Montag, 8. Februar 2021

Bauern nutzten die Krise

Seit Beginn der Pandemie werden die bäuerlichen Direktvermarkter von Kunden überrannt. Die Bauern haben sich angepasst. Noch nie war es so einfach, bei ihnen einzukaufen. Neue Vermarktungskonzepte machen das möglich.

Hans Gmeiner  

Salzburg. Als im Frühjahr vorigen Jahres im ersten Lockdown in vielen Supermärkten die Regale teils leer waren, schlug die Stunde der gut 36.000 bäuerlichen Direktvermarkter. Bauern, die ihre Produkte ab Hof verkauften, wurden regelrecht gestürmt. Vor den Bauernläden gab es oft lange Warteschlangen, die Nachfrage explodierte. Direkt vor der Haustür boten die Bauern sichere Versorgung und Qualität, auf die man sich verlassen konnte.

Den Boom bestätigen auch die Zahlen der AMA-Marketing. Demnach schnellte der Ab-Hof-Verkauf im zweiten Quartal des Vorjahres, in den ersten Coronamonaten also, um nicht weniger als 41 Prozent in die Höhe. Nach einer Stabilisierung über den Sommer wies die AMA-Marketing für die ersten neun Monate des Vorjahres (jüngere Zahlen liegen nicht vor) immer noch ein Plus von 31 Prozent aus. Der Umsatz sprang in diesem Zeitraum allein in den Produktgruppen Fleisch, Milch und Milchprodukte, Eier, Obst und Gemüse gegenüber dem Vergleichszeitraum des vorangegangenen Jahres von 95 Millionen auf 125 Millionen Euro.

An dieser Entwicklung hat sich in den vergangenen Monaten kaum etwas geändert. „Die Nachfrage ist vor allem in und rund um Wien, aber auch in anderen Städten, immer noch größer als das Angebot“, sagt Christina Mutenthaler vom Netzwerk Kulinarik. „Wir müssen uns bei Konsumenten, die nach Einkaufsmöglichkeiten fragen, immer noch entschuldigen und sagen ,Es tut uns leid, wir finden gerade keinen Direktvermarkter, der noch hat, was Sie suchen‘.“ Das bestätigt auch Martina Ortner von der Landwirtschaftskammer. „Schon vor Corona gab es einen Trend zum Einkauf direkt bei den Bauern, aber seither ist die Zunahme enorm.“

Kaum eine andere Branche passte sich so schnell an die neuen Gegebenheiten an. Die Bauern zogen alle Register. Heute ist Einkaufen bei den Bauern so einfach wie noch nie. Wer keinen Bauern oder Bauernladen in der Nähe hat, kann sich die Produkte aus ganz Österreich liefern oder schicken lassen. In Windeseile wurde das Internetangebot ausgebaut. Die LK Österreich (unter Gutes vom Bauernhof) und die Genuss-Region Österreich listen im Internet Tausende bäuerliche Direktvermarkter mit ihrem Angebot auf. Über eine eigene „Schmankerl-Navi“-App kann man Höfe finden. Zudem schossen Internetverkaufsplattformen wie die Schwammerl aus dem Boden. Dahinter stehen oft nicht Bauern, sondern interessierte Städter oder auch Unternehmer, die den Boom nutzen wollen. Anbieter wie bauernladen.at, adamah.at, markta.at oder nahgenuss.at, die das Angebot von Bauern bündeln, haben auf Facebook bis zu 40.000 Abonnenten.

„Stark gewachsen sind aber auch der Automatenverkauf und die Zahl der Selbstbedienungsläden“, sagt Martina Ortner. Mehr als 600 solcher Container und Verkaufsstellen, die mit Regalen, Kühlanlagen und elektronischen Zahlsystemen ausgestattet sind, gibt es inzwischen in ganz Österreich. Konsumenten können dort meist rund um die Uhr und auch an Wochenenden einkaufen.

„Der Trend wird bleiben“, sind sich alle Experten einig. „Zwei Drittel der Bevölkerung möchten die geänderten Konsumgewohnheiten beibehalten“, sagt der Meinungsforscher Johannes Mayr von KEYQuest. „Das Bewusstsein, woher unser Essen kommt, war noch nie so groß.“

Auf vielen Höfen will man diese Chance nutzen. Von den Fortbildungsveranstaltungen der Landwirtschaftskammern für interessierte Bäuerinnen und Bauern werden laufend Rekordteilnehmerzahlen gemeldet, bei den Info- Webinaren des Netzwerk Kulinarik gibt es nie weniger als 100 Teilnehmer.

Es gab freilich nicht nur Gewinner. „Bauern, die an die Gastronomie lieferten, aber auch die Schulmilcherzeuger, kamen zum Teil schwer unter die Räder, wenn es ihnen nicht gelang, andere Abnehmer zu finden“, sagt Johannes Mayr.


36.000 bäuerliche Direktvermarkter gibt es in Österreich

36.000 bäuerliche Direktvermarkter gibt es in Österreich. Sie verkaufen ihre Produkte ab Hof, auf Bauernmärkten oder direkt an die Gastronomie. Zuletzt gewann auch die Zustellung an Endkunden an Bedeutung. Die Bauern entdeckten in der Krise neue Vermarktungsmöglichkeiten, auch über die sozialen Medien.
Bei Frischmilch, Eiern, Erdäpfeln, Frischgemüse und Frischobst, den wichtigsten Produktionssparten für die bäuerlichen Direktvermarkter, sorgte Corona für einen zusätzlichen Schub. Bei Frischmilch schnellte der Marktanteil von 14,8 auf 18,2 Prozent, bei Eiern gab es einen Zuwachs von 13,9 auf 15,2 Prozent. Der Anteil der Erdäpfel legte von 4,6 auf 6,9 Prozent zu. Deutliche Zuwächse gab es auch bei Obst und Gemüse. Nicht vom Boom profitieren konnten laut AMA-Marketing Fleisch und Wurst.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 8. Februar 2021

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