Die Bauern erleben spannende und herausfordernde Zeiten wie nie seit dem zweiten Weltkrieg. Niemand weiß wie wirklich mit der spannungsgeladenen und nur schwer einzuschätzenden Situation voller Unsicherheiten umzugehen ist. Allerorten macht man sich Sorgen, wie es weitergehen wird. Mit den Dieselpreisen, mit den Düngerpreisen, mit den Futterpreisen, mit den Lieferzeiten und mit den Arbeitskräften. Ob es in ein paar Monaten überhaupt nur um die Preise gehen wird oder nicht auch darum, ob überhaupt noch Betriebsmittel zu kriegen sind und Maschinen. Branchen wie die Eierproduzenten stehen schon jetzt mit dem Rücken zur Wand. Und sie sind nicht die einzigen.
Das ist die eine Seite.
Die andere ist vielversprechender. Noch ziert sich der
Handel zwar die Preise zu erhöhen, aber der Druck Tag für Tag größer. Und viele
halten es für absehbar, dass man diesem Druck nicht mehr lange standhalten
kann. In den Vorstandsetagen der Handelskonzerne muss man erkennen, dass die
Allmacht, die man in den vergangenen Jahren ohne viel Rücksicht und oft sehr
herablassend und zynisch ausspielte, ihre Grenzen hat. Das Blatt ist in diesen
Wochen dabei sich zu wenden.
Die Zeit der Preisdiktate scheint fürs erste vorbei zu sein.
Aus dem Käufermarkt wird ein Verkäufermarkt. Es geht nicht mehr in erste Linie
um Preise und darum sie zu drücken, sondern um die Verfügbarkeit, um sichere
Mengen und um verlässliche Lieferungen.
Die Landwirtschaft und die Verarbeiter sind damit dem Handel
nicht mehr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Ihre Position in den
Verhandlungen ist dabei eine ganz andere zu werden als sie bisher war. Nicht
mehr sie sind die Bittsteller, sondern sie sind es die die Ware haben, die der
Handel will und auf die er angewiesen ist, weil sie knapp ist. Die
Landwirtschaft und die Verarbeiter aber haben Alternativen, die sie nicht mehr
kannten. Auf den freien Märkten etwa ist derzeit mit den Rohstoffen oft bereits
deutlich mehr zu verdienen als mit den verarbeiteten Produkten für den Handel.
Damit müssen die Hersteller wie Molkereien oder
Fleischverarbeiter nicht mehr zu jedem Angebot ja sagen, das ihnen von Spar,
Rewe und Konsorten geboten wird. Das stärkt die Position der Verarbeiter und
der Landwirtschaft. Und es könnte die Wende sein, auf die die Bauern schon so
lange warten.
In Deutschland ist diese Wende bereits in Gang. Konzerne wie
Rewe kündigten dort Anfang April an, dass sie bei einzelnen Warengruppen und
Artikeln die Verkaufspreise erhöhen werden.
Man darf gespannt sein wie sich die Dinge wirklich
entwickeln, was die Bauern davon haben werden und ob die da und dort gehegten Hoffnungen sich tatsächlich als
richtig erweisen.
Dennoch ist auch die Agrarpolitik gefordert. Was sie bisher
lieferte ist mager. Dass man sich für die Freigabe der Bracheflächen für die
Produktion einsetzte, ist nichts als eine populistische und in jeder Hinsicht
wirkungslose Posse, die vor allem den Bauern kaum etwas bringt. Und sonst hat
man bisher nichts zusammengebracht. Weder eine Senkung der Besteuerung des
Agrardiesel noch eine Absicherung der Versorgung mit Betriebsmitteln wie
Düngern. Dabei ist die unabdingbar um auf den Höfen die Produktion aufrecht zu
erhalten.
Gmeiner meint - Blick ins Land 5. April 2022
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