Donnerstag, 16. Januar 2014
48.000 Sparmöglichkeiten
Superflott hat die neue Regierung die ersten Steuererhöhungen beschlossen. Tabaksteuer, Sektsteuer, Nova. Da hatte noch nicht einmal jeder Minister seinen Sessel oder, wie die Familienministerin Sophie Karmasin, das richtige Türschild. Dass dort immer noch der Name Fekter prangte, tat dem Tempo keinen Abbruch. Die Regierung, respektive der Staatshaushalt, braucht Geld. Dringend, wie wir wissen. Und da sind neue Steuern, Wahlversprechen hin oder her, die einfachste Möglichkeit zu ein paar Cent zu kommen. Mehr sind die 780 Millionen Euro im Anblick des Gesamtbedarfs nicht. Und die knapp 500 Millionen Euro, die alle Ministerien vor allem bei Ermessenausgaben sparen wollen, auch nicht. Das sind gerade einmal 0,3 Prozent der Staatsausgaben, haben die Experten der wirtschaftsliberalen Agenda Austria errechnet.
Die notwendige Eile und die Chuzpe, ein zentrales Wahlversprechen im Nu über Bord zu werfen, hat auch damit zu tun, dass in keinem anderen Land Europas so viel Geld für Förderungen aufgewendet wird wie bei uns. Dass Österreich den in dieser Disziplin durchaus als fragwürdig einzustufenden Titel Europameister trägt, ist nun sogar amtlich. "Die Geldleistungen aller Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) zur Förderung von Unternehmen und Privatpersonen machten 2012 in Österreich insgesamt 80 Mrd. € oder 25,7 % des BIP aus", hält die Parlamentskorrespondenz penibel in einer Aussendung fest. "In Europa ist das ein Spitzenwert", fügt man an und nennt gleich auch die Vergleichszahlen. Demnach werden im europäischen Schnitt nur 19,4 Prozent des BIP für Förderungen verwendet, liegt der Durchschnitt im Euro-Raum bei 20,4 Prozent. Von Deutschland mit 18,4 Prozent ist man hierzulande himmelweit entfernt und selbst von Frankreich mit seinen 22,2 Prozent auch noch ein großes Stück.
Aber das passt zu einem Land, in dem sich Politik über das Ausschütten von Geldmitteln für die jeweilige Klientel definiert, in dem Anspruchsdenken mit der Muttermilch eingesaugt wird und in dem man nirgendwo daran denkt, einen eigenen Handgriff zu machen, ohne zuerst die Zusicherung von Fördergeldern in der Tasche zu haben. Das gilt für die Blasmusik genauso, wie für die Kulturinitiative, den Käufer eines Elektrofahrrades, den kleinen Bauern und den großen Konzern. Alle wollen nehmen. Und keiner will davon lassen. Und die meisten kriegen auch. 48.000 Förderungen gibt es in Österreich, hat der neue Finanzminister Spindelegger in einem seiner zahllosen Antrittsinterviews gesagt. Vom Bund, von den Ländern, von den Gemeinden.
48.000 Förderungen, das ist nicht wenig. 48.000 Förderungen, die von tausenden Beamten ausgetüftelt wurden, 48.000 Förderungen, die von tausenden anderen Beamten verwaltet werden müssen, 48.000 Förderungen, die von weiteren tausenden Beamten berechnet werden müssen, 48.000 Förderungen, die von abermals tausenden Beamten kontrolliert werden müssen. Und weil man längst den Überblick über all die 48.000 Förderungen verloren hat, arbeiten weitere tausende Beamte seit Jahren an etwas, was als Transparenzdatenbank Durchblick bringen soll.
So betrachtet ist es allein von da her müßig, sich über den heimischen Verwaltungsapparat und die Kosten, die er verschlingt, zu wundern. Und müßig, sich zu wundern ist auch, dass man längst den Überblick über all die Förderungen verloren hat. Kreuz und quer geht es längst, Doppel-und Dreifachförderungen sind gang und gäbe. Und ob die Förderungen dort ankommen, wo sie hin sollen, ist in vielen Fällen längst genauso anzweifeln, wie ihr Nutzen oft in Frage zu stellen ist. Viel zu oft gelangt das Geld nicht bei denen, die es wirklich brauchen, sondern zu denen, die am lautesten schreien und die sich am besten drauf verstehen, sich im Dschungel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zurecht zu finden.
"Das österreichische Fördersystem ist intransparent und nicht effizient genug", wird von Experten kritisiert. "Aufgebläht" gilt es dem Wirtschaftsforschungsinstitut und "intransparent". Und schlampig verwaltet noch dazu. "Allein durch wirksamere Kontrolle könnte eine Milliarde Euro eingespart werden", mutmaßen die Wirtschaftsforscher.
Aber das bräuchte dann wohl wieder tausende Beamte. Möglicherweise.
Es besteht freilich der Verdacht, dass die leichter aufzubringen wären, als endlich den Dschungel zu lichten - was dann freilich kontraproduktiv wäre und Österreichs zweifelhaften europäischen Spitzenplatz einzementieren würde.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. Jänner 2014
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