Freitag, 7. Mai 2021

Lichtblick im Außenhandel

Der für Österreich so wichtige Außenhandel erlebte 2020 einen historischen Einbruch. Für einen kräftigen Lichtblick sorgt immerhin der Absatz heimischer Agrarprodukte und Lebensmittel im Ausland.

Hans Gmeiner
Helmut Kretzl 

Wien. Die Coronapandemie hat im Jahr 2020 den gesamten Außenhandel massiv getroffen. Im Austausch sowohl von Waren wie auch von Dienstleistungen ergab sich im Jahresverlauf ein klares Minus, das bei Importen wie bei Exporten in einer Größenordnung von rund 15 Prozent lag, zeigt die aktuelle Zahlungsbilanz, die die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) am Donnerstag präsentierte.

Das seien Einbrüche von teils „historischem Ausmaß“, sagt OeNB-Vizegouverneur Gottfried Haber. Es zeige sich aber eine raschere Erholung als bei der Finanzkrise 2008/09. Kleine hochvernetzte Volkswirtschaften sind laut Haber von globalen Wirtschaftskrisen besonders schmerzlich betroffen, speziell wenn sie von internationalen Lieferketten und überwiegend ausländischen Absatzmärkten abhängig seien wie Österreich.

Den schlimmsten Einbruch gab es im Reiseverkehr, wo die Einnahmen um rund 40 Prozent hinter denen von 2019 zurückblieben. Österreich zählt hier zu den am stärksten betroffenen Ländern Europas. Noch härter erwischt hat es Griechenland, Portugal und Spanien, wo der Tourismus eine noch stärkere Rolle spielt als in Österreich.

In der insgesamt deutlich eingetrübten Außenhandelsbilanz gibt es auch strahlende Lichtblicke. Einer davon ist die Agrarhandelsbilanz, der 2020 allen Schwierigkeiten zum Trotz ein historisches Ergebnis gelang – während fast alle übrigen Branchen teils kräftige Exportrückgänge hinnehmen mussten. Im Bereich Maschinen/Fahrzeuge etwa sanken die Exporte um zwölf Prozent, bei bearbeiteten Waren um zehn Prozent.

Im Vorjahr exportierte Österreich erstmals mehr Agrarprodukte und Lebensmittel, als es importierte. „Und das trotz Herausforderungen wie Lieferverzögerungen durch Grenzkontrollen, Turbulenzen bei der Logistik, fehlenden Containern und Lkw und trotz des Brexit“, sagt Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie. Die Exporte legten um 3,9 Prozent auf 12,8 Mrd. Euro zu. Sie übertrafen damit die Einfuhren, die um nur 0,2 Prozent wuchsen, um 10,8 Mill. Euro.

„Weltweit hatten 2020 die Konsumenten so richtig Appetit auf Agrarprodukte und Lebensmittel aus Österreich“, sagt Michael Blass, Chef der Agrarmarkt Austria Marketing (AMA). Die wichtigsten Exportprodukte sind traditionell Milch und Molkereiprodukte sowie Fleischwaren. In all diesen Bereichen gab es auch im Vorjahr wieder beachtliche Steigerungsraten.

Österreichs Lebensmittelhersteller nehmen es inzwischen mit den Besten der Welt auf und behaupten sich auch in heiß umkämpften Märkten. „Im Käseland Frankreich legten unsere Käseexporte um zehn Prozent zu“, freut sich Blass geradezu diebisch. Und in dem mit Abstand wichtigsten Auslandsmarkt Deutschland erreichte man erneut ein Plus von gut sechs Prozent.

Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Der Agraraußenhandel zählt seit Jahren zu den Erfolgsstorys der heimischen Wirtschaft. Dass die Exporte nun die Importe übertrafen, ist die logische Folge einer langen Entwicklung, die ihre Gründe auch im EU-Beitritt Österreichs hat. Seit damals sind laut Koßdorff allein die Exporte der Lebensmittelindustrie um mehr als 700 Prozent gewachsen. Für die Lebensmittelindustrie sind die Exporte längst zentrales Standbein. „Zwei von drei Produkten gehen in den Export“, sagt Koßdorff.

Ein weiterer Lichtblick für das schwierige Jahr 2020 ist aus Sicht der OeNB die Leistungsbilanz, der Saldo aus Einfuhren und Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen. Zwar gab es in allen großen Positionen Rückgänge. Weil aber in Summe der Wert der Exporte mit 218,7 Mrd. Euro die Höhe der Importe von 209,2 Mrd. Euro überwog, ergab sich unterm Strich ein Überschuss von 9,5 Mrd. Euro und damit erneut eine positive Leistungsbilanz. Der Wert entspricht 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Positive Beiträge kamen dabei vom Warenverkehr (+5,3 Mrd. Euro) ebenso wie vom Reiseverkehr, wo sich unterm Strich ein Plus von acht Mrd. Euro ergab. Der Grund: Der Rückgang der Reiseausgaben von Österreichern im Ausland war mit minus 59 Prozent wesentlich höher als der Rückgang der Einnahmen durch ausländische Touristen in Österreich (–40 Prozent).

Kaum Verschiebungen gab es in der Reihenfolge der wichtigsten Handelspartner. Fast 60 Prozent der Importe wie auch der Exporte entfallen auf Länder der Eurozone, allen voran Deutschland vor Italien, Frankreich und Tschechien. Wichtigster Überseemarkt waren die USA, bei den Importen liegt China deutlich voran. Apropos China: Zusammen mit der Schweiz ist es das einzige Land unter den wichtigsten Außenhandelspartnern, wo es wegen vermehrter Pharma- und Medizinimporte im Vorjahr Zuwächse gab. Mit den übrigen Auslandsmärkten gab es markante Rückgänge, meist in einer Bandbreite zwischen acht und 15 Prozent.

Mit Prognosen für 2021 hält sich die Nationalbank zurück. Es gebe noch kaum konkrete „Datenpunkte“, der Pandemieverlauf sei nicht abzuschätzen und kleinste Änderungen könnten große Auswirkungen haben. Erwartet wird, dass man etwa 2023 wieder das Niveau vor der Krise erreichen könnte.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 7. Mai 2021

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