Donnerstag, 16. Mai 2013

Land der Sofademokraten



Der Bundespräsident gab sich ganz auf der Höhe der Zeit. Via Youtube rief er die p.t. Damen und Herren Studenten auf, doch an den in dieser Woche stattfindenden ÖH-Wahlen teilzunehmen. "Mitbestimmen, mitreden ist viel besser als zuhause bleiben und nachher schimpfen“, versuchte Heinz Fischer der Studentenschaft ins Gewissen zu reden.

Weit unter 30 Prozent lag in den vergangenen Jahren bei den ÖH-Wahlen die Wahlbeteiligung. Damit sind die Studenten zwar die Schlusslichter, was das Interesse an Wahlen angeht, sie brauchen sich darob aber in Österreich nicht sonderlich zu schämen. Da hat in den vergangenen Jahren das Interesse zu Wahlen zu gehen fast überall dramatisch nachgelassen. Nicht einmal so dramatische politische Konstellationen wie jüngst in Salzburg locken die Wählerinnen und Wähler hinter dem Ofen hervor. Dass dort knapp über 60 Prozent der Wahlberechtigen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten, gilt selbst Politikwissenschaften und professionellen Politik-Beobachtern als passabel und zufriedenstellend. Man ist bescheiden geworden.

Mit der Demokratie, den Verpflichtungen, die sie mit sich bringt und der Verantwortung dafür, geht man nicht sonderlich pfleglich um in Österreich. Da hält man es allemal lieber so, wovor Heinz Fischer warnt - man bleibt zu Hause und schimpft. Das mussten auch die Initiatoren des Demokratie-Volksbegehrens zur Kenntnis nehmen. Kein Mensch ging hin. Das Volksbegehren, das mehr direkte Demokratie in Österreich verankern wollte, wurde mit einer Beteiligung von gerade einmal 1,1 Prozent zum zweitgrößten Flop in der Geschichte der Volksbegehren.

Die Österreicherinnen und Österreicher sind Sofa-Demokraten. Sie schauen allenfalls von Weitem zu - wenn überhaupt. Zu verdenken ist es ihnen nicht. Der politische Niedergang der vergangenen Jahrzehnte, all die Zumutungen und Enttäuschungen, all die leeren Versprechen und die ewig hohlen Phrasen haben die Österreicherinnen und Österreicher mürbe gemacht und müde. Politikmüde. Politik ist in Verruf gekommen in diesem Land.

Dem Land tut das nicht gut. In vielerlei Hinsicht. Klüngel machen sich breit, das Niveau versinkt, das Land verliert international an Reputation. Und, was wohl am schwersten wiegt - die Bevölkerung macht sich selbst zum Spielball. In der heimischen Politik geht es immer öfter nicht um die Bedürfnisse aller Menschen und des Staatsgesamten, sondern um die Interessen einzelner Gruppen. Die Parteien orientieren sich nicht daran, was die Menschen brauchen, sondern mangels echtem Kontakt zur Wählerschaft daran, was sie meinen, dass sie brauchen. Der Unterschied ist oft gravierend. Und für die Menschen enervierend. Und Grund dafür, sich erst recht von der Politik abzuwenden.

Die Parteien tun nichts, um diese Entwicklung zu stoppen. Im Gegenteil. Hört man zu, was die Damen und Herren Politiker Woche für Woche von sich geben und versucht man ohne parteipolitische Färbung zu werten, was sie tun, verfestigt sich der Eindruck, dass sie das Interesse der Bevölkerung an ihrem Tun immer noch für zu groß halten. Noch ein paar Fotos von Ministern mit Kindern, noch ein paar Untergriffigkeiten gegen den politischen Gegner, noch ein paar sinnentleerte Aktionen, wie das Auffüllen von Sand-Spielkisten in Privatgärten und noch ein paar Versprechen, deren fehlende Substanz greifbar ist. Das Instrumentarium die Bürgerinnen und Bürger zu vertreiben, scheint unendlich wie der Fundus an Zumutungen.

Der Glaubwürdigkeit und der Authentizität, die man sich von der Politik und den Politikern wünscht, kommen derzeit einzig die Grünen nahe. Nicht umsonst gelingt es Leuten wie Astrid Rössler in Salzburg die Stimmenanzahl fast zu verdreifachen. Dass die Grünen aus den heurigen Wahlen durchwegs als Sieger hervorgingen, hat auch damit zu tun, dass dort der Anteil der "Sofademokraten“ am geringsten ist. Und es hat damit zu tun, dass dort das politische Engagement auf beiden Seiten am lebendigsten und ehrlichsten ist - auf der Seite der Politikerinnen und Politiker und auf jener der Wählerinnen und Wähler.

Es würde den anderen Parteien, zumal den beiden Großparteien, nicht schaden, sich zumindest in dieser Hinsicht an den Grünen ab und an zu orientieren. Wie die Dinge in den vergangenen Wochen liefen, scheint das aber ein frommer Wunsch zu bleiben. Und so wird der Politikfrust wohl auch nach den Nationalratswahlen wieder zentrales Thema der Analysen sein.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Mai 2013

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