Donnerstag, 11. Februar 2021

Das Land muss sich zusammenreißen

Am Anfang hieß es: "Das packen wir schon." "Koste es, was es wolle", gab der Bundeskanzler als Devise aus. Damals, im Frühling des Vorjahres, als man noch meinte, im Sommer sei der Corona-Spuk vorbei. Dann wurde es langsam aber stetig immer enger. Dem ersten Lockdown folgte der zweite, jetzt wurde der dritte gerade gelockert, und dass der vierte vor der Tür steht, gilt vielen als gewiss.

Die Zweifel am "Das packen wir schon" haben längst überhandgenommen. Und die Devise "Koste es, was es wolle" verbreitet inzwischen längst Unbehagen. "Wer soll denn das alles bezahlen?", fragt man sich inzwischen landauf, landab. Die Sorgen wachsen rasant. Und die schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft kommen immer öfter und immer heftiger.

Da waren zuerst die 535.000 Arbeitslosen, die das AMS Anfang Februar meldete. "Selbst bei längerer Suche findet sich in dieser Monatsstatistik nichts Erfreuliches", sagt AMS-Chef Johannes Kopf damals. Dann die Meldung aus dem Finanzministerium, dass Corona bisher ein Loch von 22,5 Milliarden Euro ins Budget gerissen hat. Bisher. Denn schon jetzt steht man laut Finanzminister bei mehr als 31 Milliarden an Hilfen, die ausgezahlt oder rechtsverbindlich zugesagt sind.

Und tags darauf dann die neuesten Konjunkturdaten des Wifo und eine Übersicht von Eurostat, der Statistikbehörde der Europäischen Union. Lag der Wirtschaftseinbruch Anfang Jänner noch bei elf Prozent, waren es jetzt wieder 14 Prozent. Und als ob diese Zahlen allein nicht genug gewesen wären, hieß es zudem auch noch: "Österreich EU-weit von Rezession am stärksten betroffen." Unser Österreich, das sich immer brüstete, Corona und alles rundherum so gut, ach nein, am besten im Griff zu haben? Mit einem Minus von 7,8 Prozent im vierten Quartal lag Österreich im EU-Vergleich an vorletzter Stelle. Nur in Spanien lief es noch schlechter.

Die Auswirkungen des Einbruchs im Fremdenverkehr nahmen sich da nur als schwache Erklärung aus, zumal auch bekannt wurde, dass selbst all die Hilfspakete, die in den vergangenen Monaten geschnürt wurden und beruhigen sollten, nicht wirklich so toll waren, wie uns allen glauben gemacht wurde. "Mit 8,5 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen die Hilfspakete laut Internationalem Währungsfonds über dem EU-Durchschnitt, aber unter dem Schnitt der Industriestaaten, die fast 13 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Hilfen vorsehen -wenn man von nicht budgetwirksamen Maßnahmen absieht", notierte der "Standard" penibel.

Die Regierung wirkt zunehmend ratlos. Worauf man setzte und worauf man hoffte, griff nicht. Internationale Vergleiche zeigen, dass man es wohl hätte besser machen können. Souverän ist anders. Das gilt nicht nur bei den Impfungen und bei der Lockdown-Politik, sondern, wie immer offensichtlicher wird, auch bei der Wirtschaft. "Der Regierung gehen die Instrumente aus", stand dieser Tage zu lesen, und auch "die Fantasien für neue Hilfen".

Die Wolken werden immer dunkler. Die Pandemie verläuft nicht so, wie es angekündigt und gehofft wurde, warum sollte jetzt also die wirtschaftliche Entwicklung und vor allem die Erholung so verlaufen? Immer klarer wird, dass wir wirklich vor harten Zeiten stehen. Die Krise wird an allen Ecken spürbar. Mit Beginn dieses Monates liefen die Kreditstundungen für Altkredite aus, die im Frühjahr die ersten Sorgen nahmen. Auch wenn sich die Banken kulant zeigen wollen, müssen sich die Kreditnehmer nun damit auseinandersetzen, wie sie die Mittel für die Rückzahlungen aufbringen. Auch ein Ende der Stundungen der Sozialversicherungsbeiträge ist abzusehen.

Österreich muss sich zusammenreißen. Und das Land, respektive seine Politikerinnen und Politiker, sollten ehrlich zu sich selbst sein. Wir stehen vor riesigen Herausforderungen und wohl auch vor harten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Denn es geht nicht nur darum, den Schuldenberg irgendwie abzutragen und jemanden zu finden, der das schultert und auch schultern kann, sondern es geht auch darum, all die anderen Aufgaben, vor denen wir schon vor Corona standen, zu bewältigen. Die Welt dreht sich weiter. Wir brauchen Mittel auch für die Digitalisierung, für die Forschung, für die Bildung und für den Umwelt-und Klimaschutz.

Das braucht ein anderes Denken, als wir es gewohnt sind. Größer und über die Parteigrenzen hinweg. China und der Rest der Welt werden nicht auf uns warten. Da müssen wir uns schon selbst ändern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 11. Februar 2021

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