Ablehnung und Einschätzung ihres Gegenübers betrifft, durchaus oft aus ähnlichem Holz geschnitzt sind wie man selbst. Von sich und ihrer Meinung und Einstellung fest überzeugt, und überzeugt davon, dass das Gegenüber völlig falsch liegt, ja nachgerade ein schlechter Mensch ist. Hochnäsig auch und herablassend.

Dieses Muster ist längst überall zu finden. Und der Riss durch die Gesellschaft ist kaum mehr zu übersehen und noch weit weniger zu überbrücken.

Daran leiden wir. Kaum jemand schaut noch über den eigenen Tellerrand hinaus oder ist, wie man heute wohl sagt, willens, seine eigene Blase zu verlassen, verschafft die ihm doch täglich Selbstbestätigung, ohne sich lange mit der Welt draußen, mit anderen Ansichten und Einschätzungen gar, auseinandersetzen zu müssen.

Man versucht gar nicht mehr zueinander zu finden und auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Es gibt keine Gespräche mehr, sondern allenfalls einen Austausch von Argumenten. Ritualisiert und leer. Das gilt im Privaten und erst recht in der Politik, von der kaum mehr Substanzielles, gar schon Substanzielles über die Parteigrenzen hinweg, kommt, sondern nur mehr PR-Botschaften für die eigene Klientel. Und gar keine Rede davon, den anderen zu akzeptieren.

Und nicht anders ist es mit den Bemühungen um die großen, eingangs zitierten Themen. Warum sich dann auch mit dem Gegenüber ernsthaft auseinandersetzen? Warum ihm zuhören? Warum auf ihn eingehen? Wo man doch die Wahrheit gepachtet hat. Gleich auf welcher Seite man steht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. Oktober 2025

Montag, 20. Oktober 2025

Ernte gut, aber nicht alles gut

Das Wetter war heuer den Bauern meist hold. Sie dürfen sich über durchwegs gute Ernten freuen. Doch die Freude über die hohen Erträge ist nicht ganz ungetrübt.

Hans Gmeiner

In diesen Tagen herrscht noch einmal Hochbetrieb bei den heimischen Ackerbauern. Die Maisfelder werden abgedroschen, die Zuckerrüben geerntet und die letzten Erdäpfel aus dem Boden geholt. Die Kürbisfelder sind abgeerntet und in den Obstanlagen werden die letzten Äpfel von den Bäumen gepflückt. Die Erträge sind meist gut wie schon lange nicht, die Preise aber lassen oft zu wünschen übrig. Vor allem die Ackerbauern sind unter Druck. Nachdem schon im Vorjahr das Einkommensniveau um gut 20 Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre lag, ist heuer kaum mit einer Verbesserung zu rechnen. „Die finanzielle Situation bleibt angespannt und drückt spürbar auf die Stimmung in der Branche“, sagt Franz Waldenberger, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, einer der wichtigsten Ackerbauregionen.

Den Ackerbauern bleibt trotz der guten Erträge heuer vor allem bei Weizen und Gerste um rund ein Drittel weniger als voriges Jahr. Bei Mais ist es ähnlich, wenn man sich auf der Warenterminbörse nicht bereits im Winter einen damals im Vergleich zu heute noch einigermaßen guten Preis sicherte. Während die Kosten für Dünger und Pflanzenschutzmittel unvermindert in die Höhe kletterten, rutschten die Preise für die Feldfrüchte weiter ab.

Mit rund 190 Euro je Tonne erhielten die Ackerbauern weniger für Mahlweizen als vor den Krisenjahren ab 2020. „Die Inflation betrug seither über 30 Prozent“, rechnet Waldenberger vor. „Im Klartext bedeutet das, dass der Weizenpreis real um gut ein Drittel gesunken ist – und das bei massiv gestiegenen Preisen für Betriebsmittel“, sagt er auch in Richtung all jener, die die Bauern für Preissteigerungen bei Brot, Gebäck, Nudeln und Backwaren verantwortlich machen.

Lag der Deckungsbeitrag bei Weizen, der Erlös, der den Bauern nach Abzug der Kosten bleibt, in Oberösterreich im Vorjahr schon bei mageren 550 Euro pro Hektar, so sind es heuer keine 400 Euro. Bei Futtergerste ist der Rückgang noch dramatischer. Bei dieser Getreideart blieben heuer den Bauern kaum mehr als 200 Euro. Unter Druck sind auch die Deckungsbeiträge bei Mais und Zuckerrüben. Einzig bei Raps und Sojabohne kam man mit einem blauen Auge davon.

