Freitag, 10. Oktober 2025

Leben in der Kuckucksuhr

Ganz Österreich wartet auf den großen Schub. Nicht erst seit Wochen oder Monaten, sondern seit Jahren. Die Politik bringt ihn nicht zusammen, weil die Politiker nichts zusammenbringen. Jedenfalls nicht das, was das Land braucht. Und auch die Wirtschaft bringt ihn nicht zusammen. Weil die Politik nichts zusammenbringt. Und auch, weil es an Grundsätzlichem fehlt. An Freude an Selbstständigkeit, am Gestalten. Daran, Verantwortung zu übernehmen. Darauf, etwas aufzubauen. Darauf, sich nicht auf andere und den Staat zu verlassen, sondern auf die eigenen Fähigkeiten. Daran, dass man sich etwas zutraut und daran, dass man sein Schicksal selbst in die Hände nehmen will. Kurzum -es fehlt immer öfter an dem, was man unter Unternehmergeist versteht. Der sei abhandengekommen, meinten erst kürzlich Ökonomen, Manager und Investoren, die sich vorgenommen haben, dem nicht mehr zuzuschauen. Sie wollen das Unternehmertum, sagen sie, "in der DNA verankern", in der Kultur des Landes ist damit gemeint.

Das könnte schwierig werden. Aber das weiß man längst in diesem Land, in dem gerade alles schwierig zu sein scheint. Unternehmer zu werden, gilt hierzulande alles andere als attraktiv. Nur magere 5,4 Prozent jener Österreicherinnen und Österreicher zwischen 18 und 64 Jahren, die bisher nicht unternehmerisch tätig waren, denken daran, in den nächsten drei Jahren ein Unternehmen zu gründen. Auch wenn sie im Job als durchaus ehrgeizig und ambitioniert gelten, wie ihnen Umfragen immer wieder bescheinigen. Geringer ist die Lust, sich selbstständig zu machen, nur in Polen. Und sie ist vor allem bei Start-ups weit entfernt von Ländern wie den Niederlanden und sogar Großbritannien. Dagegen wirkt Österreich eher, als liege es in Agonie.

Dabei spielen Jungunternehmen eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, das gesamtwirtschaftliche Potenzial der Volkswirtschaft zu fördern. Würde Österreich bei der Dynamik der Unternehmensgründungen zu den Niederlanden aufschließen, könnte das bis zu 26.000 Arbeitsplätze und ein Plus von zwölf Milliarden Euro beim Bruttoinlandsprodukt bringen, hat Eco Austria errechnet.

Aber damit schaut es nicht wirklich gut aus. Viele aus der Generation Z und viele Millennials haben zwar zu tun, ihre Lebenshaltungskosten zu decken, sind aber weit davon entfernt, eine Führungsposition anzustreben oder gar ein Unternehmen zu gründen. Das will man sich dann doch nicht antun. Was nicht wunder nimmt, wenn man von der Einstellung hört, die in den Köpfen der jungen Leute dominiert. Man hält schlicht nur wenig von Unternehmen und gesteht ihnen keinen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu. Und damit nicht genug. Wenn stimmt, was die Agenda Austria ermittelte, weiß man auch gar nicht viel davon. "Die Wissenslücken in Sachen Wirtschaft sind groß", heißt es dort. Sehr groß offenbar. Beispiele gefällig? 60 Prozent halten den Staat für zuständig zu entscheiden, was im-und exportiert wird. Ebenso viele meinen die Inflation stärke die Kaufkraft und mehr als die Hälfte, dass höhere Zinsen die Staatsschulden senken würden.

Das ist starker Tobak. Und wohl eine Folge dessen, woran unsere Gesellschaft schon lange leidet. Man lebt lieber in der Kuckucksuhr. Man befasst sich gar nicht mehr damit, Verantwortung zu übernehmen, sondern hält es mehr mit der Vollkaskomentalität und lässt machen.

Dabei sind die offiziellen Zahlen gar nicht so schlecht, wie man meinen könnte. Dass es 2024 mit mehr als 36.000 gewerblichen Neugründungen einen neuen Rekord gegeben hat, klingt auch besser, als es ist. Weil davon auszugehen ist, dass mehr als 50 Prozent der Neugründungen nach fünf Jahren nicht mehr aktiv oder insolvent sind, wie die Statistik Austria einmal erhoben hat, schaut das Bild gleich nicht mehr so gut aus.

Man scheitert, woran in Österreich so viele scheitern -vor allem an der Bürokratie und an Regulierungen bei der Gründung, an Kapitalvorschriften, aber auch am nötigen Wissen. Schlechte Geschäftsplanung, Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen gelten als die wichtigsten Gründe dafür, dass über vielen jungen Unternehmungen bald der Pleitegeier kreist.

