Donnerstag, 14. Oktober 2021

Sprachlosigkeit im Land

Es war erst am Mittwoch vergangener Woche, als Chats aus dem Fundus von Thomas Schmid bekannt wurden, die Sebastian Kurz in Zusammenhang mit einer Korruptionsaffäre brachten. Am Samstag trat der Kanzler zurück. Seit Montag dieser Woche hat das Land einen neuen Bundeskanzler. Der Bundespräsident erklärte die Regierungskrise für beendet und entschuldigte sich für das Bild, das die Politik in den vergangenen Wochen abgegeben hat. Wieder einmal. "So sind wir nicht", sagte er diesmal freilich nicht.

Es ist an der Zeit die Dinge zu sortieren und manches festzuhalten um es nicht zu vergessen.

Die Lösung, die man gefunden hat, war wohl die einzige Möglichkeit, einen politischen Totalschaden zu vermeiden. Alles andere hätte für Monate Stillstand und Blockade bedeutet. Selten hat man Politik, Kommentatoren und Berater so ratlos gefunden wie Ende der Vorwoche. Da gingen selbst dem sonst so beredten Peter Filzmaier die Worte aus.

Die Krise der Regierung mag vielleicht vorbei sein, das politische Theater ist es wohl nicht. Es wird weitergehen in dieser Tonart, solange Kurz in der Politik bleibt. Die Kurz-Jagdgesellschaft wird sich nicht zufrieden geben damit, dass Kurz nur den Ballhausplatz räumte, legte doch der neue Kanzler mit seiner Solidaritätsadresse sogar gleich nach.

Von Verantwortung ist nicht nur beim Kanzler und der Volkspartei zu reden, sondern auch bei ihren Gegnern. Auch bei der Justiz. Es drängt sich der Eindruck auf, dass es nicht um rasche Klarheit geht, damit das Land wieder auf Kurs kommt. Warum wird nicht alles auf den Tisch gelegt, warum weiß man in einschlägigen Kreisen, dass mit weiteren Chat-Protokollen und neuem Ärger zu rechnen ist? Verantwortung fürs Land schaut anders aus.

Viele Beobachter meinen in der Volkspartei eine Wende von Türkis zurück zum alten Schwarz erkennen zu können. So weit ist es wohl nicht. Sebastian Kurz ist nach wie vor ÖVP-Obmann und verfügt in der Partei über die Machtfülle, mit der man ihn bei seiner Wahl zum Obmann vor vier Jahren bereitwillig ausgestattet hat. Der starke schwarze Politiker, die starke schwarze Politikerin, der/die das Ruder an sich reißt, ist weit und breit nicht zu sehen. Die Landeshauptleute zeigen sich allenfalls halbherzig.

Die berüchtigte "Message Control" geriet zwar außer Kontrolle, das System lebt aber noch. Das zeigte sich in der Vorwoche in den zahllosen vorgefertigten und türkis durchgestylten Solidaritätsadressen vor dem Rücktritt. Und nach dem Rücktritt war es nicht anders, als es die Entscheidung zu verteidigen galt, dass Kurz in der Politik bleibt -mit dem Spin versehen, dass er auch bald ins Kanzleramt zurückkehrt.

Man lernte in den vergangenen Tagen, wie biegsam Meinungen sein können. Die Halbwertszeit von Zusicherungen und Versprechungen war wohl nie kürzer als am vergangenen Wochenende. "Alle Ministerinnen und Minister der Volkspartei haben festgehalten -sie bleiben ausschließlich unter der Führung von Sebastian Kurz", hieß es noch am Freitag. Am Montag gratulierte man Schallenberg artig und blieb selbstredend im Amt. "Jetzt gilt es gemeinsam für Österreich weiterzumachen", war nun die Devise.

Die politische Glaubwürdigkeit ist allen Entschuldigungen und Beteuerungen des Bundespräsidenten zum Trotz wohl noch viel mehr beschädigt worden, als sie es ohnehin war. Die Politiker, namentlich die VP-Mitglieder der Regierung, haben genau das getan, was die Leute an der Politik abstößt. Was soll man ihnen noch glauben, wie sollen sie noch Vertrauen schaffen? Etwa für die Coronapolitik.

Es ist erstaunlich, welchen Drucks es bedarf, dass in Österreich dem Recht freie Bahn gegeben wird. Das zeigt sich bei Kurz genauso wie beim Bürgermeister der oberösterreichischen Gemeinde Scharten, der sogar wegen Vergewaltigungsvorwürfen angeklagt war (und inzwischen verurteilt wurde) und trotzdem bei den Gemeinderatswahlen kandidierte. In beiden Fällen wurde mit dem, was man verharmlosend gerne "gesundes Volksempfinden" nennt, gespielt und gegen die Justiz mobilisiert.

Die Opposition und auch die Grünen haben sich mit Kickl angepatzt, als eine Vierer-Regierung ventiliert wurde. Namentlich die SPÖ in der Person von Pamela Rendi-Wagner, hat es auch diesmal mit ihrem Kuschelkurs mit Kickl geschafft, mit internem Streit Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, statt sich als mögliche Kanzler-Alternative zu positionieren.

Zu würdigen sind, auch wenn man das in der ÖVP ganz anders sehen mag, die Grünen, die das Heft in die Hand nahmen. Sie erwiesen sich als tragender Teil des Landes. Es tut dem Land gut, was sie auf sich nehmen. Kogler ist mit seiner Ruhe und Ausgeglichenheit zu bewundern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 14. Oktober 2021

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