Donnerstag, 30. März 2017

Auch die Bauern können Schieder



Die Aufregung in der Bauernschaft war eine Große als kürzlich Andreas Schieder, SP-Klubchef im Parlament, in einem Zeitungsinterview ganz salopp eine Umschichtung des EU-Budgets forderte. "Weniger Geld für Kühe, mehr für Infrastruktur", meinte er, dann könne die EU den Brexit, den Austritt Großbritanniens aus der EU, und ihre Krise bewältigen.

"Unqualifizierter Senf" schallte es umgehend von Bauernseite her und man gab sich tobend.

Man versteht's, aber man wird sich wohl daran gewöhnen müssen. Es zeichnet sich schon lange ab, dass der Wind für die Bauern ein scharfer wird.

Da war in den vergangenen Wochen ja nicht nur Schieder. Da war auch der unsägliche Zucker-Schwerpunkt im ORF, der weit über alle bisher bekannten Grenzen ging und den Süßstoff gar mit Heroin verglich.

Und das wird noch nicht alles gewesen sein. Was noch alles kommen wird, zeigt sich schon seit geraumer Zeit in Deutschland. Dort machte etwa die SPD-Umweltministerin einen auf Agrarminister und ließ Bauernregeln wie "Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein" oder "Haut Ackergift die Pflanzen um, bleiben auch die Vögel stumm" großflächig plakatieren. Zeitungen und Zeitschriften sind voll mit kritischen Berichten zur Landwirtschaft und im Fernsehen wird auf allen Kanälen der Sinn von Fördergeldern hinterfragt.

Hinter all dem, was die Bauern seit Wochen und Monaten erleben, stehen politische und auch wirtschaftliche Ziele und Interessen. Parteien wollen daraus Nutzen ziehen, und Unternehmen auch, ist doch die Beschädigung des einen immer auch ein Geschäft für einen anderen. Im besten Fall geht es um Umweltanliegen, zumeist geht es aber um Wählerstimmen, ums Geschäft und um Verteilungskämpfe.

Die prekäre Situation der öffentlichen Kassen im allgemeinen und der Brexit im Besonderen, der ein riesiges Loch in die Brüsseler Kassen reißen wird, sorgen für Unruhe und werden von Vielen als Gelegenheit gesehen, ihre Interessen durchzusetzen.

Dass man die Bauern im Visier hat, ist nur zu logisch. Trotz engagierter und oft rührender Gegenwehr, wurden die Festung Landwirtschaft in den vergangenen Jahren nachgerade sturmreif geschossen. Die Produktionsweise geriet in Kritik, der finanzielle Aufwand, die Lauterkeit und die Glaubwürdigkeit sowieso.

Gerade die Agrargelder sind einfach zu verlockend. Diese Summen eignen sich hervorragend um damit Neidgelüste zu schüren. Da kann die Landwirtschaft noch so lange erklären, warum die so hoch sind, sie wird kaum durchkommen damit, auch wenn sie die Fakten auf ihrer Seite hat.

Das ist in Brüssel so und das ist auch in Wien so. Da gibt es nicht nur Schieder und die Sozialdemokraten. Da gibt es auch Einrichtungen wie die Wirtschaftskammer, die Arbeiterkammer oder die Gemeinden, die gerne mehr vor allem von den Geldern für Ländliche Entwicklung hätten.

Und auch die Bauern können Schieder. Auch sie schüren zuweilen nach Kräften und lustvoll den Neid. Diesfalls freilich untereinander, aber zumeist ebenso frei von Fakten und Zusammenhängen, aber mit ähnlichen Motiven, wie das der SP-Politiker tut. Hauptsache, man bekommt etwas vom Kuchen.

Was auf die Bauern zukommt, lässt ein Beschluss der oö. Landwirtschaftskammer erahnen. Für die künftige EU-Agrarpolitik fordert man dort eine Differenzierung der Direktzahlungen zwischen Tierhaltern und Nicht-Tierhaltern.

Der Krach ist wohl programmiert. Das ist Sprengstoff pur. Selbstgemacht von Bauernhand und ganz ohne Schieder.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 30. März 2017

Wein schmeckt besser als Wasser



Die Geschichte mit dem "Wasser predigen und Wein trinken" kennt man ja. Und auch die vom zweierlei Maßstäbe anlegen. Von zahllosen Situationen, von zahllosen Bereichen. Man ist geneigt, es nachgerade als normal zu bezeichnen, das eine zu fordern und zu verlangen, dennoch aber das andere zu tun. Manchmal regt es mehr auf, manchmal weniger, manchmal tut man es mit einem Augenzwinkern oder einem Schulterzucken ab, manchmal mag man es doch nicht hinnehmen. Nicht im privaten Bereich, nicht im beruflichen, nicht im Wirtschaftsleben, nicht in der Politik und nicht anderswo.

Man sollte strenger sein. Und konsequenter auch. Denn es hat sich so etwas wie eine Kultur der Dreistigkeit entwickelt, etwas zu fordern oder gar vorzuschreiben, aber nicht im entferntesten daran zu denken, sich auch selbst daran zu halten und entsprechend zu handeln. Das gilt für Konsumenten, die keine Skrupel haben etwa von der Landwirtschaft alles an Auflagen und Vorsichtsmaßnahmen zu verlangen, die aber sofort zu ausländischen Lebensmitteln greifen, die all den Auflagen nicht unterliegen, sobald sie nur billiger sind. Das gilt beim Kauf von Bekleidung oder von Autos. Das gilt bei rechtlichen, namentlich sozialrechtlichen, Bestimmungen, nach denen man gerne ruft, die man aber im Fall der Fälle mit allem Nachdruck für die eigenen Bedürfnisse zurechtzubiegen und oft gleich auch zurechtzutricksen versucht.

Und natürlich gilt das auch für die Politik. Dass dort die Kultur der Dreistigkeit blüht, ist bekanntermaßen nachgerade notorisch. Man denke nur an die vielen Politiker und Politikerinnen, die auf offener Bühne meinen das Familienleben oder das Zusammenleben von Mann und Frau vorschreiben und bewerten zu müssen, die sich aber nichts dabei denken, sich mit Freunden und Freundinnen zu vergnügen und ihre Familien im Stich zu lassen, sobald sie vom Rednerpult heruntergestiegen sind.

