Donnerstag, 7. Oktober 2021

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass

Das Land hat seine Steuerreform, eine ökosoziale Steuerreform noch dazu. Je nach Standpunkt gilt sie als sanfter Einstieg in einen Systemwechsel und gut austariert oder als große Enttäuschung. Wie auch immer. In der Diskussion, die der Reform voranging, war zu erleben, was symptomatisch ist für Österreichs Verhältnis zum Klimaschutz und zu den Klimazielen, die sich die internationale Gemeinschaft und auch die EU gesetzt hat. Man druckste herum, man ging in Deckung und man steckte wo immer es ging den Kopf in den Sand. Wirklich reif für den großen Schritt ist man aber nicht. Die Politik und die Wirtschaft genauso wie die Bevölkerung. Man kennt das seit Jahren und Jahrzehnten. Zahllos sind die Bekenntnisse zum Klimaschutz, groß ist jedes Mal die Betroffenheit, wenn Zahlen zur Erderwärmung veröffentlicht werden -alles freilich meist, ohne je wirklich ernst genommen zu werden.

Wenn in Österreich über die Rettung des Klimas diskutiert wird oder gar über mögliche Maßnahmen, geht es selten wirklich um das Klima, sondern meist vor allem darum, wie man die eigene Haut rettet und möglichst billig und ungeschoren davonkommt. Eine ernsthafte Diskussion, die über begrenzte Maßnahmen und Aktionen hinausgeht, fehlt bisher. Schon allein, weil das Wissen fehlt und weil die Diskussion immer noch ideologisch überfrachtet ist. Mit Begriffen die Dekarbonisierung weiß kaum jemand etwas anzufangen und nur wenige können erklären, wie das mit den CO2-Zertifikaten, dem Handel damit und dem Preis dafür wirklich geht.

Da neigt man allemal immer noch eher dazu, sich über Warner lustig zu machen. Das Bewusstsein über den tatsächlichen Ernst der Lage und darüber, wie ernst es mit dem Handlungsbedarf ist, fehlt in Österreich in weiten Teilen der Bevölkerung und auch in der Politik. Viele, auch dort, wo man es in der Hand hätte Entscheidungen zu treffen, haben noch nicht einmal eine Meinung. Allenfalls hält man es mit dem Satz: "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass."

Aber die Lage ist wohl ernst. Wenn Österreichs oberster Stromerzeuger, Verbund-Chef Michael Strugl, davon spricht, dass die Energiewende, die ansteht, auch in der Landschaft in Form von Energiegewinnungsanlagen sichtbar werden wird und sogar Enteignungen für den Bau von Windkraftanlagen ins Spiel bringt, kann man erahnen, was in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf uns zukommt und was notwendig sein wird, um die Erderwärmung tatsächlich zu begrenzen. Und wenn Gabriel Felbermayr, seit Anfang Oktober Chef des Wifo, davon spricht, dass das EU-Klimapaket, das die Treibhausgase in der Union bis 2030 um 55 Prozent reduzieren will, als das "vermutlich größte Vorhaben in der Geschichte der Europäischen Union" bezeichnet, stellt das die aktuelle Diskussion in einen ganz anderen Rahmen als bisher.

Die Umwälzung, vor der wir stehen, ist eine riesige. Die Verunsicherung auch. Verständlich, dass für viele die wirtschaftliche Gefahr größer ist als die, die von der Klimaveränderung ausgeht. Darum verwundert nicht, dass man sich allerorten mit Händen und Füßen gegen den Green Deal wehrt oder Verlängerungen für die Verteilung von Gratis-CO2-Zerfikaten fordert, wie jüngst die Wirtschaftsministerin, und sich vorzugsweise an den Status quo klammert. Man befürchtet in der Industrie, in der Landwirtschaft und in vielen anderen Bereichen zu denen zu gehören, die die Zeche zahlen müssen und hat Angst vor dem, was inzwischen "Grüne Inflation" genannt wird, also einer Verteuerung durch die Umweltmaßnahmen und die CO2-Besteuerung.

Man kann das nachvollziehen, noch dazu wo der Anteil der EU-Staaten an den weltweiten CO2-Emissionen bei lediglich acht Prozent, der von Österreich gerade einmal bei 0,2 Prozent liegt. "Und da sollen ausgerechnet wir die Welt retten?", fragen sich viele.

Ja, denn wir sind nicht alleine, lautet die Antwort. Es führt kein Weg an dieser Umwälzung vorbei. Auch, weil es darum geht, Chancen nicht zu verpassen. "Finanzbranche und Industrie sind der Politik weit voraus", schrieb dieser Tage "Die Presse". Erst jüngst forderte ein Gruppe aus der Industrie um den ehemaligen Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber mehr Tempo und die wirtschaftlichen Chancen der Dekarbonisierung zu nutzen.

Mehr Tempo muss man ja nicht blindlings gehen. Aber man muss es gehen. Vor allem in Österreich. Die Steuerreform ist allenfalls ein Anfang.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 7. Oktober 2021

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