Donnerstag, 23. Mai 2013

Aus dem Ruder



Die Aufwärmphase für den Nationalratswahlkampf läuft. Sicheres Zeichen dafür sind die immer neuen Steuerzuckerln, die als Köder unters Volk geworfen werden. "Ich habe in etwa 7,5 Milliarden ‚Wünsch dir was‘ auf meinem Schreibtisch“, stöhnte kürzlich Finanzministerin Fekter und wollte damit wohl vor allem die SPÖ anprangern. Von dort, in Person ihres Staatssekretärs Schieder, kam prompt der Konter. Die VP-Ideen von Kinderfreibetrag bis zur Abgabenbefreiung der Mitarbeiterbeteiligung würden elf Milliarden kosten, ließ er wissen.

Was immer davon zu halten ist und in welcher Form was kommen wird, ist schwer vorauszusagen. Von Gegenfinanzierungsmodellen und Steuerreformen ist zwar die Rede, aber man kann schon jetzt sicher sein, dass alles den Steuerzahler respektive die Steuerzahlerin in den kommenden Jahren wohl noch mehr strapazieren wird.

Das war immer noch so und es ist kein Grund zu erkennen, dass es diesmal anders laufen wird.

Dabei wäre nichts nötiger als das. In kaum einem anderen Land der Welt greift der Staat so tief in die Brieftaschen wie bei uns. Dabei ist Österreichs Steuersystem in den vergangenen Jahren durch die Leichtfertigkeit der Politik, durch ihre Nachgiebigkeit und ihre Freizügigkeit in der Bedienung ihrer jeweiligen Klientel völlig aus dem Ruder gelaufen und längst dabei sich selbst zu konterkarieren.

Da ist kaum mehr etwas, das zusammenpasst. Da nimmt sich vieles regelrecht skurril aus. Und da sind die ursprünglichen Ziele längst von der Realität zur Farce gemacht worden. Das beginnt damit, dass nur 1,8 Millionen von 8,5 Millionen Österreicher mehr Geld in die diversen öffentlichen Kassen einzahlen, als sie von dort bekommen. Für den großen Rest ist das Steuer- und Sozialversicherungssystem ein Geschäft. Sie bekommen aus dem System mehr heraus, als sie hineinzahlen.

Dazu gehört zuvorderst jenes Drittel der Österreicherinnen und Österreicher, die überhaupt keine Steuern zahlen. Und das sind nicht nur manche Bauern, wie die SP nach wie vor immer noch bei jeder Gelegenheit gegen den Koalitionspartner stichelt. Das sind auch hunderttausende Teilzeitarbeitskräfte, kleine Selbstständige, denen trotz aller Plagerei nichts bleibt, Pensionisten und Beschäftigte am untersten Ende der Lohnskala.

Das hat mit dem hohen Einstiegstarif zu tun und auch damit, dass die Arbeitskosten und Abgaben in Österreich besonders hoch sind. In kaum einem anderen Land der Welt kommt von dem Geld, das ein Arbeitgeber für die Entlohnung aufwendet, ein so geringer Teil bei den Mitarbeitern an wie hierzulande. Einer von zwei Euros geht auf der Strecke an die öffentlichen Hände und die Sozialversicherung verloren. Als Dienstgeberbeitrag, als Lohnsteuer, als Sozialversicherungsbeitrag und Ähnliches. Rund 55 Prozent eines durchschnittlichen Arbeitseinkommens in Österreich landen so in den öffentlichen Kassen. Selbst bei kleinen Einkommen wird groß mitgeschnitten. Dafür, dass ein Bauarbeiter, ein Magazineur oder ein Fleischergehilfe am Monatsende wenigstens 1149 Euro auf seinem Lohnkonto hat, muss sein Arbeitgeber 1968 Euro aufwenden.

Damit ist es freilich noch nicht getan. Geht man davon aus, dass ein Großteil der Löhne in Konsum- und Mietausgaben fließt, holt sich der Staat von den verbleibenden 1149 Euro noch einmal zwischen zehn und 20 Prozent in Form der Mehrwertsteuer.

Vor diesem Hintergrund nimmt sich das aktuelle Plakat der SPÖ, auf dem "Arbeit, von der man leben kann“ gefordert wird, als Bankrotterklärung aus. Ist es doch genau diese "SPÖ, die Partei der Arbeit“ (als die man sich auf dem Plakat bezeichnet), die als Regierungspartei über Jahrzehnte dazu beigetragen hat.

Schuld daran sind, auch wenn das die Sozialdemokraten so sehen wollen, sicher nicht die, die sie nun als "Reiche“ zum Ziel all ihrer Steuerbegehrlichkeiten machen. Die zahlen nämlich jetzt schon einen Gutteil der österreichischen Staats-Party. Auf die obersten zehn Prozent in der Lohnstatistik entfallen zwar nur rund 20 Prozent der gesamten Einkommen, aber 50 Prozent der gesamten Lohnsteuer.

Darum greift es wohl zu kurz, etwa diese Gruppe noch stärker zu besteuern. Da braucht es andere Konzepte, um in Österreich Steuergerechtigkeit herzustellen. Die sind immerhin angekündigt. Ob sie das Papier wert sein werden, auf dem sie geschrieben werden, muss sich dann freilich erst weisen. So viel ist freilich schon jetzt klar: Glühender Optimismus ist nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht angebracht.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 23. 5. 2013

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