Da überrascht es nicht, dass Waldenberger und Helmut Feitzlmayr, Leiter der Abteilung Pflanzenbau in der Landwirtschaftskammer OÖ, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirte zunehmend gefährdet sehen. „Die Kosten sind in der EU deutlich stärker gestiegen als bei internationalen Mitbewerbern.“ Sorgen macht vor allem die Einführung von CO2-Grenzausgleichsmaßnahmen bei Importen, die Dünger noch weiter verteuern werden. „Dabei liegen die Düngerpreise etwa in den USA, aber auch in Russland, die auf den internationalen Märkten den Ton angeben, schon jetzt um 50 bis 70 Prozent niedriger als bei uns, wo die Düngerkosten gut ein Drittel der Gesamtkosten ausmachen.“ Dazu kämen auch immer restriktivere Vorschriften beim Pflanzenschutz, bei dem den Bauern inzwischen ganze Wirkstoffgruppen fehlen, die ihre Konkurrenten auf dem Weltmarkt zur Verfügung haben.

Nicht ganz so angespannt ist die Situation bei den Kartoffelbauern, die vor allem in Niederösterreich daheim sind. Mit den Ernteerträgen zeigt man sich, auch wenn es regional teils deutliche Unterschiede gibt, heuer alles in allem zufrieden. „Wir können heuer den heimischen Markt erstmals seit zwei Jahren wieder selbst versorgen“, sagt Anita Kamptner von den niederösterreichischen Erdäpfelbauern. Dass die Preise wegen der Rekordernte in Deutschland, wo man nach einer Jahrhunderternte bereits von einer „Kartoffel-Schwemme“ spricht, unter Druck kommen werden, befürchtet sie nicht. „Der Erdäpfelmarkt ist ein sehr regional geprägter Markt“, sagt Kamptner.

Gelassen können auch die Bauern bleiben, die in anderen Sparten tätig sind. Bei Wein etwa sprechen die Winzer heuer von einem guten Jahrgang. Und auch die heimischen Apfelbauern können zufrieden sein. Die Frostschäden hielten sich heuer in Grenzen, die Ernte fiel mit rund 200.000 Tonnen deutlich besser aus als im Jahr davor. Und dass kürzlich die heimische Verarbeitungsindustrie angesichts der schlechten Ernte in den wichtigsten Obstgebieten Europas klagte, wird für die heimischen Obstbauern nicht von Schaden sein.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 20. Oktober 2025

Donnerstag, 16. Oktober 2025

Darüber reden, um nicht mehr darüber zu reden

Österreich hadert in diesen Tagen mit der Justiz und der Rechtsordnung. Zuerst der Freispruch für die zehn jungen Burschen, die sich an einer Zwölfjährigen vergingen. Dann in der Vorwoche das Diversionsurteil für August Wöginger, das von vielen als allzu billig gesehen wird. Und dazwischen Fälle wie jener der zwei Buben in Oberösterreich, die mit der Polizei ungestraft Katz und Maus spielen können, oder wie der Fall "Waltraud". Das ist der Fall jenes ehemaligen Wiener Stundenhotelbetreibers, der zuerst das Geschlecht wechseln wollte, um als Frau um vier Jahre früher in Pension gehen zu können und der es mit eben diesem Vorhaben zuletzt darauf anlegte, in einem Frauengefängnis unterzukommen.

Und dabei begann in dieser Woche erst der größte Prozess, der wohl auch für viel Aufsehen sorgen wird - Rene Benko steht vor Gericht. Und alle, die schon jetzt von Zweifeln geplagt werden, werden wohl ganz genau hinschauen.

Die Gazetten sind voll und die Leserbriefspalten, an den Stammtischen und wo immer diskutiert wird, geht es rund. Das Unverständnis ist groß, die Aufregung auch. Viele können nicht nachvollziehen, wie die Justiz zu ihren Urteilen gekommen ist und wundern sich nur mehr, was in Österreich alles möglich ist.

Österreich hat damit ein heikles Thema auf dem Tisch. Ein sehr heikles. Eines, das man nicht haben sollte. Schon gar nicht in einer ohnehin so fragilen gesellschaftlichen Situation wie die, in die man in den vergangenen Jahren hingeraten ist. Daher muss man, auch wenn es als nicht statthaft gilt, über Justiz, Recht und Rechtsordnung reden. Ob man will oder nicht. Man muss darüber reden, damit darüber nicht mehr geredet wird.