Da passt ins Bild, dass die Regierung mit den Frauenquoten, über die man so gerne schwadroniert, nichts als Schwierigkeiten hat. Just jene Regierung, die plant, großen Unternehmen ab 2018 vorzuschreiben, sie hätten mindestens 30 Prozent ihrer Aufsichtsratsposten mit Frauen zu besetzen. Sie ist im Begriff, damit in die von der Wirtschaft bereits allerorten positionierten Messer zu laufen. Denn im eigenen Umfeld gibt sich die Regierung Blößen, denen durchaus ein gerüttelt Maß an Peinlichkeit eigen ist. "Die Regierung erfüllt noch nicht einmal ihre eigene Frauenquote", lästern Medien. Mindestens 30 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen zu besetzen, schaffe der Bund selbst in einem Drittel seiner eigenen Unternehmungen nicht. In sechs Bundesbetrieben gäbe es gar überhaupt keine weiblichen Aufsichtsräte. Ein Unternehmen des Bundes freilich sticht heraus. Im Aufsichtsrat der "Familie &Beruf Management GmbH" sitzen ausschließlich Frauen - was freilich nach dem in Regierungskreisen offenbar nach wie vor herrschenden Weltbild fragen lässt.

Auch bei einem anderen Thema, das derzeit für Schlagzeilen sorgt, misst die Regierung offensichtlich mit zweierlei Maßstäben und trinkt lieber Wein als Wasser. Während die Wirtschaft um ein neues Arbeitszeitgesetz ringt, das einen 12-Stunden-Arbeitstag und somit mehr Flexibilität ermöglicht, wird dieses Ansinnen von Regierung und Gewerkschaft mit immer neuen Argumenten abgeschmettert. Dass man im eigenen Bereich, nämlich bei den ÖBB, längst etwas Ähnliches eingeführt hat, kratzt sie im politischen Getümmel nicht. Denn dort sind an Wochenenden Dienstschichten mit 12 Stunden zulässig. Zudem darf die tägliche Ruhezeit von im Normalfall elf Stunden auch auf acht, und zweimal pro Woche sogar auf sechs Stunden verkürzt werden.

Man lebt, man weiß es, in Österreich gerne auf doppeltem Boden und hat keine Scheu verschiedene Maßstäbe anzulegen, wenn es nur den eigenen Interessen und dem eigenen Vorteil dient. Heilig ist niemand, auch nicht die, die sich gerne heiligenmäßig geben. Auch über Arbeitsverhältnisse und Bezahlung in Einrichtungen, wie der Kirche und der Arbeiterkammer, gibt es immer wieder Klagen. Und wenn die Wirtschaftskammer wieder einmal gegen die Bürokratie reitet, so kostet das ihren Mitgliedern im besten Fall ein müdes Lächeln. Meist ist es aber nichts als Ärger und Wut. Denn gerade die Wirtschaftskammer gilt als eine der Kathedralen der Bürokratie. Viele der heimischen Unternehmen wissen das aus leidvoller Erfahrung.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. März 2017

Dienstag, 28. März 2017

Die Kraft auf dem Land zieht es in die Stadt



Die RWA-Lagerhaus-Gruppe entdeckt die Digitalisierung. Mit der starken Präsenz auf dem Land steigt die Lust, die Städte zu erobern.

Hans Gmeiner Wien. Reinhard Wolf, Chef der Raiffeisen Ware Austria, war überrascht. Als die eigens dafür gegründete Tochtergesellschaft im Vorjahr Start-ups aus der Agrar- und Ernährungsbranche suchte, um mit ihnen Projekte zu entwickeln, meldeten sich nicht weniger als 160 junge Unternehmen aus 50 Staaten. Vier von ihnen, aus Österreich, der Slowakei, Italien und Israel, gab man die Möglichkeit, ihre Ideen weiterzuentwickeln. Nun verhandelt man über mögliche Kooperationen.

Dem Generaldirektor der Dachgesellschaft der Lagerhäuser in Oberösterreich, Niederösterreich, der Steiermark und im Burgenland gefällt das. „Da ist uns etwas gelungen.“ Mit Nachdruck arbeitet er auf allen Ebenen an der Modernisierung der Lagerhaus-Gruppe. Hightech und Lagerhaus schließen einander längst nicht mehr aus.

Man ist stolz darauf, bei neuen Technologien die Nase vorn zu haben. Sogar mit Drohnen für den Einsatz bei Pflanzenschutz und Düngung experimentiert man. In vielen Lagerhäusern gibt es Hightech-Düngermischanlagen und Leihtraktoren für die Bauern und stolz präsentiert man sich als Spezialist in Sachen GPS-Technik.

Rund 30 Mill. Euro investierten die RWA und die Lagerhäuser in den vergangenen Jahren zudem in den Ausbau einer Saatgutaufbereitungsanlage in Lannach und in den Landtechnik-Standort Korneuburg. In Oberösterreichisch wurde das Getreidegeschäft in Aschach konzentriert und die Lager um 50 Prozent vergrößert. 160.000 Tonnen Mais können dort ab heuer jährlich umgeschlagen werden.

Die Bauern scheinen das zu honorieren. In einer von Keyquest durchgeführten Umfrage sprechen zwei von drei Landwirten der Lagerhaus-Gruppe ein modernes und innovatives Image zu. Daran will Wolf weiter arbeiten. „In den kommenden Jahren wollen wir insgesamt rund 25 Mill. Euro in die Digitalisierung und in IT investieren“, sagt er im SN-Gespräch.

„Wir wollen die Lagerhäuser so rasch wie möglich als Geschäftspartner für Bauern und Konsumenten auch ins Netz bringen. Die Kunden sollen über eine Einkaufsplattform alle Möglichkeiten haben, mit uns in Kontakt treten und kaufen zu können“, sagt Wolf. Auch die Warenwirtschaftssysteme in der RWA sowie in den Lagerhäusern sollen komplett erneuert werden.

