Donnerstag, 8. März 2018

Wenn Verantwortung so groß wie Versuchung ist



Als das lange diskutierte "Überwachungspaket" der Bundesregierung vor zwei Wochen den Ministerrat passierte, war die Aufregung groß im Land. Man sei dabei, den "perfekten Überwachungsstaat" einzurichten -mit Handyortung, Videoüberwachung und Bundestrojaner. Die Sorgen sind durchaus verständlich und nachvollziehbar. Wer will schon, dass hinter ihm hergeschnüffelt und jeder Schritt verfolgt wird. Ohne die Pläne der türkis-blauen Regierung verteidigen oder verharmlosen zu wollen, gegen das, was in China läuft, sind das alles Kinkerlitzchen. In den vergangenen Wochen häuften sich die Berichte von europäischen Korrespondenten in Peking, die einen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen lassen. Am liebsten würde man gleich den Computer abstecken, sich ein Offline-leben einrichten und nur mehr Tarnkappe tragen.

Da wird davon berichtet, dass die chinesischen Sicherheitsbehörden seit Anfang Februar mit Polizeibeamten digitale Brillen testen, die Gesichter erkennen können. Basis dafür sind die biometrischen Daten aller 1,3 Milliarden Chinesen. "Die Reisenden bekommen es gar nicht mit, dass die Polizisten ihre Gesichter scannen", heißt es erstaunt. "Über Kopfhörer werden die Polizisten vor Ort informiert, ob die betroffene Person verdächtig ist". Gleich in den ersten Tagen wurde das dutzenden kleineren und größeren Schlawinern zum Verhängnis. Gesichtserkennungs-Software ist aber auch auf Drohnen installiert, die über Märkten kreisen oder auf kleinen Robotern, die auf Bahnhöfen auf-und abfahren.
Im größten Land der Erde sind auch ganz offiziell die Computer der Banken, Grenzbehörden und Flug-und Bahndienste vernetzt. 9,2 Millionen Menschen sollen inzwischen auf solcherart erstellten schwarzen Listen stehen. "Da sie nicht kreditwürdig sind, dürfen sie weder das Land verlassen noch Flugzeuge oder teure Hochgeschwindigkeitsbahnen nutzen."

Bis 2020 will Peking dem Vernehmen nach noch einen entscheidenden Schritt weitergehen. Die neuen Systeme der Überwachung sollen dann auch für die Erziehung und Bewertung der Bevölkerung eingesetzt werden. Seit drei Jahren laufen in verschiedenen Städten bereits Programme, bei denen das Sozialverhalten der Bürger, ihre Kreditwürdigkeit und ihr staatsbürgerliches Verhalten benotet werden. "Es geht darum, Wohlverhalten zu belohnen und Regelabweichungen zu bestrafen", schreibt ein Korrespondent. Festgehalten wird alles -ob man bei der Arbeit fleißig oder ob man beim Schwarzfahren erwischt worden ist. Alles wird zu einer Punktzahl addiert, die einem dann das Leben erleichtern und etwa bei der Wohnungssuche eine bevorzugte Behandlung bringen kann -oder die eben das genau Gegenteil davon bewirkt.


Auch wenn man sich nichts zuschulden hat kommen lassen, kann man als Bürger das nicht wollen. Dass die Besorgnis wächst, die manche schon jetzt umtreibt, wird da greifbar. Das Verständnis für die, die den Computer am liebsten nicht mehr angreifen würden, nimmt zu. Helfen wird ihnen das freilich wenig, jedenfalls nicht in dem von ihnen gewünschten Maß. Denn den technischen Fortschritt wird man nicht aufhalten können. Schon jetzt sind auch bei uns hinter vorgehaltener Hand Erzählungen von ungeheuren Datenansammlungen bei den verschiedensten Behörden und Organisationen in Österreich zu hören, die einen erschaudern lassen. Und da geht es nicht nur um die Daten, die wir über unser Internet-Surfverhalten nolens volens der Wirtschaft und insbesondere dem Handel preisgeben. Und es geht auch nicht um die Daten, die wir über Kundenkarten freiwillig zur Verfügung stellen. Da geht es um ganze Bewegungs-und Verhaltensprofile, die einen nicht nur für die Wirtschaft zum Freiwild machen, sondern auch für Behörden.

Weil man als Nutzer völlig ausgeliefert ist, ist ein sorgsamer Umgang mit den technischen Möglichkeiten vor allem von der Politik einzufordern. Sie muss sichere Rahmenbedingungen schaffen und trägt die Verantwortung dafür, dass kein Missbrauch getrieben wird. Auch nicht in dem Umfeld, für das man unmittelbar verantwortlich ist, in den Ämtern und Behörden. Auch wenn die Versuchung angesichts der Möglichkeiten, die sich bieten, noch so groß sein mag. Und auch wenn sich Erklärungen und Rechtfertigungen noch so leicht und vielleicht auch vordergründig-schlüssig anbieten mögen.

Daran ist auch unsere jetzige Regierung zu messen. Auch wenn es angesichts verschiedener Äußerungen schwerfallen mag.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. März 2018

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