Die Hoffnung sollte man freilich nicht aufgeben. In den vergangenen Jahren wurden einige Initiativen auf den Weg gebracht. Es ist gut, dass sie das wurden. Aber wirklich gegriffen haben sie noch nicht. Nur das aber wäre das, was zählt. Leider.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 9. Oktober 2025

Donnerstag, 2. Oktober 2025

Und wir klatschen begeistert dazu

Es gibt ja allerhand "Washings", um etwas sauber zu waschen, was nicht so sauber ist. Green-Washing ist wohl am populärsten. Es geht dabei darum, etwas zu schönen und sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen, um Image und Eindruck zu machen. Auch Health-Washing ist, wiewohl nicht ganz so bekannt, allgegenwärtig. Da werden Produkte als gesund und natürlich dargestellt obwohl sie es eigentlich kaum sind und ihre Wirkung nicht wirklich bewiesen werden kann. Dann kennt man natürlich das White-Washing, die eigentlich ursprüngliche Form und Bedeutung von Washing - da werden gerne kritische Aspekte und Dinge, die das Bild trüben könnten, einfach unter den Tisch fallen gelassen oder wortreich beschönigt, um das Image fleckenlos erscheinen zu lassen.

Und es gibt auch das Sport-Washing. In den vergangenen zwei Wochen erlebte die Welt ein besonders eindrückliches Beispiel dieser Methode, um mit großen Sportereignissen oder teuren Sponsorings von politischen Problemen, unethischem Verhalten oder gar Menschenrechtsverletzungen abzulenken und das schlechte Image aufzumöbeln. Ruanda richtete als erstes afrikanisches Land die Rad-Weltmeisterschaft aus. Aus Kalkül, wie man annehmen darf. Denn dort trifft das alles zu. Das Land wird mit harter Hand regiert. Man pflegt gute Beziehungen zu Russland und China. Und Großbritannien und die USA machte man sich zum Freund, weil man sich anbot, Migranten aufzunehmen. Und jetzt diente eben die Rad-WM als Vehikel, die Position weiter zu festigen.

Widerstand und Kritik waren überschaubar, das internationale Echo gewünscht groß. Die Welt ist inzwischen so etwas gewöhnt. Sport-Washing funktioniert besser als jedes andere Washing. Schon Adolf Hitler wusste das, als er 1936 zu den Olympischen Spielen nach Berlin lud. Putin, damals noch hofiert von ganz Österreich inklusive Karl Schranz, wusste es, als er Russland zum Gastgeber der Spiele in Sotchi machte. Und der chinesischen Führung gelang es gar innerhalb weniger Jahr sowohl die Sommer-als auch die Winterspiele zu beherbergen.

Für die Sportler und ihre Funktionäre heißt es meist Augen zu und durch. Der durchschnittliche Fan denkt sich nicht viel dabei. Wir klatschen begeistert Beifall. Und rechtfertigen damit die Strategie -zumindest aus der Sicht derer, die darauf setzen. Und am Ende bleibt immer der Glanz für die Veranstalter.

Sogar für die Scheichs in Katar, für deren Fußball-WM tausende Bau-Arbeiter ihr Leben lassen mussten. "Sie sind gestorben wie die Sklaven beim Bau der Pyramiden" schrieben Kritiker bitter, ohne Wirkung. Und seit Neymar, Ronaldo oder Benzema dem Ruf Saudi-Arabiens, dort zu kicken, nachgaben und die Formel 1 dort ihre Runden dreht, ist keine Rede mehr von der dunklen Seites des dortigen Regimes, von der strengen Justiz mit ihren archaischen Strafen oder gar von der Todesstrafe, die dort, wie übrigens in vielen anderen Ländern auch, die auf Sportwashing setzen, gang und gäbe ist und öffentlich zelebriert wird. Man bewundert die Projekte des Wüstenstaates, macht Geschäfte ohne Wenn und Aber und Reisen nach Saudi-Arabien gelten arglos als der letzte Schrei. Ein Muss für viele.

All die Millionen und Milliarden, die man da hineinsteckte, haben sich bezahlt gemacht. Und schon hat man die nächsten Ziele im Visier. Längst sind Staaten wie Saudi-Arabien dick im internationalen Sportgeschäft, Ölstaaten kaufen ganze Fußballklubs in Europa um mitzumischen, im Rennsport hat man die Finger drin, im Golf und im Tennis.

Sponsoring kennt man seit Jahrzehnten. Damit ist man vertraut. Was ist anders, wenn Staaten auftreten, fragt man. Die Grenze ist tatsächlich fließend. Geht es beim Sponsoring um Erhöhung der Verkaufszahlen und Marketing, steht beim Sport-Washing das Ziel im Vordergrund, mit Großveranstaltungen das angekratzte Image von Staaten und Regierung aufzupolieren. Das sollte man nicht vergessen.

Nicht ohne Grund wählen meist Diktatoren und Despoten diese Methode. So wie jetzt Ruanda. Und dort denkt man offenbar auch schon weiter. Was die Saudis können und die Scheichs am Golf, gefällt auch dort offenbar. In den vergangenen Jahren gelang es, den FC Bayern München, Arsenal und Paris Saint-Germain für Trikotwerbung zu gewinnen. Damit ist es seit einigen Wochen bei den Bayern zwar vorbei, den Fuß aber hat man in München dennoch in der Tür - die Bayern wollen sich weiter um die Talenteförderung im schwarzafrikanischen Land annehmen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. Oktober 2025
 
UA-12584698-1