Der Druck ist groß. Die Landwirtschaft, mit der die RWA rund 50 Prozent des Umsatzes macht, steckt nach wie vor in Schwierigkeiten. Vor allem die niedrigen Getreide- und Treibstoffpreise und die Zurückhaltung der Bauern beim Kauf von Landmaschinen drückten auf die Umsätze. Im nicht agrarischen Bereich habe hingegen die Steuerreform des Vorjahres „gutgetan“, sagt Wolf. Zudem habe man bei Baustoffen von der Baumax-Schließung indirekt profitieren und drei Prozent zulegen können, obwohl man keinen der Märkte übernommen habe.

Auch mit dem rund 200 Mill. Euro schweren Osteuropa-Geschäft, in dem sich die RWA ausschließlich auf den Handel mit Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Getreide konzentriert, habe es „vernünftiges Wachstum“ gegeben. Detaillierte Zahlen sollen im April veröffentlicht werden. Auch wenn der Gesamtumsatz (2015: 2,41 Mrd. Euro) im Vorjahr neuerlich um drei bis vier Prozent zurückging, ist Wolf nicht unzufrieden, „wir sind ganz gut weggekommen“, mengenmäßig habe es Zuwächse gegeben.

Für das heurige Jahr ist der Chef der Lagerhaus-Gruppe durchaus optimistisch, die Stimmung habe die Talsohle durchschritten. „Die Konsumenten haben wieder mehr Vertrauen in die wirtschaftliche Situation und im Agrarbereich haben die Preise bei Milch, Fleisch und Getreide angezogen“, sagt Wolf.

Während Wolf bei Baustoffen und in der Sparte Haus und Garten von weiteren Zuwächsen ausgeht, rechnet er damit, dass der Bereich Landtechnik schwierig bleibt. „Da spüren wir den Strukturwandel in der Landwirtschaft am stärksten.“ Darum soll das Vertriebsnetz gestrafft und neu strukturiert werden. „Der Traktormarkt wird weiter auf weniger als 4000 Stück pro Jahr schrumpfen“, ist Wolf überzeugt. Vor wenigen Jahren waren es noch 8000, heuer sind es gut 5000. Das regt den RWA-Chef nicht auf, „wertmäßig trifft uns das nicht sehr, weil die verkauften Traktoren größer und damit teurer sind“.

Auch wenn die Lagerhaus-Gruppe in Zukunft getreu ihrer Werbelinie weiter „Die Kraft am Land“ sein will, verhehlt Wolf nicht seine Lust an der Stadt. „Wir decken das Land fast komplett ab, sind aber im städtischen Bereich nicht präsent.“ Die großen Städte Wien, Linz, Graz sind weiße Flecken auf der Lagerhaus-Karte, das soll in den nächsten Jahren anders werden. Der Versuch, die Städte zu erobern, startet heuer mit einem Probestandort in Wien, „mal schauen, wie das wird“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 28. März 2017

Donnerstag, 23. März 2017

Die Angst vor den falschen Dingen



Das Leben ist lebensgefährlich. Man weiß es. Und man kommt mit dem Fürchten schon gar nicht mehr zurande. Von früh bis spät, draußen, drinnen, beim Essen, im Straßenverkehr, wegen der Luft sowieso und dem Wasser, wegen der Asylsuchenden, wegen möglicher Terroranschläge, wegen des Euro, wegen Ceta und wegen TTIP und wegen der Chemie erst recht.

Nachgerade hysterisch geworden sind wir vom Trommelfeuer in Medien und Politik, das uns tagaus, tagein warnt vor Gefahren, die uns bedrohen und die dunkle Szenarien malen, die einen glatt verzweifeln lassen könnten.

Wir sind zu einer Angstgesellschaft geworden. Gemacht worden, wie immer mehr Menschen meinen. Oft aus wirtschaftlichen Interessen und aus politischen, aber viel seltener aus ernsthafter Sorge. Immer mehr beschleicht das Gefühl, dass oft maßlos übertrieben wird, dass man nicht selten den Blick auf das Gesamte verloren hat und dass es dabei oft um ganz etwas anderes geht als um ernsthafte und wirksame Lösungen von Problemen.

Risikoforscher bestätigen das. Sie sagen, "viele Menschen fürchten sich vor den falschen Dingen". Der Chef des deutschen Institutes für Risikoforschung nannte kürzlich ein sehr eindrückliches Beispiel. "2016 wurden zwölf Menschen in Deutschland Opfer eines Terroranschlages, im gleichen Zeitraum gab es über 3.000 Verkehrstote. Trotzdem fürchtet sich kaum jemand davor, in ein Auto zu steigen."

Ähnlich verhält es sich dem Wissenschaftler zufolge mit der Hysterie, die mitunter ums Essen gemacht wird, mit der Furcht vor Pflanzenschutzmittelrückständen in der Nahrung oder vor gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Dabei sei unser Essen sicherer als jemals zuvor.

Weitaus größer als die Gefahr, durch Pflanzenschutzmittel in der Nahrung Schaden zu nehmen, sei die Gefahr, Opfer mangelnder Hygiene in der eigenen Küche zu werden. "Die deutsche Toilette ist vergleichsweise sauber, Kühlschrank und Spüle sind es nicht, hier liegen die größten Bakterienherde" und damit die größten Gefahren, sich etwas Ernsthaftes einzufangen, sagt der Risikoforscher. In Österreich wird es wohl nicht anders sein.

Solch nüchterne Betrachtungen passen nicht in das Klima, das von NGO, Medien und Politik geschürt wird. Denn die leben ganz passabel von der Angst der Menschen. NGOs, wie Greenpeace oder Global 2000 und wie sie alle heißen, sind längst zu millionenschweren Unternehmungen geworden, die nur überleben können, wenn die Sorge der Bürger und ihre Angst auch ihren Geldbeutel öffnen, um zu spenden. Denn, bleibt die Angst nicht am Leben und die Furcht, ist möglicherweise bald Ebbe in den Kassen.

Ähnliches gilt für manche Medien oder Unternehmen, wie manche der heimischen Handelskonzerne, die nichts und niemanden und schon gar keine reißerischen Schlagzeilen scheuen, um die Ängste ihrer Leser und Kunden zu schüren und sie mit ihrer vorgeblichen Hilfsbereitschaft zu beeindrucken, in der Hoffnung mehr Auflage und Geschäft zu machen. Und das gilt natürlich auch für viele in der Politik, die in der Verbreitung von Ängsten ihre Geschäftsgrundlage und Chance sehen, deswegen gewählt zu werden.