Zu viel steht auf dem Spiel. Bei vielen Menschen wachsen die Sorgen um den Rechtsstaat, viele sind dabei, das Vertrauen in diesen zu verlieren. Viele werden damit in die Hände von Populisten und ihren Parteien getrieben, weil sie nicht nachvollziehen können, wie und warum Urteile zustande gekommen sind.

Es geht dabei nicht darum, dem Druck der Straße und populistischen Forderungen nachzugeben und Gesetze anzupassen. Aber es muss darum gehen, den Rechtsstaat, das Recht und die Justiz besser zu erklären. Es muss darum gehen, auch für die breite Bevölkerung und nicht nur für ein paar Spezialisten oder Fachkollegen, Urteile, Bescheide und alles Ähnliche nachvollziehbar zu machen. Die Justiz muss sich besser erklären, denn Recht muss auch verstanden werden. Das Thema ist heikel. Fraglos. Denn zu den Anforderungen gehört nicht nur, dass Recht gerecht ist, sondern wohl auch, dass die Menschen die Rechtsvorschriften verstehen und nachvollziehen können und dass sie nicht überfordert werden.

Das Eis ist freilich dünn, auf dem man sich da bewegen muss. Aber man darf sich nicht davor drücken. Darüber zu reden bedeutet ja nicht automatisch, den Stammtischen oder populistischen Politikern nachzugeben. Vielmehr gilt es Brücken zu bauen und Wege zu finden, die Entscheidungen von Gerichten nachvollziehbar und so wirklich unantastbar zu machen. Auch wenn das vielen als nicht opportun gelten mag. Aber Recht ist auch ein lebendiger Organismus. Und der verlangt Verantwortung.

Auf einem anderen Blatt steht die Rolle von Politikern und Anwälten, die in Verfahren nicht an Schweigepflichten und Ähnliches gebunden sind. Ligitations-PR ist zu einer eigenen Branche geworden, um bei prominenten Verfahren in der Öffentlichkeit Stimmung für Beklagte zu machen. Allzu oft widersteht man nicht der Versuchung, zu laufenden Verfahren Stellung nehmen, sich gar einzumischen oder gar Urteile abzugeben oder die Justiz zu kritisieren. Allzu oft sind sie es, die das Vertrauen in Justiz und Rechtsprechung und auch das Recht untergraben und zum Spielball von Politik und Medien machen.

Und auf einem dritten Blatt steht die Politik, die mit ihren Gesetzen das Feld für die Stimmung im Land aufbereitet, die jetzt Sorgen macht. Zu oft macht man es sich zu einfach und lagert die Verantwortung einfach aus auf Richter oder auch Beamte in Verwaltungsverfahren, weil man sich um die oft nötige Klarheit drückt.

Das Resultat finden immer mehr Menschen in diesem Land bedrückend. "Justitia", die Göttin der Gerechtigkeit, wird meist mit Augenbinde dargestellt, die die Unparteilichkeit des Rechts symbolisieren soll. In Österreich ist das gerade dabei anders interpretiert zu werden -als Blindheit vor der Realität.

Und das sollte nicht sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Oktober 2025

Freitag, 10. Oktober 2025

Leben in der Kuckucksuhr

Ganz Österreich wartet auf den großen Schub. Nicht erst seit Wochen oder Monaten, sondern seit Jahren. Die Politik bringt ihn nicht zusammen, weil die Politiker nichts zusammenbringen. Jedenfalls nicht das, was das Land braucht. Und auch die Wirtschaft bringt ihn nicht zusammen. Weil die Politik nichts zusammenbringt. Und auch, weil es an Grundsätzlichem fehlt. An Freude an Selbstständigkeit, am Gestalten. Daran, Verantwortung zu übernehmen. Darauf, etwas aufzubauen. Darauf, sich nicht auf andere und den Staat zu verlassen, sondern auf die eigenen Fähigkeiten. Daran, dass man sich etwas zutraut und daran, dass man sein Schicksal selbst in die Hände nehmen will. Kurzum -es fehlt immer öfter an dem, was man unter Unternehmergeist versteht. Der sei abhandengekommen, meinten erst kürzlich Ökonomen, Manager und Investoren, die sich vorgenommen haben, dem nicht mehr zuzuschauen. Sie wollen das Unternehmertum, sagen sie, "in der DNA verankern", in der Kultur des Landes ist damit gemeint.

