Montag, 17. Mai 2021

Bauern hängen am Tropf des Staates

Die Agrarpolitik stößt an Grenzen. Bei 60 Prozent der Bauern sind die Förderungen höher als das Einkommen, das ihnen bleibt.

Hans Gmeiner 

Salzburg. Die Verhandlungen zur Reform der EU-Agrarpolitik sind in der Zielgeraden. Ende Mai will die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft den Durchbruch schaffen. Für die Bauern in der Europäischen Union und in Österreich geht es um viel, hängt doch ein Großteil ihrer Einkommen von den EU-Fördergeldern ab und davon, wie sie verteilt werden. „Im Durchschnitt machen die öffentlichen Gelder auf Österreichs Bauernhöfen rund 70 Prozent des Einkommens aus“, sagt Thomas Resl, Leiter der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft. Bei konventionellen landwirtschaftlichen Betrieben liegt dieser Anteil laut Berechnungen seines Instituts im Durchschnitt bei knapp 62 Prozent, bei Biobetrieben bei 88 Prozent.

Vor allem bei kleineren Betrieben und in Randlagen oder Berggebieten liegen diese Anteile sogar noch weitaus höher. Da können die Förderungen sehr schnell das in Stall, Feld und Wald erwirtschaftete Einkommen um ein Mehrfaches übersteigen. In der Kategorie bis 40.000 Euro Nettoumsatz mit Agrarprodukten, in die immerhin rund 60 Prozent der gut 105.000 bäuerlichen Betriebe in Österreich fallen, machen die Förderungen 175 Prozent des Einkommens aus. Im Klartext: Damit ein Bauer das in dieser Größenkategorie errechnete ohnehin magere durchschnittliche Einkommen von 7740 Euro pro Jahr erwirtschaften kann, braucht er rund 13.600 Euro an Ausgleichszahlungen, Prämien und Förderungen von der öffentlichen Hand.

Auch wenn er diese hohen Förderungen für grundsätzlich richtig hält, weil sonst die Bewirtschaftung in vielen Regionen und Bereichen nicht aufrechterhalten werden könnte, sieht Experte Resl die Forderungen nach Umverteilung der Fördermittel von größeren zu kleineren Betrieben sehr differenziert. „Die kleineren Betriebe mit weniger Umsatz als 40.000 Euro tragen zehn bis zwölf Prozent zur Wirtschaftsleistung der Landwirtschaft bei, bekommen aber schon jetzt 20 Prozent der Förderungen“, sagt Agrarökonom Resl. „Eine Umverteilung nach unten wäre eine reine Nebenerwerbsförderung.“ Im Endeffekt gäbe es nur Verlierer. „Jene, die etwas dazubekämen, würden sich wundern, wie wenig das ist, während es schon für Betriebe ab rund 30 Hektar, die von der Landwirtschaft leben, weniger Geld gäbe, weil ja irgendwo gekürzt werden müsste.“ Ebenso differenziert sieht Resl die Bioförderung. Da würde er eher andere stärker in die Pflicht nehmen als die Agrarpolitik. „Wenn wir auf 25 Prozent der Fläche Bio haben und der Anteil im Lebensmittelhandel bei zehn Prozent liegt, dann haben wir das Problem nicht bei den Bauern, sondern bei den Konsumenten, bei der Gastronomie, bei der öffentlichen Verpflegung und beim Handel.“

Trotz all der Förderungen – rund 1,8 Mrd. Euro pro Jahr – geht es den meisten Bauern wirtschaftlich nicht gut. „Seit 1995 gibt es bei den Bauerneinkommen nur mehr eine Seitwärtsbewegung“, hält Resl fest. „Inflationsbereinigt hat die Landwirtschaft seither 30 Prozent weniger Einkommen als damals.“ Warum es dennoch funktioniert? „Viele Betriebe haben in diesem Zeitraum aufgehört, die Hälfte der Arbeitskräfte wurde eingespart, der Kuchen auf weniger Leute aufgeteilt, so funktioniert heute die Landwirtschaft“, sagt Resl.

Die Verdienstmöglichkeiten hinken dennoch weit hinter anderen Wirtschaftszweigen her. Im Bundesmittel bringt es rein rechnerisch eine bäuerliche Arbeitskraft auf einen Stundenlohn von 9,6 Euro. Zieht man die Direktzahlungen und die SV-Beiträge ab, blieben im Schnitt der vergangenen fünf Jahre nur mehr 2,8 Euro. Bei konventionell wirtschaftenden Marktfruchtbetrieben waren es gar nur 20 Cent je Stunde, bei Bio-Marktfruchtbetrieben immerhin neun Euro.

Wissenschafter wie Resl oder Leopold Kirner von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik bezeichnen die Situation auf den heimischen Bauernhöfen als sehr angespannt. „Düster“ nennt es Resl, „sehr gemischt und durchwachsen“ sein Kollege Kirner.

In schlechten Jahren bleibt bei bis zu einem Drittel der Ackerbaubetriebe unterm Strich kein Ertrag übrig, in der Milchwirtschaft sogar bei drei Viertel der Betriebe. Die Größe spiele dabei meist eine untergeordnete Rolle, sind sich Resl und Kirner einig. „Es kommt eher auf die Betriebsleitung, also die Managementqualitäten, an als auf die Größe.“ Es gebe auch sehr viele große Betriebe mit negativen Ergebnissen, aber auch viele kleine mit positiven Jahresabschlüssen. „Die Streuung ist groß“, sagt Kirner.

Und Resl meint: „Wenn man clever ist und die Voraussetzungen passen, kann man in der Landwirtschaft schon Geld verdienen.“ Es sei aber finanziell sehr knapp auf Österreichs Bauernhöfen, sagen beide Experten. Aber das sei nicht nur in Österreich so. Nachsatz: „Wir haben aber in vielen Bereichen zumindest gute Strategien.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. Mai 2021

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