Nichts dagegen, dass man sich Sorgen macht. Und jede Unterstützung, wenn es darum geht, Gefahren in den Griff zu kriegen. Aber der zuweilen religiöse Eifer und der zuweilen Angst machende Fanatismus, mit dem da Dinge vorangetrieben werden, stehen oft in keiner Relation mehr zu den Gefahren, um die es vorgeblich geht. Nicht was die wirtschaftlichen Folgen angeht. Und oft auch nicht, was die Gefahren angeht, die man abwenden will. Für die Betroffenen wird es meist teurer, für die Sache selbst selten besser. Der Wirbel um die Neonics und die Bienen vor Jahren war so etwas, oder zuletzt der ums Glyphosat. Gar nicht zu reden von der Gentechnik.

Dass die Dinge zuweilen so aus dem Lot gekommen sind, hat auch damit zu tun, dass die Wissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten ihre Glaubwürdigkeit verloren hat. Die Menschen sind verunsichert. Sie wissen nicht mehr, wem sie glauben können und vertrauen im Zweifelsfall meist denjenigen, die warnen und Angst machen.

Das ist nicht ungefährlich, weil der Fokus der Angst oft auf falsche Bereiche und Themen gelenkt wird, und echte Gefahren, die oft weit größer sind, aber übersehen werden. Aber das ist ja nicht nur bei einem Thema wie diesem der Fall. Hauptsache, die Kassa stimmt, die Auflage, oder das Wahlergebnis.

Die Sache selbst? Egal.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. März 2017

Donnerstag, 16. März 2017

Aus dem Land der Eurofighter



In Österreich passieren solche Sachen noch immer und noch immer viel zu oft: Über 20 Jahre ist im Gemeinderat einer kleinen Gemeinde im Oberösterreichischen ein Zebrastreifen vor der Schule immer wieder Thema. Die Oppositionspartei drängt in regelmäßigen Abständen darauf, die Bürgermeisterpartei schmettert das Ansinnen immer wieder ab und verweist auf die Bezirkshauptmannschaft, die das nicht genehmige. Die Verkehrsfrequenz sei zu gering.

Alle paar Jahre das nämliche Spiel. Selbst als Elterninitiativen auf den Plan treten, tut sich lange nichts. Immer wieder heißt es "Njet, die BH sagt nein. Und wir können nichts machen",ließ man sie auflaufen. Ein Leichtes, zumal sie, wie berichtet wird, wenngleich nicht von der Oppositionspartei, aber eben doch nicht von der Wählerschaft der Mehrheitspartei waren.

Dabei blieb es bis heute. Denn man hat inzwischen eine andere Lösung. Eine österreichische ist man fast geneigt zu sagen. Eine extra-teure und dennoch nicht befriedigende.

Denn es gibt dort jetzt immer noch keinen Zebrastreifen, dafür aber einen Fahrbahnteiler. Für den musste man ein Denkmal versetzen und einige der ohnehin sehr raren Parkplätze opfern. Der Fahrbahnteiler und all die Umbauarbeiten, die er nach sich zog bis hin zu einem Bus-Wartehäuschen, kostete dem Vernehmen mehr als 150.000 Euro. Müßig anzuführen, dass der ursprüngliche Kostenvoranschlag weit überschritten wurde. Der Zebrastreifen mit allem Drum und Dran und inklusive Beleuchtung hätte nur einen Bruchteil davon gekostet. "Höchstens 20.000 Euro," sagt die Opposition.

Eltern und Großeltern sind dennoch alles andere als glücklich. Sie lässt die teure Lösung ratlos zurück, weil sie ihren Kindern nicht recht erklären können, wie sie gefahrlos und sicher und ohne eine Verkehrsregel zu verletzen über die Straße kommen können. Und wenn sie im Gemeindeamt fragen, wie das gedacht ist, kann man ihnen das dort auch nicht erklären.

Das alles mutet irgendwie an wie Eurofighter in ganz klein. Hauptsache, es hat irgendjemand seinen Kopf und seine Interessen durchgesetzt, koste es was es wolle und sei es noch so ineffizient.

Es hat sich ohne Zweifel vieles in den vergangenen Jahren zum Besseren gewendet, aber es passiert immer noch viel zu viel in der Art, wie es in dieser kleinen Gemeinde in Oberösterreich passiert ist. Noch immer stehen persönliche Eitelkeiten viel zu oft im Vordergrund, politisches Kalkül auch und parteipolitische Bosheiten, für die dann der Steuerzahler herhalten muss. Da muss es noch gar nicht um Korruption gehen, wie in Wien oder um schlichten Machtrausch wie in Fohnsdorf, wenn die öffentlichen Kassen ohne Not überstrapaziert werden.

Und es geht nicht nur um die Geldverschwendung. Es geht auch darum, wie allen Vorschriften und Bürgerbeteiligungs-Modellen zum Trotz mit den Anliegen der Bürger gespielt werden kann. Wer jemals in öffentlichen Verfahren oder öffentlichen Diskussionen mit seinen Vorstellungen und Wünschen nicht auf der Seite des Amtes und der Politik stand, weiß, dass dann die Luft sehr schnell sehr dünn werden kann. Mit einem Mal erkennt man, dass viel von dem, was als Transparenz verkauft wird, nichts denn gläserne Wände sind, bei denen es kaum ein Durchdringen gibt. Da wird schön geredet, da wird von einer Stelle zur anderen verwiesen, da spielt man die Verantwortungen hin und her und schlussendlich bleibt einem doch die Erkenntnis nicht erspart, dass man ohne Chance nur im Kreis geschickt wurde.

Da heißt es dann oft nur mehr Gutachten ist Gutachten und Bescheid ist Bescheid. Und da geht es dann zumeist nicht mehr um Kosten, nicht um Augenmaß und selten um Vernunft. Ganz so wie beim Beispiel aus dem Oberösterreichischen.

Es ist zwar viel geschehen in den vergangenen Jahren, um Entscheidungsfindungen objektiver zu machen und transparenter. Aber man scheint das rechte Maß noch nicht gefunden zu haben. Auf der einen Seite wurden oft allzu großzügige Möglichkeiten geschaffen, mitzureden. Auf der anderen Seite hat man die Methoden verfeinert, genau das zu verhindern und die Bürger und ihre Interessen ins Leere fahren zu lassen.