Das könnte schwierig werden. Aber das weiß man längst in diesem Land, in dem gerade alles schwierig zu sein scheint. Unternehmer zu werden, gilt hierzulande alles andere als attraktiv. Nur magere 5,4 Prozent jener Österreicherinnen und Österreicher zwischen 18 und 64 Jahren, die bisher nicht unternehmerisch tätig waren, denken daran, in den nächsten drei Jahren ein Unternehmen zu gründen. Auch wenn sie im Job als durchaus ehrgeizig und ambitioniert gelten, wie ihnen Umfragen immer wieder bescheinigen. Geringer ist die Lust, sich selbstständig zu machen, nur in Polen. Und sie ist vor allem bei Start-ups weit entfernt von Ländern wie den Niederlanden und sogar Großbritannien. Dagegen wirkt Österreich eher, als liege es in Agonie.

Dabei spielen Jungunternehmen eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, das gesamtwirtschaftliche Potenzial der Volkswirtschaft zu fördern. Würde Österreich bei der Dynamik der Unternehmensgründungen zu den Niederlanden aufschließen, könnte das bis zu 26.000 Arbeitsplätze und ein Plus von zwölf Milliarden Euro beim Bruttoinlandsprodukt bringen, hat Eco Austria errechnet.

Aber damit schaut es nicht wirklich gut aus. Viele aus der Generation Z und viele Millennials haben zwar zu tun, ihre Lebenshaltungskosten zu decken, sind aber weit davon entfernt, eine Führungsposition anzustreben oder gar ein Unternehmen zu gründen. Das will man sich dann doch nicht antun. Was nicht wunder nimmt, wenn man von der Einstellung hört, die in den Köpfen der jungen Leute dominiert. Man hält schlicht nur wenig von Unternehmen und gesteht ihnen keinen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu. Und damit nicht genug. Wenn stimmt, was die Agenda Austria ermittelte, weiß man auch gar nicht viel davon. "Die Wissenslücken in Sachen Wirtschaft sind groß", heißt es dort. Sehr groß offenbar. Beispiele gefällig? 60 Prozent halten den Staat für zuständig zu entscheiden, was im-und exportiert wird. Ebenso viele meinen die Inflation stärke die Kaufkraft und mehr als die Hälfte, dass höhere Zinsen die Staatsschulden senken würden.

Das ist starker Tobak. Und wohl eine Folge dessen, woran unsere Gesellschaft schon lange leidet. Man lebt lieber in der Kuckucksuhr. Man befasst sich gar nicht mehr damit, Verantwortung zu übernehmen, sondern hält es mehr mit der Vollkaskomentalität und lässt machen.

Dabei sind die offiziellen Zahlen gar nicht so schlecht, wie man meinen könnte. Dass es 2024 mit mehr als 36.000 gewerblichen Neugründungen einen neuen Rekord gegeben hat, klingt auch besser, als es ist. Weil davon auszugehen ist, dass mehr als 50 Prozent der Neugründungen nach fünf Jahren nicht mehr aktiv oder insolvent sind, wie die Statistik Austria einmal erhoben hat, schaut das Bild gleich nicht mehr so gut aus.

Man scheitert, woran in Österreich so viele scheitern -vor allem an der Bürokratie und an Regulierungen bei der Gründung, an Kapitalvorschriften, aber auch am nötigen Wissen. Schlechte Geschäftsplanung, Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen gelten als die wichtigsten Gründe dafür, dass über vielen jungen Unternehmungen bald der Pleitegeier kreist.

Die Hoffnung sollte man freilich nicht aufgeben. In den vergangenen Jahren wurden einige Initiativen auf den Weg gebracht. Es ist gut, dass sie das wurden. Aber wirklich gegriffen haben sie noch nicht. Nur das aber wäre das, was zählt. Leider.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Oktober 2025

Donnerstag, 2. Oktober 2025

Und wir klatschen begeistert dazu

Es gibt ja allerhand "Washings", um etwas sauber zu waschen, was nicht so sauber ist. Green-Washing ist wohl am populärsten. Es geht dabei darum, etwas zu schönen und sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen, um Image und Eindruck zu machen. Auch Health-Washing ist, wiewohl nicht ganz so bekannt, allgegenwärtig. Da werden Produkte als gesund und natürlich dargestellt obwohl sie es eigentlich kaum sind und ihre Wirkung nicht wirklich bewiesen werden kann. Dann kennt man natürlich das White-Washing, die eigentlich ursprüngliche Form und Bedeutung von Washing - da werden gerne kritische Aspekte und Dinge, die das Bild trüben könnten, einfach unter den Tisch fallen gelassen oder wortreich beschönigt, um das Image fleckenlos erscheinen zu lassen.

