Donnerstag, 3. Januar 2019

"Unsere Bauern" am Gängelband von Handel und Gesellschaft



Zuweilen wirkt es, als hätten es sich die heimischen Lebensmittelketten, aber auch manche Lebensmittelverarbeiter in den vergangenen Jahren zum Spaß gemacht, die Anforderungen an die Bauern für ihre Qualitätsprogramme, respektive das was sie dafür halten, immer höher zu schrauben. 

Mittlerweile fühlen sich viele Bauern in einem regelrechten Wettlauf gefangen. Wenn die eine Handelskette das verlangt, dann lässt sich die andere gleich etwas Zusätzliches einfallen. Bei den Verarbeitern ist das nicht anders, ist doch Applaus in Zeitungen, Funk und Fernsehen, von der Seitenblicke-Gesellschaft und selbsternannten Weltrettern immer sicher, bedient man doch damit perfekt, was sich die Gesellschaft angeblich wünscht - Tierwohl, Rettung der Umwelt und eine Landwirtschaft, wie man sie aus den Schulbüchern und von der Oma kennt. 

Auch wenn man sich in Handel und Politik gerne darauf beruft, damit auch auf „unsere Bauern“ zu schauen, tut man oft genau das damit genau das Gegenteil davon – man macht das Geschäft der Großen. Denn mit all den Vorschriften und Auflagen arbeitet man immer auch nolens volens eher einer groß strukturierten und auch industriellen Landwirtschaft sehr viel eher in die Hände, als dass man damit die kleinen Bauern (und damit auch die kleinstrukturierte Landwirtschaft) Chancen eröffnet und sie schützt. Denn gerade Landwirte mit wenig Flächen in zudem oft auch noch schwierigen Lagen, mit geringen Tierzahlen und ohne Fremdarbeitskräfte kommen finanziell und organisatorisch angesichts all der oft kostspieligen und aufwändigen Auflagen sehr viel schneller an ihren Grenzen, als Großbetriebe. Denn die tun sich leichter, all die Anforderungen zu bewältigen. 

Der Aufstand der Osttiroler Bauern gegen den Diskonter Hofer, der von seinen Zurück zum Ursprung-Biomilchlieferanten die ganzjährige Weidehaltung der Kühe und ab 2022 Laufställe verlangt, brachte das Problem endlich in die breite Öffentlichkeit. 
Es wäre zu wünschen, dass damit ein Wendepunkt markiert ist und ein Nachdenkprozess in Gang kommt. Denn der ist nicht nur bei manchen Eigenprogrammen des Handels und der Verarbeiter nötig, sondern auch auf vielen anderen Ebenen der Agrar- und Umweltpolitik.

Nicht ohne Grund geht in vielen, vor allem in bäuerlich geführten Betrieben, die Angst um, dass ihnen das immer engere Vorschriften- und Auflagenkorsett die Luft zum Leben nimmt. Der Bogen reicht von den vom immer restriktiveren und sachlich oft nicht mehr nachvollziehbare Umgang mit Themen wie Pflanzenschutz und Tierwohl, über Umweltauflagen bis hin zum Thema Genschere. Man verteuert die Produktion, verschlechtert damit die eigene Wettbewerbsposition und verzichtet auf neue Technologien.

In vielen Bereichen ist man nicht nur in Österreich, sondern auch ganz Europa dabei, sich auf diese Weise selbst aus den Märkten zu schießen und sich damit nicht nur die Versorgungssicherheit, sondern auch die Möglichkeit, die Dinge selbst zu beeinflussen und zu gestalten, aus der Hand zu nehmen zu lassen. 

Ganz abgesehen davon, dass man damit die kleinstrukturierte und flächendeckende Landwirtschaft und ihre über Jahrhunderte funktionierenden Strukturen in den Ruin treibt.

Gmeiner meint - Blick ins Land1/19 - 3. Jänner 2019

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