Das ist unbefriedigend. Und es ist wohl auch der Grund dafür, dass der Frust der Menschen in diesem Land mit Bürokratie, mit Ämtern und mit Politikern nicht kleiner werden mag. Denn dann, wenn es für sie wichtig wäre, genau dann müssen sie erkennen, dass ihnen nur etwas vorgemacht wurde. Viel zu oft.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. März 2017

Montag, 13. März 2017

Besorgte Blicke in die Türkei



Mit Argusaugen beobachten in diesen Tagen die heimischen Rinderzüchter die politischen Entwicklungen rund um die Türkei. Nicht ohne Grund: 46 Prozent ihrer Exporte gehen in das Land am Bosporus.

Hans Gmeiner Salzburg. „2016 war das drittbeste der vergangenen zehn Jahre.“ Stefan Lindner, Obmann der heimischen Rinderzüchter, könnte zufrieden sein. „Wir haben im Vorjahr etwas mehr als 32.000 Zuchtrinder exportiert, um 20 Prozent mehr als im Jahr davor.“ Dennoch beschleicht ihn mitunter ein flaues Gefühl. „Der hohe Anteil der Exporte in die Türkei macht es im Moment sehr, sehr spannend“, sagt er.

Die Türkei ist in den vergangenen Jahren zum mit Abstand wichtigsten Markt für heimische Zuchtrinder geworden. Betrug vor zwei Jahren der Anteil der Ausfuhren in das Land am Bosporus noch 36 Prozent, so waren es im Vorjahr bereits 46 Prozent. „Wir wissen, dass wir dort ein sehr großes Risiko haben“, sagt Lindner. Nach den Entlassungen vieler Beamter hat man schon jetzt mit ausgedünnten Verwaltungsstrukturen zu kämpfen. Oft fehlen auch Ansprechpartner. „Die Türkei kann jeden Tag zu sein“, sagt Lindner, die politische Diskussion in Österreich und Deutschland rund um Auftritte von türkischen Politikern beobachtet er mit Argusaugen.

Die Rinderzüchter würde das auf dem falschen Fuß erwischen. Denn gerade in der Türkei ist österreichisches Fleckvieh als sogenanntes Zweinutzungsrind für die Fleisch- und Milchgewinnung besonders geschätzt. Die Preise, die dort bezahlt werden, liegen deutlich über denen für Spezial-Milchrassen wie Holstein-Kühe oder Braunvieh. Denn bei diesen Rassen brachte die Milchkrise der vergangenen Jahre den Zuchtviehmarkt gehörig durcheinander. Als die Milchpreise in Richtung 20 Cent pro Kilogramm rutschten, stockten vor allem viele deutsche Bauern ihre Bestände ab und verkauften ihre meist speziell auf Milchproduktion gezüchteten Tiere auf den Zuchtviehmärkten, um an Geld zu kommen. Die Preise bei den reinen Milchrassen gerieten dadurch stark unter Druck und haben sich bis dato nicht erfangen.

Hinter der Türkei ist Italien mit einem Anteil von knapp 22 Prozent zweitwichtigster Absatzmarkt für österreichische Zuchtrinder. Dahinter kommen Aserbaidschan, Ungarn und der Iran. Völlig zusammengebrochen hingegen ist das Geschäft mit Algerien, das viele Jahre ein wichtiger Absatzmarkt war.

Lindner ist sich bewusst, dass das Jahr 2016 trotz des zahlenmäßigen Exporterfolgs wirtschaftlich einen gewissen „Beigeschmack“ hat, wie er es formuliert. Das liege zum einen an den deutlichen Erlösunterschieden zwischen den Rassen. Zum anderen aber daran, dass vor allem in Niederösterreich und in der Steiermark viele Züchter vom Türkei-Geschäft ausgeschlossen waren, weil ihre Betriebe in einem Gebiet liegen, das vor Jahren wegen Fällen von Blauzungenkrankheit zur Sperrzone erklärt wurde. Die bereits vollzogene Aufhebung der Sperre kommt für sie aber zu spät.

Vor diesem Hintergrund versuchte die Zentrale Arbeitsgemeinschaft der Rinderzüchter, ZAR, die 23.000 Bauern in Österreich vertritt, nun alle Register zu ziehen, um neue Exportmärkte aufzubauen. Im Mittelpunkt steht dabei neben Ägypten, Marokko und Algerien vor allem Russland. Bis zum Ende des vergangenen Jahrzehnts war man dort gut im Geschäft. Nun hofft man, wieder Fuß fassen zu können, denn Zuchtrinder stehen, im Gegensatz zu den meisten anderen Produkten, nicht im Sanktionskatalog, den Russland gegen EU-Agrarerzeugnisse verhängte.

„Anders als in anderen Bereichen, wo man sehr erfolgreich eine eigene Produktion aufgebaut hat, hat Russland immer noch um ein Drittel zu wenig Milch und um 25 Prozent zu wenig Rindfleisch“, sagt Lindner. Schon im Frühjahr könnte ein Tiroler Tourismusprojekt im Nordkaukasus Bewegung ins Geschäft bringen. Aber auch in Südrussland gebe es großes Potenzial. Dabei wollen die Rinderzüchter nicht nur Tiere liefern. „Uns geht es auch um Beratung und Begleitung und um die Weiterbetreuung der Genetik“, sagt Lindner.

Der Zuchtrinderexport gilt als eines der Aushängeschilder der heimischen Landwirtschaft. Das Exportvolumen beträgt rund 50 Mill. Euro. Für viele Milchbauern ist der Verkauf von Zuchttieren ein zusätzliches Standbein, das hilft, etwas leichter mit den Krisen beim Milchpreis zurechtzukommen. Der Aufwand, den die insgesamt 18 Zuchtverbände unter dem Dach der ZAR betreiben, ist für Laien unvorstellbar hoch. Das reicht von der zusätzlichen freiwilligen, sehr detaillierten Milchleistungskontrolle bei 80 Prozent der Kühe (sie liefern um 30 Prozent mehr als noch vor 20 Jahren) bis hin zur genetischen Auslese der Tiere, die aufgrund von zahllosen Parametern getroffen wird.

