Donnerstag, 1. März 2018
"Schlicht und einfach nur ein Skandal"
Sepp Schellhorn ist ein gebranntes Kind. 23 Mal wurden die Betriebe des Salzburger Gastronomen vom Arbeitsinspektorat, von der Lebensmittelaufsicht, der Gebietskrankenkasse, der AUVA, der Finanz und vielen anderen Stellen kontrolliert, seit er vor viereinhalb Jahren für die NEOS in den Nationalrat einzog. Selbstredend, dass es für ihn ein gefundenes Fressen war, als die Wiener Stadtzeitung "Der Falter" vorige Woche aufdeckte, dass es für die Arbeitsinspektorate ganz offenbar Zielvorgaben bei den Betriebskontrollen gibt. Mindestens 38 Prozent der Kontrollen müssen, so verlangt es ein Erlass, auch zu Beanstandungen führen. "Dass es offensichtlich eine Order gibt, dass Beanstandungen gemacht werden müssen, ist sehr bedenklich", schimpfte Schellhorn auf Facebook. "Schließlich sind es gerade die klein-und mittelständischen Unternehmen, die Arbeitsplätze in Österreich schaffen." Selbst der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer wollte da im aufdräuenden Salzburger Landtagswahlkampf nicht nachstehen und sagte, dieser Erlass sei "schlicht und einfach nur ein Skandal".
Auch wenn die neue Sozialministerin Hartinger-Klein diesen Erlass umgehend entschärfte und ihrem Vorgänger Alois Stöger in die Schuhe schob, glaubt man sofort, dass nach solchen Vorgaben gearbeitet wird. Zu viel war in den vergangenen Jahren von Klagen über Beanstandungen zu hören, denen der Geruch von Schikane anhaftet, zu viele fühlen sich zu oft nichts denn gequält.
"Die Inspektoren suchen oft lange, bis sie etwas finden, sagen die Unternehmer" - stand dieser Tage in einer Zeitung zu lesen. Und da geht es um weit mehr als die Vorschriften, die von den mehr als 400 Arbeitsinspektoren im ganzen Land kontrolliert werden. Ganze Bibliotheken könnten wohl inzwischen mit Geschichten gefüllt werden, mit dem, was nicht nur die Unternehmer, sondern viele andere auch, nicht nur mit den Arbeitsinspektoren, sondern auch mit vielen anderen Behörden mitmachen. Zu zerrüttet ist längst das Vertrauen, als dass man viel Verständnis aufbringen mag für die Erklärungen und Rechtfertigungen, die angeboten werden. Es sind die Bevormundung, die Entmündigung und das Einmischen in alle Bereiche, die als Zumutung und Belastung empfunden werden, die oft viel zu weit über die ursprünglichen Ziele hinausschießen und Verbitterung, Frust und Wut erzeugen.
Viel zu viel ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten passiert, als dass man all die Geschichten, die kolportiert werden, nicht glauben würde. Und es sind bei Gott nicht nur die Wirte, die darunter zu leiden hatten und haben. Es trifft praktisch alle, die ein Unternehmen führen. Man leidet unter der Kontrollbürokratie, man stöhnt unter dem, was einem abverlangt und auferlegt wird, wenn Tag für Tag Beamte und Kontrolleure ausrücken, um alles nachzumessen und nachzurechnen und zu prüfen, ob auch wirklich alles den tausenden von Vorschriften, die sich in den vergangenen Jahrzehnten angesammelt haben, auf Millimeter, Cent, Punkt und Beistrich entspricht. Da geht es um die Finanzprüfungen genauso wie um die Kontrollen der Krankenkassen, um Hygienevorschriften und zahllose andere mehr bis hin zu solchen, die immer noch in der Gewerbeordnung fortleben.
Und nicht nur Sepp Schellhorn fragt sich jetzt, ob es nicht in all diesen anderen Sparten und auch in ganz anderen Lebensbereichen wie bei Verkehrskontrollen nicht auch ähnliche Zielvorgaben gibt wie für die Arbeitsinspektoren. Der Verdacht liegt jedenfalls nahe und dass er gehegt wird, ist wohl keinem übel zu nehmen.
Die Bürokratie ist eine der ganz großen Geißeln des Landes. Sie hemmt die Wirtschaft, sie nervt die Betroffenen, sie kostet Kraft und sorgt viel zu oft nur für Ärger und Verdruss. Das Klima scheint nachhaltig vergiftet, nicht so sehr, weil es immer wieder ungeeignete und anmaßende Kontrolleure geben mag (unangenehme Zeitgenossen gibt es auch auf der Seite der Kontrollierten), sondern viel mehr wegen der schier unendlichen Zahl der Vorschriften, die einzuhalten sind.
Die neue Regierung hat sich den Kampf gegen diese Monster groß auf die Fahnen geschrieben. Es ist noch zu früh, darüber zu urteilen. Der Erlass, der dieser Tage für so große Aufregung sorgte, zeigte aber nachdrücklich, wie groß der Bedarf ist den Kampf aufzunehmen. Wieder einmal.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 1. März 2018
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen