Montag, 4. Oktober 2021

Der digitalisierte Bauer

Ausgerechnet die Digitalisierung ermöglicht es den Bauern, die Sehnsucht vieler Menschen nach einer „Landwirtschaft wie früher“ zu erfüllen. Allerdings zu mitunter hohen Kosten.

Hans Gmeiner
 
Linz. Wenn die auf einem weißen Balken über dem Mähwerk montierten Infrarotsensoren im hohen Gras ein Rehkitz erkennen, wird das Mähwerk blitzartig angehoben. „SensoSafe-Wildtierretter“ heißt das System, das der oberösterreichische Landtechnikhersteller Pöttinger entwickelt hat und das bei der Grasernte schon vielen jungen Rehen das Leben gerettet hat.

Das Gerät ist eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie stark digitale Technik mittlerweile in der Landwirtschaft genutzt wird. Tiersensoren, die Sennern auf der Alm das Auffinden von Tieren erleichtern oder Milchbauern melden, ob eine Kuh Probleme hat, gehören genauso dazu wie Melkroboter in vielen Kuhställen oder GPS-gesteuerte Traktoren und Landmaschinen, die wie von Geisterhand gelenkt auf den Äckern zentimetergenau ihre Spuren ziehen. Und ein Innviertler Unternehmen liefert gar per Drohne Daten für die Steuerung eines Düngerstreuers und einer Pflanzenschutzspritze, die es ermöglichen, die Mittel punktgenau einzusetzen.

„Die Landwirtschaft ist nicht mehr der Bauer in Lederhosen, der in der Früh mit der Sense hinausgeht“, sagt Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger. Während viele einer Landwirtschaft wie früher das Wort reden, die Ansprüche an die Bauern ständig nach oben geschraubt werden und der wirtschaftliche Druck damit wächst, fährt auf den Höfen der Zug in die Zukunft. Ausgerechnet die Digitalisierung bietet Möglichkeiten, die immer spezielleren Wünsche der Konsumenten, aber auch ökologische Anforderungen zu erfüllen. Die neue Technik hilft den Bauern vor allem in der Tierhaltung, aber auch im Pflanzenschutz, in der Unkrautbekämpfung und beim Düngen, die Arbeit effizient und zielgerichtet zu erledigen. Sie bietet Arbeitserleichterung, Zeitersparnis und ist oft auch eine Antwort auf die wachsenden Personalprobleme auf den Höfen. Auf der Rieder Messe stand kürzlich ein Roboter im Mittelpunkt einer großen Präsentation zum Thema Digitalisierung in der Landwirtschaft, der in Gemüse- und Zuckerrübenfeldern – ferngesteuert und solarbetrieben – Unkraut beseitigt. Rund um die Uhr und tagelang. Kostenpunkt für das gute Stück: 90.000 Euro.

Die Bauern nutzen digitale Technologien vor allem in Form von Programmen für die Betriebsführung und Aufzeichnungen für Behörden und Kontrollstellen, als vernetzte Landtechnik auf dem Feld und im Stall, für Marketing und Direktvermarktung bis hin zur Wetterbeobachtung und den Informationsaustausch mit Kollegen.

In den vergangenen Jahren gab es auf den Höfen einen markanten Digitalisierungsschub. Mehr als 15.000 Traktoren sind inzwischen mit automatischen Lenksystemen ausgerüstet, in den größeren Milchviehbetrieben gehören Melkroboter zum Standard. „Ich habe selbst einen Melkroboter angeschafft“, sagt Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich und Milchbauer in Dornbirn. „Warum? Der arbeitet 24 Stunden am Tag, das amortisiert sich schneller als jeder Traktor, den ich nur fahre, wenn ich ihn brauche.“

So wie ihr Präsident denken immer mehr Landwirte. „Wenn es funktioniert, die Arbeit erleichtert und leistbar ist, dann nutze ich die neuen Technologien gern“, beschreibt Johannes Mayr von KeyQuest die Einstellung der Bauern. Die hat Mayr erst im Sommer in einer Studie zum Thema Digitalisierung in der Landwirtschaft erhoben.

Die Digitalisierung ist trotz der oft hohen Kosten nicht nur etwas für Großbauern, sondern bietet auch für kleine Bauernbetriebe eine Perspektive, davon sind Experten überzeugt. „Viele Angebote sind auf die Betriebsgrößen abgestimmt“, sagt Heinrich Prankl von der vor drei Jahren für alle in diesem Bereich tätigen Unternehmen und Organisationen eingerichteten Plattform Innovation Farm. „Der Kleine zahlt wenig, der Große entsprechend mehr, das ist lässig.“ Zudem bieten sich in vielen Fällen überbetriebliche Lösungen und die gemeinsame Nutzung der neuen Technik gerade in diesem Bereich an. Erklärtes Ziel sei es, dass auch die Kleinen profitieren, sagt Prankl. „Die Großen machen es sowieso.“

Nach Einschätzung der Landwirtschaftsministerin ist die österreichische Landwirtschaft in der EU in Sachen Digitalisierung vorn dabei. Dabei soll es bleiben. Mit den Landtechnikherstellern im Land stehe man in engem Kontakt, neuerdings gebe es auch eine eigene Start-up-Förderung.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 4. Oktober 2021

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1