Ein Milchbauer hat heute eine ungeheure Fülle von Daten zur Verfügung, mit der er auf die Milchproduktion, die Gesundheit und das Wohl der Tiere Einfluss nehmen kann. Längst geht es dabei nicht nur mehr darum, die jährliche Milchleistung der Kühe zu steigern. In den Mittelpunkt rücken zunehmend Faktoren wie Nutzungsdauer oder gesundheitliche Aspekte.

Lindner, selbst Milchbauer in Tirol, beobachtet die wachsende Kritik an der Landwirtschaft mit Sorge. „Da wird viel missverstanden.“ Rinderzucht sei für ihn „gute Form der Qualitätssicherung“, weil er als Bauer Daten und Fakten habe. „Entscheidungen nur aus der Emotion heraus sind mir zu wenig.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 13. März 2017

Donnerstag, 9. März 2017

Sehnsucht und Selbstbetrug



Nach der ersten Rede von US-Präsident Trump vor dem US-Kongress war allerorten so etwas wie Erleichterung zu spüren. "Er kann ja doch anders" war der Tenor. "Präsidentielles Gehabe" bescheinigten ihm manch besonders Beeindruckte gar. So, als wollten sie sich die Hoffnung nicht nehmen lassen, dass aus Trump doch noch ein ganz normaler US-Präsident werden kann.

Die Reaktionen war typisch. Freilich, sie werden sich wohl, das muss man annehmen, nahtlos in die Kette der Einschätzungen Trumps einfügen, die sich seit Jahren nun schon als falsch erweisen. Das begann seinerzeit damit, dass man ihn in den USA, noch aber viel mehr in Europa, als Politclown abtat, der die ersten Runden der republikanischen Vorwahlen nicht überstehen würde. Dann beruhigte man sich mit Clintons Vorsprung in den Meinungsumfragen. Und obwohl er nun doch gewählter Präsident der USA ist, werden seither Tag für Tag neue Erklärungen serviert, dass er nichts als scheitern kann.

Weite Teile der Gesellschaft in den USA, aber auch in Europa wissen immer noch nicht mit Trump umzugehen. Das gilt auch für die Verantwortlichen in der Politik. Man steht ihm ratlos gegenüber und abschätzig, zumeist irrlichternd zwischen Selbstbetrug und Selbstberuhigung. Man hofft, dass nicht wirklich kommt, was man inzwischen immer öfter befürchtet, hat aber kein Rezept, das zu verhindern und nimmt lieber weiter alles als Beruhigungspille, was dazu geeignet scheint. Wie eben seine Rede im Kongress.

Die Sehnsucht nach Normalität ist, wie so oft, auch in diesem Fall, eine Schwester der Irrationalität in der Beurteilung.

Dass man so rat-und hilflos dasteht, hat damit zu tun, dass man in der Interpretation der Vorgänge und in der Interpretation der gesellschaftlichen Entwicklung vor allem in den USA immer den leichteren Weg ging. In den Staaten selbst, aber auch in Europa. "Es kann nicht sein, was nicht sein darf", war der Leitspruch von dem sich die Kommentatoren in den Medien und die Politiker leiten ließen. Also wurde Trump klein gemacht in allem, was er sagte und tat, war doch bei einem Mann seines Zuschnitts und Kalibers nichts leichter als das.

Dass man dabei bis weit hinein in den Selbstbetrug wichtige Strömungen und Veränderungen übersah, muss man jetzt zur Kenntnis nehmen. Auch wenn der Absturz von Trumps Beliebtheitswerten in den ersten Wochen die Aufmerksamkeit auf sich zog, darf nicht übersehen werden, dass er allem zum Trotz fest im amerikanischen Volk verankert ist. 46 Prozent der US-Amerikaner sind immer noch davon überzeugt, dass sich die USA in die richtige Richtung bewegen. Obama erreichte diesen Wert in seinen zwei Amtszeiten nie. Und von wegen, die Republikaner stünden nicht hinter Trump: Nahezu allen Umfragen in den USA zufolge sagen mehr als 80 Prozent der republikanischen Anhänger, dass Trump sie hoffnungsvoll stimme. 72 Prozent macht er sogar stolz.

Das nimmt nicht Wunder. Denn Trump macht nicht nur Verlierer, wie man meinen könnte, wenn man die Medien verfolgt, er macht auch Sieger. Zumindest einstweilen. Es gibt nicht nur die Mexikaner in den USA, die um ihre Zukunft bangen müssen, sondern es gibt auch die Millionen und Abermillionen von Aktienbesitzern in den USA - und auch, das sei angefügt - in Europa, denen Trumps Wahlsieg seit Monaten Kursgewinne beschert, die sie mehr als ein Jahrzehnt nicht kannten. Auch in der Wirtschaft, zumal in der USamerikanischen Wirtschaft, hat sich Trump bisher kaum Feinde gemacht. Und auch in der Politik erkennt man zunehmend, dass nicht alle Pläne des neuen US-Präsidenten "wirres Zeugs" , wie das eine Zeitung nannte, sind. Manche seiner Ideen, wie etwa eine völlig neue Art der Unternehmensbesteuerung, bei der die Unternehmen nicht mehr dort besteuert werden, wo sie produzieren, sondern dort, wo sie verkaufen, werden als diskussionwürdig erkannt.

Es geht nicht darum, das Phänomen und die Gefahr Trump klein zu reden, sondern es muss darum gehen, den US-Präsidenten, und schätzt man ihn noch so gering, ernst zu nehmen - schon alleine Kraft seines Amtes.

Es wäre verhängnisvoll, ihn weiter so zu unterschätzen, wie man es bisher der Einfachheit und oft auch um der Unterhaltung und dem Gaudium wegen, getan hat. Langsam beginnt sich zumindest diese Erkenntnis breit zu machen. Das gibt zumindest Hoffnung, dass nicht alles den Bach hinununter geht, was uns über Jahrzehnte Wohlstand und Frieden beschert hat.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 9. März 2017

Samstag, 4. März 2017

In zehn Jahren ein Drittel weniger Milchbauern



Bauern und Molkereien fordern von Handel und Tourismus mehr als Lippenbekenntnisse.

