Donnerstag, 6. Mai 2021

Keine Diskussion und damit basta?

Was Österreich ganz gewiss nicht kann, ist zu diskutieren. Und was Österreich ganz gut kann, ist Themen wegzuschieben, wenn sie unangenehm sind. Bei gewissen Themen herrschen regelrechte Denkverbote. Zuweilen ist dabei jede ernsthafte Kritikfähigkeit verloren gegangen - nicht zuletzt, weil man schon lange nicht mehr die internationale Entwicklung des wissenschaftlichen Fortschritts und der Diskussion zu diesem Thema verfolgt.

Der Umgang mit Gentechnik oder ähnlichen Verfahren ist eines davon. Als in der vergangenen Woche die EU-Kommission in aller Vorsicht und Zurückhaltung einen, wie sie es nannte, "breit angelegten und offenen Konsultationsprozess ankündigte, um den Rechtsrahmen für den Umgang mit Gentechnik zu reformieren" und an den "wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt" anzupassen, schloss Österreichs Ablehnungsfront sofort die Reihen. Ins Visier genommen hatte man insbesondere neue Techniken wie die Genschere CRISPR/Cas, die schnell und kostengünstig Änderungen und Anpassungen ermöglicht, die ansonsten nur über aufwändige und zeitintensive Züchtungsschritte erreicht werden können.

"Wir brauchen kein neues Gentechnik-Gesetz", ließen da die grünen Europa-Abgeordneten sofort wissen. Die Biobauern verlangten, das "Einfallstor für neue Gentechnik muss gesichert bleiben". In keiner Stellungnahme fehlte der Hinweis auf die bösen Absichten der milliardenschweren Agrar-und Biotech-Lobby und ihre angeblich düsteren Interessen. Die Arbeiterkammer warnte vor einem "gefährlichen Spiel".

Die Reaktionen passten ins Bild, das man hierzulande seit Jahren, ja seit Jahrzehnten gewohnt ist. "Keine Diskussion und damit basta" - ganz so als gäbe es das Thema nicht. Augen einfach fest verschließen vor der Realität und am besten gleich den Kopf in den Sand stecken. Eine bewährte österreichische Methode, um sich Veränderungen und neuen Wirklichkeiten und Möglichkeiten zu verschließen.

Das Thema wird hierzulande ganz einfach nicht diskutiert. Allenfalls bestärkt man sich gegenseitig in der ablehnenden Haltung. Man muss sich dabei gar nicht mehr anstrengen die zu begründen. In der vergangenen Woche war es nicht anders. Die einschlägigen Gralshüter der Blockadehaltung lieferten ihre Stellungnahmen, die Medien und die Politik schwiegen gleich vorsorglich. Nur zu logisch -das Thema gibt es ja in Österreich nicht.

Nur ein einziger Abgeordneter schlug andere Töne an. "Die klassische Form der Gentechnik lehnen wir strikt ab", ließ der Präsident des VP-Bauernbundes, der Nationalratsabgeordnete Georg Strasser, wissen und fügte bislang für Österreich Unerhörtes hinzu: "Aber wir müssen über die Verfahren neuer Züchtungsmethoden offen und auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse diskutieren, mRNA-Impfstoffe wie den von Biontech/Pfizer, die auf Gentechnik basieren, aber nicht mit Genmanipulation gleichzusetzen sind, lehnen wir ja auch nicht pauschal ab -ganz im Gegenteil."

Darum geht es und um nichts anderes. Eine Stellungnahme wie diese war daher längst überfällig. Denn auf internationaler Ebene haben längst auch grüne Politiker und sogar Vordenker der Biolandwirtschaft neue Töne angeschlagen, wenn es um Gentechnik und vor alle um die "Genschere" geht. Prominente deutsche Grün-Politiker sprachen sich schon vor einem Jahr in einem Thesenpapier dafür aus, in Sachen Gentechnik umzudenken. Schon Jahre zuvor ließ der Schweizer Bio-Guru Urs Niggli, der heute als Berater unter anderem der hiesigen Landwirtschaftsministerin in Österreich lebt, aufhorchen, als er wissen ließ: "Ich bin gegen eine generelle Verteufelung der neuen Gentechnik." Gar nicht zu reden davon, dass der Französin Emmanuelle Charpentier für die Erforschung der Möglichkeiten der Genschere zuerst 2018 von Bundespräsident Van der Bellen das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst und ein Jahr später der Chemie-Nobelpreis verleihen wurde. Begonnen hat sie die Arbeiten dafür übrigens an der Universität Wien.

Es geht um nichts anderes, als darum eine Diskussion zuzulassen. Alles andere ist Realitätsverweigerung, die wir uns nicht leisten können. Wenn man etwas ablehnt, sollte man zumindest wissen warum.

Das hat man in Österreich in Sachen Gentechnik-Verfahren freilich längst vergessen, weil man gar nichts mehr weiß darüber, schon gar nicht, wie sich die Dinge entwickelt haben.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 6. Mai 2021

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