Und es gibt auch das Sport-Washing. In den vergangenen zwei Wochen erlebte die Welt ein besonders eindrückliches Beispiel dieser Methode, um mit großen Sportereignissen oder teuren Sponsorings von politischen Problemen, unethischem Verhalten oder gar Menschenrechtsverletzungen abzulenken und das schlechte Image aufzumöbeln. Ruanda richtete als erstes afrikanisches Land die Rad-Weltmeisterschaft aus. Aus Kalkül, wie man annehmen darf. Denn dort trifft das alles zu. Das Land wird mit harter Hand regiert. Man pflegt gute Beziehungen zu Russland und China. Und Großbritannien und die USA machte man sich zum Freund, weil man sich anbot, Migranten aufzunehmen. Und jetzt diente eben die Rad-WM als Vehikel, die Position weiter zu festigen.

Widerstand und Kritik waren überschaubar, das internationale Echo gewünscht groß. Die Welt ist inzwischen so etwas gewöhnt. Sport-Washing funktioniert besser als jedes andere Washing. Schon Adolf Hitler wusste das, als er 1936 zu den Olympischen Spielen nach Berlin lud. Putin, damals noch hofiert von ganz Österreich inklusive Karl Schranz, wusste es, als er Russland zum Gastgeber der Spiele in Sotchi machte. Und der chinesischen Führung gelang es gar innerhalb weniger Jahr sowohl die Sommer-als auch die Winterspiele zu beherbergen.

Für die Sportler und ihre Funktionäre heißt es meist Augen zu und durch. Der durchschnittliche Fan denkt sich nicht viel dabei. Wir klatschen begeistert Beifall. Und rechtfertigen damit die Strategie -zumindest aus der Sicht derer, die darauf setzen. Und am Ende bleibt immer der Glanz für die Veranstalter.

Sogar für die Scheichs in Katar, für deren Fußball-WM tausende Bau-Arbeiter ihr Leben lassen mussten. "Sie sind gestorben wie die Sklaven beim Bau der Pyramiden" schrieben Kritiker bitter, ohne Wirkung. Und seit Neymar, Ronaldo oder Benzema dem Ruf Saudi-Arabiens, dort zu kicken, nachgaben und die Formel 1 dort ihre Runden dreht, ist keine Rede mehr von der dunklen Seites des dortigen Regimes, von der strengen Justiz mit ihren archaischen Strafen oder gar von der Todesstrafe, die dort, wie übrigens in vielen anderen Ländern auch, die auf Sportwashing setzen, gang und gäbe ist und öffentlich zelebriert wird. Man bewundert die Projekte des Wüstenstaates, macht Geschäfte ohne Wenn und Aber und Reisen nach Saudi-Arabien gelten arglos als der letzte Schrei. Ein Muss für viele.

All die Millionen und Milliarden, die man da hineinsteckte, haben sich bezahlt gemacht. Und schon hat man die nächsten Ziele im Visier. Längst sind Staaten wie Saudi-Arabien dick im internationalen Sportgeschäft, Ölstaaten kaufen ganze Fußballklubs in Europa um mitzumischen, im Rennsport hat man die Finger drin, im Golf und im Tennis.

Sponsoring kennt man seit Jahrzehnten. Damit ist man vertraut. Was ist anders, wenn Staaten auftreten, fragt man. Die Grenze ist tatsächlich fließend. Geht es beim Sponsoring um Erhöhung der Verkaufszahlen und Marketing, steht beim Sport-Washing das Ziel im Vordergrund, mit Großveranstaltungen das angekratzte Image von Staaten und Regierung aufzupolieren. Das sollte man nicht vergessen.

Nicht ohne Grund wählen meist Diktatoren und Despoten diese Methode. So wie jetzt Ruanda. Und dort denkt man offenbar auch schon weiter. Was die Saudis können und die Scheichs am Golf, gefällt auch dort offenbar. In den vergangenen Jahren gelang es, den FC Bayern München, Arsenal und Paris Saint-Germain für Trikotwerbung zu gewinnen. Damit ist es seit einigen Wochen bei den Bayern zwar vorbei, den Fuß aber hat man in München dennoch in der Tür - die Bayern wollen sich weiter um die Talenteförderung im schwarzafrikanischen Land annehmen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Oktober 2025
 
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