Hans Gmeiner

Salzburg. Die schlechten Milchpreise hinterließen in der heimischen Landwirtschaft auch im Vorjahr deutliche Spuren. Ersten Schätzungen zufolge ging die Zahl der Milchbauern abermals um mehr als drei Prozent auf etwas mehr als 28.000 zurück, das sind um rund ein Drittel weniger als noch vor zehn Jahren. Auch wenn sich die Preise in den vergangenen Monaten erholt haben, ist die Stimmung bei den Milchbauern nicht gut.

Zum einen befürchtet man, dass ein Verbot der Anbindehaltung, wie es derzeit diskutiert wird, vor allem für viele kleinere Betriebe wegen der hohen Umbaukosten das Aus bedeuten würde. Zum anderen traut man der Erholung am Milchmarkt nicht recht. Josef Moosbrugger, in der Landwirtschaftskammer Österreich oberster Milchbauernvertreter, gibt sich vorsichtig optimistisch, dass der Trend hält. Dass in Deutschland gerade in den vergangenen Tagen im Handel die Preise für Butter gesenkt wurden, verunsichert aber die Bauern.

Bei der traditionellen Fachtagung des Handelsfachmagazins „Regal“ am Donnerstag in Salzburg forderten Vertreter von Landwirtschaft und Molkereien neuerlich vom Lebensmittelhandel mehr Entgegenkommen. „,Fördern und fordern‘ war einmal die Linie“, sagte Helmut Petschar, Sprecher der heimischen Molkereien. „Sie wird von den Einkäufern als ,fordern und fordern‘ interpretiert.“ Er nahm auch die Gastronomie und den Tourismus in die Pflicht: „Wir brauchen mehr als Lippenbekenntnisse.“

Für den Handel seien die Molkereiprodukte „strategisch, rational und emotional“ von zentraler Bedeutung, sagte Spar-Vorstand Fritz Poppmeier. Die Herausforderung sei, die Trends noch schneller aufzugreifen, bestätigten auch Alfred Propst von Rewe und Andreas Haider von Unimarkt. Gerade in den vergangenen Jahren kam es zu bemerkenswerten Verschiebungen. Fruchtjoghurts, jahrelang der Verkaufshit, verlieren Marktanteile, fettreiche Joghurts zählen zu den Gewinnern. Sorge macht, dass, wie GfK Austria erhob, in den Familien immer weniger Milchprodukte gebraucht werden. Mit insgesamt 241 Mill. Euro gaben Familien für Milch, Käse, Butter und Joghurt um 15 Prozent weniger aus als vor fünf Jahren.

Endgültig gestorben ist das Projekt „Freie Milch“ der IG Milch. Die Alpenmilch-Logistik, die zuletzt die Milch von 160 „Milchrebellen“ vermarktete, stellt mit Ende März den Betrieb ein. Rund 100 der Lieferanten haben bei den einst so heftig kritisierten Molkereien bereits wieder Unterschlupf gefunden. Der Rest, vorwiegend Bauern aus dem Mühl- und Waldviertel, ist noch auf der Suche. Die IG-Milch-Chefs beklagen, dass sie nirgendwo mit offenen Armen empfangen werden.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 4. März 2017

Freitag, 3. März 2017

Der Papa wird's schon richten



Es klang richtig resch im Herbst 2009 auf der Rieder Messe. „Es kann doch nicht sein, dass sich eine intelligente Minderheit von einer dummen Mehrheit pflanzen lässt“, tönte Ewald Grünzweil, damals wie heute Obmann der IG Milch, vor hunderten Milchbauern. Die Milchkrise hatte gerade einen ihrer Höhepunkte erreicht. Die Stimmung zwischen den Molkereien, der IG-Milch, die damals noch mehre tausend Mitglieder zählte, und der Agrarpolitik kochte. Es ging um Lieferstreik und Milch wegschütten. Richtige Kampfstimmung herrschte im Saal. „Ich habe in den vergangenen Tagen die Hosen gestrichen voll gehabt“, wird der IG-Milch-Chef in Zeitungsberichten zitiert. „Aber worauf wollen wir noch warten?“, rief er in den Saal. „Die Chance ist historisch.“

Man weiß, wie alles ausging. Jetzt sind es viele der Bauern, die dem IG-Milch-Chef damals folgten, die die Hosen gestrichen voll haben. Nach dem Aus des Freien Milch-Abenteuers stehen noch rund 100 ehemalige Milchrebellen mit April ohne Abnehmer da.
Aus Überzeugung, mit Lust und Dreistigkeit wurden seinerzeit alle Brücken zu Molkereien und Politik abgerissen. Und mit einer großen Portion Bösartigkeit und Verachtung dazu. Nun sollen die Molkereien und die Agrarpolitik den Scherbenhaufen wieder zusammenräumen verlangt man. Und die, die damals als die "dumme Mehrheit" geschimpft wurden, jene Bauern die ihren Genossenschaften die Treue hielten, sollen das akzeptieren. Das hat, mit Verlaub, etwas von kleinen Buben, die etwas angestellt haben und die dann am liebsten hätten, dass alle sagen "Schwamm drüber".

Es wird schon zu einer Lösung kommen, dass man diesen Bauern keine roten Teppiche auslegt und dass niemand Hurra schreit, aber ist verständlich. Zuviel Porzellan wurde zerschlagen.
Dass sich nun just jene Leute, die mit ihrer Rabiat-Rhetorik der Art "freie Milch von freien Bauern" seinerzeit maßgeblich dazu beitrugen, dass nun so viele Bauern in einer misslichen Lage stecken, sich nun wieder als Bauernretter aufzuspielen und zu profilieren versuchen, ist bei Licht betrachtet, freilich nichts denn eine Bankrotterklärung - sogar eine, mit Verlaub, ziemlich freche. Dass Leute wie der Grüne Abgeordnete Wolfgang Pirklhuber nun sogar den Bauernbundpräsidenten Jakob Auer, den bestgehassten Agrarpolitiker just in jenen Kreisen, die er nun retten soll, als Helfer in die Pflicht nehmen will, macht wie vieles andere auch, Kopfschütteln.

