Donnerstag, 10. Januar 2019

Plädoyer für etwas in Verruf Gekommenes



„Am Ende einen Kompromiss zu finden ist keine Schwäche, sondern zeichnet uns aus“. Das sagte der deutsche Bundespräsident Frank Walter Steinmeier in seiner Neujahrsansprache. Und vom deutschen Kabarettisten Dieter Nuhr stammen die Sätze Kompromisse sind das Wichtigste überhaupt. Weil wir nicht alleine sind auf der Welt. Den Zustand, Kompromisse auszuhalten, nennt man Zivilisation."

Es ist selten geworden, dass der Kompromiss gelobt wird. Diese Suche nach einem Ausgleich von Interessen und Ansprüchen, nach Lösungen, die für alle verträglich sind und die keine Verlierer machen. Die getragen sind von der simplen Idee des „leben und leben lassen“. 

Der Kompromiss gilt derzeit nicht viel in der Gesellschaft. Auch nicht in der politischen Diskussion und in der Politik. Nicht ohne Grund finden wir uns gerade in einer immer breiteren Diskussion über eine mögliche Spaltung der Gesellschaft, die inzwischen nicht nur von Parteien geführt wird, die damit oft nicht mehr als politisches Kleingeld machen wollen, sondern sogar vom Bundespräsidenten. 

Der Kompromiss, Kompromissbereitschaft auch, sind in den vergangenen Jahren in Verruf geraten. Aus der Mode gekommen als Haltung, sogar als Zeichen der Schwäche. Wer dem Kompromiss und dem Ausgleich anhängt, wird mittlerweile von vielen oft als „Kompromissler" verunglimpft. Denn anerkennend ist dieses Wort nicht, eher gilt es vielen als Schimpfwort. Als Synonym für Weichling, für Schwächling auch.

Wer Kompromisse sucht und für den besseren Weg hält, passt im Moment nicht recht in die Zeit, die scheinbar vor allem schwarz und weiß kennt und nichts mehr dazwischen. In der immer mehr nach dem Freund-Feind-Schema leben und in der viele meinen vor allen „klare Kante“, wie die Deutschen sagen, zeigen zu müssen und Härte auch. Kompromisslosigkeit eben.

Aus der Geschichte der vergangenen Jahre ist das durchaus verständlich. Zumal aus der österreichischen Geschichte. Klarheit war in den vergangenen Jahrzehnten nie etwas, was die Politik auszeichnete, aber auch das Denken und Handeln des Volkes. Schon gar nicht eine klare Linie und eine klare Richtung. Vor lauter Rücksichtnahmen und Ausnahmen verzettelte man sich viel zu oft und bliebt in der Entwicklung stecken. Zu oft wurde wohl der Kompromiss und die Suche danach überstrapaziert. Allzu oft waren die Kompromisse wirklich nichts denn faule Kompromisse. Mit allen negativen Folgen. Ideen, Konzepte und Lösungen blieben liegen, selbst Notwendiges wurde auf die lange Bank geschoben. Zu oft wohl wurde Kompromiss damit verwechselt, nötige Entscheidungen nicht zu treffen.

Es gibt nicht wenige, die meinen, damit sei viel angerichtet worden und dass deswegen erst allzu viele Dinge so sehr ins Schleifen gekommen sind, dass viele das ganze Land in eine Schieflage gekommen sahen. 

Aber, so ist angesichts der Entwicklung zu fragen, rechtfertigt das, den Kompromiss und die Suche danach aus der politischen Werkzeuglade auszusortieren? Ihn gering zu schätzen und schlecht zu machen? 

Man sollte es nicht tun. Auch wenn es in Vergessenheit geraten zu sein scheint, ist der Kompromiss die höchste Kunst in der Politik. Denn einen guten Kompromiss zu finden, macht gute Leadership aus. Und die hat nichts mit dem Durchdrücken von Interessen zu tun, ohne groß auf die andere Seite Rücksicht zu nehmen und darauf, was man damit bewirkt und oft auch anrichtet. Die hohe Kunst ist es vielmehr nach Ausgleich zu suchen und Lösungen zu finden, mit denen alle leben können und die eine Sache dennoch weiterbringen.

Österreichs Politik ist dabei sich davon zu entfernen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die Regierung macht es sich immer öfter zur Gewohnheit ihre Interessen im Schnelldurchgang durchs Parlament zu bringen ohne die Opposition zu hören. Aber auch die Opposition lässt bei all dem, was sie oft vernehmen lässt, Verständnis und Respekt für das vermissen, was die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher will.
Es ist an der Zeit, das wieder zu ändern. Auch wenn in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viel schief gelaufen sein mag und der Kompromiss in Verruf geriet – man sollte ihn wieder zu Ehren und Ansehen kommen lassen. Wie sagte Dieter Nuhr? „Kompromisse sind das Wichtigste überhaupt. Weil wir nicht alleine sind auf der Welt.“ Und : „Den Zustand, Kompromisse auszuhalten, nennt man Zivilisation."

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 10. Jänner 2019

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