Donnerstag, 10. Dezember 2015
Land der Spendenpolitiker
In diesen Tagen und Wochen vor Weihnachten ist man gerne gut in diesem Land. Man spendet. Für Licht ins Dunkel, für die Caritas, für das SOS-Kinderdorf, für Ärzte ohne Grenzen, für NGOs wie Greenpeace oder Global 2000 und, und, und. Immer dickere Bettelbriefe mit anrührenden Geschichten und oft kleinen Geschenken öffnen die Brieftaschen der Österreicherinnen und Österreicher.
Rund 30 Prozent des jährlichen Spendenaufkommens machen die Organisationen rund um Weihnachten. Rund 600 Millionen werden es heuer sein, um fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor. "Spendenrekord" vermeldete kürzlich der Fundraising Verband Austria.
Auch wenn man sich hierzulande zuweilen gerne mit dem Titel "Spendenweltmeister" schmeichelt - davon ist man weit weg. Mit den 75 Euro pro Kopf und Jahr, die hierzulande gespendet werden, liegt man weltweit nur auf Rang 23.
Zufrieden darf man dennoch sein, steht doch die Spendenfreudigkeit in krassem Gegensatz zu Neid und Habgier, die in diesem Land so häufig die politische und gesellschaftliche Diskussion bestimmen. In der man einander nichts zu gönnen scheint und in der man einander so oft nachgerade vorsätzlich nicht verstehen will. Es scheint, als wolle man sich nicht aus der Hand nehmen lassen, selbst zu entscheiden, was man für gut und unterstützungswürdig hält und was nicht. Als wolle man mit den Spenden selbst eingreifen und versuchen, die Dinge im Rahmen des Möglichen zumindest ein klein wenig zu beeinflussen.
Nachzuvollziehen ist dieses Verhalten allemal. Eine Spende für eine Hilfsorganisation der Wahl ist ohne Zweifel zielführender, zielgerichteter und vor allem befriedigender, als alle paar Jahre das Kreuzerl bei einer politischen Partei zu machen.
Immer mehr Leute verstehen allem Anschein nach ihre Spende als Korrektiv zu politischen Fehlentwicklungen und politischen Fehlleistungen. Und die gibt es längst nicht mehr nur in der Entwicklungshilfe, dem einst klassischen Ziel von Spendengeldern. Längst braucht es inzwischen auch in Österreich selbst diese Spendengelder, um überforderte oder gar versagende öffentliche Strukturen zu ergänzen und zuweilen gar deren Aufgaben zu übernehmen.
Die Betreuung und Unterbringung der Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan in den vergangenen Monaten ist so ein Beispiel dafür. Und die vielfältigen Angebote des Roten Kreuzes, der Caritas, der Diakonie und vieler anderer Organisationen nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für die Schwächsten unserer Gesellschaft, sind ein weiteres. Ohne diese Arbeit würde Österreich anders aussehen, ohne dieses Engagement wäre längst vor allem an den Rändern der Gesellschaft viel aus dem Lot geraten.
Als Korrektiv sehen immer mehr Menschen ihre Spendentätigkeit auch immer öfter in anderen Bereichen. Dort geht es oft nicht um Hilfe, sondern um Durchsetzung von politischen Zielen, die man als zu kurz gekommen sieht. Das freilich hat eine andere Qualität. Greenpeace, Global 2000, der Verein gegen Tierfabriken und wie all die NGOs heißen, sind längst ein Faktor in der politischen Diskussion geworden. Über ausgefeilte Werbe-und Medienstrategien oft weit jenseits jeder Seriosität gewinnen sie zunehmend an Gewicht. Demokratische Grundsätze, oft auch Gesetze und Transparenz, spielen ihnen wenig Rolle. Und auch nicht, dass ihre Methoden oft fragwürdig sind. Sie nehmen sich, was sie wollen und sie haben zumeist keine Scheu, es ohne Rücksicht und ohne Legitimation kraft ihrer Größe, ihres Einflusses, ihrer Beziehungen zu Medien und ihrer Finanzstärke durchzudrücken. Geld spielt schließlich keine Rolle. Alleine in Österreich sammelten sie in den vergangenen sechs Jahren mehr als 150 Mio. Euro. Damit lässt sich etwas bewegen in diesem Land. Das weiß man und das nutzt man auch weidlich aus. Die Landwirtschaft, aber auch viele andere Wirtschaftszweige können ein Lied davon singen. Und das gleicht weniger einer Melodie als vielmehr einem schmerzvollen Quietschen.
Aber offenbar braucht das Land auch diese Organisationen. So wie man die braucht, die im Sozialbereich wirken. Die freilich sind fern davon, über die Grenzen des Rechtsstaates zu gehen oder gar das demokratische Gefüge auszuhebeln. Die anderen sind das nicht. Und das ist nicht gut. Nicht für das Land. Und - hoffentlich - auch nicht für diese Organisationen.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. Dezember 2015
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