Dass Pirklhuber seinerzeit den Lieferstreiks das Wort redete, mit denen die nun für viele Bauern so desaströse Entwicklung in Gang kam? Nicht der Rede wert. Nicht anders verhält es sich mit den Protagonisten der IG-Milch. Auch sie scheint nicht zu kümmern, was sie gestern gesagt haben. Sie sind auch heute noch überzeugt, alles besser zu wissen.
Hier geht es nicht um Abrechnung und Schadenfreude, sondern darum, das merkwürdige Verhältnis zur Verantwortung mancher der Herrschaften, die sich gerne als die Guten in der Agrarpolitik und in der Landwirtschaft geben und die glauben, alles besser zu wissen, ins richtige Licht zu rücken.

Dabei sei durchaus anerkannt, dass oft wichtig ist, was sie tun. Sie sollten dabei aber das Augenmaß bewahren. Und sie sollten sich, das vor allem, nie wieder so abgehoben fühlen, dass sie Sätze sagen, wie "Es kann doch nicht sein, dass sich eine intelligente Minderheit von einer dummen Mehrheit pflanzen lässt".
Denn dann muss man möglicherweise wieder zu "Papa" Auer, damit der es richtet.
 
Gmeiner meint - Blick ins Land, 3/17,  3. März 2017

Donnerstag, 2. März 2017

Doch nur Bürgermeister - und nicht Gott



Wien und der Rest von Österreich - das ist eine eigene Geschichte. Eine lange. Man weiß es. Wenn man die letzten Wochen verfolgt, bekommt man auch eindrücklich vor Augen geführt, warum das so ist. In der Verwaltung der Bundeshauptstadt, von der aus man sonst so gerne geringschätzig auf die Provinzler blickt, tun sich ganz unglaubliche Abgründe auf.

Die Wiener Stadtpolitik zeigt ein Sittenbild, das man in Österreich längst überwunden glaubte. Es bieten sich in vielen Bereichen Zustände, die man nicht mehr vermutete in diesem Land. Was in diesen Wochen ruchbar wurde, ist, zumal, wenn es so dicht daherkommt, kaum mehr zu fassen und erfüllt jedes der Vorurteile, die man im Land gemeinhin gegen Wien hat. Von der den Wienern eigenen Überheblichkeit, über die Schlitzohrigkeit, die Schlampigkeit und den Schlendrian bis hin zum aufgeblasenen Selbstbewusstsein, das keine Grenzen kennt, wenn es darum geht, sich die Dinge zu richten.

"Die skandalträchtigsten Baustellen finden sich im Wohnbau, bei der Gesundheit und im Bildungsbereich", war dieser Tage in den Medien zu lesen. Und von Schludrigkeiten bei der Vergabe der Mindestsicherung und vielem anderen mehr.

So soll bei der stadteigenen Gesellschaft "Wiener Wohnen" bei Renovierungsarbeiten im Zusammenwirken mit Bediensteten der Gesellschaft in großem Stil betrogen worden sein. Die Rede ist von 65 Millionen Euro, um die es dabei gehen soll und von 93 Personen, die die Korruptionsstaatanwaltschaft als Beschuldigte führt. Rund ein Drittel von ihnen sollen Beamte und Vertragsbedienstete der Stadt Wien sein. Es geht dabei um ungustiöse Dinge wie Preisabsprachen, Verrechnung nie erbrachter Leistungen und überhöhte Rechnungen. "So seien Wohnungen nur ein Mal ausgemalt, aber sieben Anstriche verrechnet worden", merkt eine Zeitung an.

Missbrauchsfälle von Subventionen und Mängel bei der Kontrolle von Fördergeld brachte der Bericht des Stadtrechnungshofes auch bei den Kindergärten auf. Kassiert wurde etwa zuweilen da und dort für Kinder, die gar nicht betreut wurden. In schlechter Erinnerung sind noch die Pleite der "Alt-Wien"-Kindergärten im vergangenen Sommer und die freizügigen Vergaben von Fördermitteln und Konzessionen an vorwiegend türkische Kindergartenträger. Ins Bild passt auch, dass der Betreiber eines islamischen Bildungszentrums in Floridsdorf, das vor mehr als einem halben Jahr in Konkurs ging, mittlerweile in U-Haft sitzt. Ermittelt wird gegen ihn wegen Untreue, Förderungsmissbrauchs und betrügerischer Krida.

Und es stimmt offenbar wirklich, was man zunächst gar nicht glauben wollte. Bei der Überprüfung der Auszahlung der Mindestsicherung fand der Rechnungshof heraus, dass die zuständige Magistratsabteilung nur 63 Prozent der zur Kontrolle vorgeschriebenen Akten tatsächlich geprüft hat. "Akten seien auch 'verschollen'", wurde berichtet. Und "in vielen Fällen wurde nicht einmal nach einem Lichtbildausweis gefragt". Auch an Nicht-Österreicher, deren Aufenthaltsbewilligung abgelaufen war, sei noch monatelang Mindestsicherung ausbezahlt worden. Irgendwo weit hinten im Balkan kann es kaum anders sein.

"Ich bin ein lockerer Bursche", sagte der nie um einen Spruch verlegene Bürgermeister Michael Häupl einmal. Es ist ihm wohl recht zu geben, ein allzu lockerer Bursche. Seine Bilanz nimmt mittlerweile desaströse Ausmaße an. Die Finanzen der Stadt scheinen ihm längst völlig entglitten und mit ihm jede politische Gestaltungskraft. Der Schuldenstand der Bundeshauptstadt hat sich in den wenigen Jahren seit 2007 auf mittlerweile rund 5,4 Mrd. Euro fast vervierfacht. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie in keinem anderen Bundesland. Und nirgendwo sonst im Land geht es mit dem Wohlstand so schnell bergab wie in der Bundeshauptstadt. "Die Wiener werden ärmer und schwächer", schreiben die Zeitungen. Beim verfügbaren Einkommen pro Einwohner rangiert man ex aequo mit Kärnten inzwischen auf dem letzten Rang.

Da hat einer die Dinge ganz offensichtlich nicht mehr im Griff. Michael Häupl hat den Absprung verpasst. Nun ist er -eingezwängt in Flügelkämpfe in seiner Landespartei und weit entfernt davon, die Dinge noch selbst lenken zu können -dabei, zu einer tragischen Figur der heimischen Politik zu werden.

Er ist eben doch "nur Bürgermeister und nicht Gott", wie er einmal sagte, als er die Stadt noch im Griff hatte und sich richtig einzuschätzen wusste.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 2. März 2017
 
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