Donnerstag, 25. Februar 2021

Zu Tode g'fürcht ist auch g'storbn

Vor einem Jahr, in der letzten Februarwoche, kam Corona auch in Österreich so richtig an. Gab es in der Woche zuvor in den heimischen Zeitungen nicht mehr als 115 Meldungen zum Thema, so waren es eine Woche später mit einem Mal 600. Man fragte freilich noch arglos "Corona - ist Dramatik angebracht?" und beruhigte sich mit Ärzte-Äußerungen wie "Die Erregung rund um Covid-19 ist für mich rational nicht nachvollziehbar, dieses Virus ist nicht besonders gefährlich" oder "Kein Grund zu Corona-Panik, Grippewelle ist gefährlicher". Außerhalb von China waren damals gerade einmal 700 Fälle registriert. In Italien sperrte man nach den ersten zwei Todesfällen erste Gemeinden ab. Am Ende dieser Woche aber gab es in Österreich bereits sieben registrierte Fälle. Wer damals bei der Begrüßung den Handschlag verweigerte, wurde dennoch schief angeschaut und musste sich rechtfertigen. Ischgl war, zumindest in der breiten Öffentlichkeit, noch weit weg, wiewohl das Virus bereits wohl dort war. Der Rest ist Geschichte -in der vergangenen Woche gab es in den heimischen Zeitungen knapp 4.000 Meldungen zum Thema Corona, die Statistik zählt inzwischen allein in Österreich fast 450.000 Fälle und mehr als 8.200 Tote.

Die Pandemie hat uns fest im Griff. Unser Lebens ist auf den Kopf gestellt. Das Licht am Ende des Tunnels, von dem seit vergangenem Sommer die Rede ist, ist immer noch weit weg. Die Nerven liegen blank, liest man allerorts.

Wir haben viel lernen müssen in diesem Jahr. Und wir konnten auch vieles lernen. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass auch unsere Generation, zumal jene in den westlichen Industriestaaten, der Krieg und Not immer fremd waren, nicht unverletzlich ist. Wir haben lernen müssen, dass auch für uns die Welt nicht der sichere Ort ist, als den wir sie kennenlernten, und wie schnell alles anders sein kann.

Die Pandemie bescherte uns aber auch vieles, was Mut machen kann. Ganz zuvorderst ist da die Wissenschaft zu nennen, die es schaffte, binnen weniger Tage das Virus zu sequenzieren und binnen weniger Monate Impfstoffe zu entwickeln, die uns eine Perspektive geben. Auch wenn wir in Österreich, wie in ganz Europa, verärgert auf die Impfung warten, darf man nicht außer Acht lassen, dass weltweit bereits fast 200 Millionen Menschen geimpft sind -mit Impfstoffen, die vor einem Jahr gerade einmal im sprichwörtlichen Laborstadium waren.

Das gibt, auch wenn das viele jetzt nicht wirklich hören wollen, Hoffnung, zeigt es doch, zu welchen Leistungen der Mensch fähig ist. Und natürlich die Wissenschaft, muss man dazusagen. Letztere, und hier vor allem die Chemie, ist bei vielen Menschen in Verruf geraten und musste in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vieles an Kritik, Gehässigkeit und Ablehnung aushalten. Es ist dennoch frappierend, dass es trotz der Leistung gerade rund um die Entwicklung der Impfstoffe nicht gelungen ist, in großen Teilen der Bevölkerung an Reputation und Anerkennung zurückzugewinnen und dass trotz der einzigartigen Erfolge der Rechtfertigungsdruck kaum geringer geworden ist.

Die Pandemie zeigte aber auch, wie stark die Gesellschaft ist und wie belastbar. Einerseits. Andererseits zeigte sich auch, wie brüchig sie geworden ist, wie unsicher und wie wehleidig. Es ist ein ambivalentes Bild, das sie hinterlässt und es wird nicht klarer, wenn sich die Politik, zumal populistische Politik, einmischt und ihre Spiele spielt. Denn dafür, auch das ist eine der einschneidenden Erfahrungen, ist wohl auch in der größten Bedrängnis Zeit, und dafür ist man sogar da und dort bereit, mit der Demokratie -es sei nur an manche Notverordnung erinnert -zu spielen.

Was vor einem Jahr heraufdräute, hat inzwischen das Leben vieler Menschen verändert und an ihre wirtschaftlichen und oft auch psychischen Grenzen gebracht. Darum muss es nun, im aufziehenden zweiten Jahr der Pandemie, vor allem darum gehen, nicht nur das Virus im Griff zu haben, sondern auch einen praktikablen Weg zu finden, mit der Bedrohung zu leben. Es braucht intelligente Lösungen. Und es braucht die Bereitschaft, den Menschen zu vertrauen, zumal dann, wenn sie, wie die Gastronomie und Hotellerie, die Kultureinrichtungen oder andere Branchen, entsprechende Konzepte bieten.

Denn sonst wird eine uralte österreichische Weisheit noch tatsächlich Wirklichkeit -zu Tode g'fürcht is auch g'storbn.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 25. Februar 2021

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